Düsseldorf. Wollte ein 41-Jähriger aus Mönchengladbach Ausländer und Polizisten erschießen? Sein Anwalt verblüfft mit einer Aussage
Düsseldorf. „Manchmal können Kopfschüsse auch befreiend wirken“, hat Martin A. geschrieben. Dass in dieser „kranken Welt“ der „Wahnsinn ein Wahnsinnsende“ brauche. Dass er bereit sei zu kämpfen, zu töten und zu sterben. Und dass er eine Opferliste auf seinem Grabstein wolle, damit jeder sehen könne, wieviele Menschen ein einzelner umbringen könne. Wer ist dieser Mann aus Mönchengladbach, Anfang 40, der da an diesem Morgen im Saal E131 des Düsseldorfer Landgerichts sitzt und unter anderem wegen Vorbereitung einer staatsgefährdenden Gewalttat und unerlaubten Waffenbesitzes angeklagt ist?
Nachweisen, „dass er nicht nur eine große Klappe gehabt hat“
Günter Elschner, Vorsitzender Richter der 2. Großen Strafkammer, steckt gleich den Rahmen für den Prozess ab: „Haben wir es hier mit verkappter Anschlagsplanung zu tun oder dem Posing eines Menschen, der orientierungslos war und sich in den sozialen Medien geäußert hat?“ Um Martin A. jenseits der Waffen im Sinne der Anklage zu verurteilen, werde man ihm nachweisen müssen, dass er nicht nur eine große Klappe gehabt habe, „sondern fest entschlossen war, das umzusetzen, was er angekündigt hat.“
Die Generalstaatsanwaltschaft hält ihn laut Anklage für einen Rechtsextremisten, der sich nach 2019 zusehends radikalisiert habe und zufällig ausgewählte Polizisten und Ausländer töten wollte auch wenn er noch niemanden dezidiert ausgewählt habe. Die Polizei hatte eine ganze Reihe von selbstgebastelten Schusswaffen in seiner Wohngarage gefunden, Chatverläufe mit seiner Schwester und Bekannten belasten ihn zusätzlich. Auch eine an ihn verschickte Datei mit Neonazi-Propaganda wird im Gerichtssaal vorgeführt.
Er wäre gern in die Fremdenlegion gegangen
Welches Weltbild hat Martin A., der so gern zur Fremdenlegion gegangen wäre? Ein Mann, der sich nach eigenen Angaben vor allem bei Youtube und Telegram informiert und die geplante Reise zu einem Schamanen nach Spanien nur versäumte, weil er angeblich das Flugzeug verpasst hatte.
Sein Verteidiger Gerd Meister hatte schon vorab im Gespräch vor einigen Tagen bekräftigt, dass von seinem Mandanten „nie eine Gefahr ausgegangen“ wäre und verblüfft nun vor Gericht mit einer nicht alltäglichen Einlassung: „Ich bin der letzte, der einen bornierten, rechtsradikalen Idioten verteidigen würde.“
Nicht nur dummes Geschwätz, „sondern antisemitisch und rassistisch“
Meister betont, es gebe hier „nichts zu verharmlosen“, die Anklage sei notwendig, und was Martin A. teilweise gepostet habe, sei nicht nur dummes Geschwätz, „sondern antisemitisch und rassistisch“. Aber er sei nach vielen Gesprächen mit dem Angeklagten und auch mit dessen Eltern „überzeugt, dass er sich davon ausdrücklich distanziert“. Hier sei „zunehmende Frustration in den Coronajahren mit einer Verblödung durch das Internet“ zusammengekommen. Eine „gewisse Affinität zu Verschwörungstheorien“ sei indes nicht zu leugnen. Aber zwischen Gewaltphantasien und deren Umsetzung liege ein weiter Weg.
Videos in Rambo-Manier
Der Angeklagte, gelernter Kfz-Mechaniker, ein sportlich-kräftiger Mann mit Kurzhaarschnitt und Dreitagebart, beteuert: „Niemals hätte ich jemandem Gewalt angetan.“ Er sei kein aggressiver Mensch, habe von seiner Mutter gelernt, Konflikte anders zu lösen. Auch habe er keine rechtsextreme Gesinnung, er habe „viele ausländische Freunde“. Er sei damals „angefressen gewesen“, in einer „emotionalen Ausnahmesituation“, war mit der Corona-Politik nicht einverstanden, und ist „heute noch froh, dass ich mich nicht habe impfen lassen“. Auch Alkohol habe gewiss eine Rolle gespielt.
Kurzvideos, in denen er in Rambo-Manier mit seinen Waffen herumfuchtelt, will er als reines Posing verstanden wissen, er habe die Filmchen nicht herumgeschickt. Aus seiner Faszination für Waffen macht er indes keinen Hehl, im Gegenteil: „Ich wäre gerne Büchsenmacher geworden“, erzählt er. Was den Richter zu einem vergifteten Lob provoziert: „Sie sind ja nicht nur begeistert, sondern haben auch enormes handwerkliches Geschick.“ Mehrere Monate bis hin zu einem Jahr habe er an einer Waffe gebastelt, berichtet Martin A., es schwingt fast ein bisschen Stolz in der sonst unaufgeregten Stimme mit. Seine Freundin, mit der er seit einem Monat „sehr glücklich“ zusammen ist, sitzt im Publikum.
Der Oberstaatsanwalt zeigt sich am ersten Verhandlungstag von der angeblichen Läuterung des Angeklagten nicht überzeugt. „Ich erkenne nicht, dass er das alles hinter sich gelassen hat, das passt alles hinten und vorne nicht.“ Was die Kammer glaubt, wird man wohl am 26. November wissen: Dann soll nach acht Prozesstagen das Urteil fallen.