Bochum. Valeriia Kulakova ist 2022 aus Odessa geflohen. Ihr Jurastudium brachte sie in Deutschland nicht weiter. Sie dachte um - mit Erfolg.
Valeriia Kulakova hatte keine Angst. „Ich kann jeden Job machen“, sagt die 30-Jährige nach ihrer Flucht aus der Ukraine. „Wenn ich morgen in Amerika als Putzfrau arbeiten muss, um damit meinem Sohn ein sicheres Leben zu ermöglichen, dann mache ich das.“ Kulakova floh im März 2022 mit ihrem Sohn vor dem russischen Angriffskrieg. Aus der ukrainischen Stadt Odessa ging es nicht in die USA, sondern nach Deutschland zu Verwandten. In Bochum fand sie schon im Jahr danach Arbeit - hat dafür aber ihren eigentlichen Beruf drangegeben.
Denn die junge Frau, die sogar als Reinigungskraft arbeiten würde, ist promovierte Juristin. Ihr Vater habe ihr zum Jurastudium und der Arbeit an der Hochschule geraten, erzählt sie. „Er dachte, das wäre was für eine Frau, weil man auch in Teilzeit arbeiten könnte.“ In Odessa habe sie auch beim Zoll gearbeitet, nutzte ihren Schwerpunkt in internationalem Recht am dortigen Flughafen.
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In Deutschland ging sie den Weg vieler Geflohener und machte zunächst einen Integrationskurs. Das reichte ihr nicht. „Ich wusste, je besser mein Deutsch, desto besser die Arbeit, die ich bekomme.“ Sie suchte sich deutsche Freunde, schaute deutsches Fernsehen und entwickelte einen Plan: „In der Ukraine habe ich dafür gesorgt, dass Leute bestraft werden, wenn sie etwas Falsches getan haben. Hier wollte ich anderen Ukrainern helfen, Gutes zu tun.“
Als Jobcoach für Geflüchtete: „Sozialsystem wird auch ausgenutzt“
Denn als Juristin zu arbeiten, das schien kaum möglich. Zu unterschiedlich seien die Rechtssysteme. Aber Valeriia Kulakova kannte die Probleme vieler Geflohenen, auch ihre Sorgen, etwa einen Betreuungsplatz fürs Kind zu bekommen. Sie stellte sich beim Jobcenter als Hilfe für die Arbeitsmarktintegration von Ukrainern vor, dann als Jobcoach bei Weiterbildungsträgern. Ihr Sohn war dabei, als sie im September 2023 bei der Bochumer Sagittarius Akademie die Zusage zum Praktikum bekam. Heute besucht er die OGS und sie betreut als Vollzeitkraft in der Akademie Frauen aus der Ukraine, die in Deutschland arbeiten wollen.
Aus ihrer Sicht ist eines der großen Probleme, dass die Anerkennung von Berufsqualifikation und Zeugnissen zu lange dauere. Aber nicht nur: „Das deutsche Sozialsystem ist so gut, dass es auch ausgenutzt wird“, sagt Kulakova. Es werde ermöglicht, dass man nicht in einem anderen Beruf arbeiten müsse als dem erlernten. Das könne sie nicht nachvollziehen. „Wer drei, vier Monate nicht arbeitet, sollte weniger Geld bekommen“, findet sie.
Ernüchterte Arbeitgeberin: Nicht eine Ukrainerin nach ihr Angebot an
Ähnlich ernüchternd klingt es bei einer Arbeitgeberin aus dem westlichen Ruhrgebiet. Sie berichtet davon, wie sie einige Hundert Ukrainerinnen in einem Gebäude in der Nachbarschaft als hilfsbereit und engagiert bei ehrenamtlichen Arbeiten erlebte. „Warum dann nicht gegen Geld?“, habe sich die Chefin gefragt und bezahlte Arbeit in Hauswirtschaft und Betreuung älterer Menschen angeboten.
Nach einem Treffen, professionell begleitet von einer Übersetzerin, habe nicht eine Ukrainerin ihr Jobangebot angenommen. Die Arbeitgeberin blieb „sehr ratlos“ zurück und „fürchterlich enttäuscht“.