Essen. Die FDP will die Parkgebühren bundesweit senken oder abschaffen. Die Händler freut der Vorstoß. Doch welcher Preis wäre angemessen?
Mehr Autos in die Städte – das möchte die FDP mit ihrem „Fahrplan Zukunft“ anschieben. Die Idee: Wenn Parkgebühren wegfallen oder wenn es eine Park-Flatrate à la Deutschlandticket gäbe, würden die Innenstädte attraktiver werden für Kundinnen und Kunden. Als „ideologiefrei“ bewerben die Liberalen das Papier. Aber ist es das tatsächlich? Ist Parken zu teuer? Oder zu günstig?
Ist das Parken im Ruhrgebiet zu teuer oder zu günstig?
Ein Euro pro Stunde kostet das Kurzzeitparken in Essen-Rüttenscheid. In der Essener City sind es 1,90 Euro. Düsseldorf dagegen verlangt 4,5 Euro für eine Stunde und 3 Euro rund um den Citykern.
Ist das eine nun wenig und das andere viel? Es könnte natürlich sein, dass Düsseldorf dreimal „attraktiver“ ist als Essen – aber sind die Parkgebühren dafür der geeignete Maßstab? Es kommt darauf an, wen man fragt.
„Wenn man die Gebühren erhöht, vertreibt man die Leute – und zwar in Richtung Einkaufszentren“, sagt Rolf Krane, Vorsitzender der Interessengemeinschaft Rüttenscheid und damit Sprecher der Einzelhändler. „In Rüttenscheid erreichen die Kunden noch die Geschäfte mit dem Auto. Darum sind wir so ziemlich die einzigen weit und breit, die nicht klagen müssen. Wir haben derzeit eine gute Kombination, die wir erhalten wollen.“ Krane sagt auch: „Die Geschäftsleute wissen, dass ein nicht unerheblicher Teil ihrer Kunden, und besonders der kaufkräftige Teil, mit dem Auto kommt. Einige hochwertige Geschäfte haben 90 Prozent Autokunden.“
„Wenn wir einen internationalen Vergleich anlegen und die tatsächlichen Kosten berücksichtigen, sind die Parkgebühren eher zu niedrig“, erklärt dagegen Thorsten Koska, Verkehrsexperte des „Wuppertal-Instituts für Klima, Umwelt, Energie“. Ähnlich sieht es Mirko Sehnke, Vorsitzender des Fahrradclubs ADFC in Essen: Die Preise im Ruhrgebiet müssten „eher steigen“.
„Wenn ich mich auf der Rüttenscheider Straße umschaue, sehe ich, dass die meiste Zeit alle klarkommen“
Sind zu viele Autos in den Innenstädten überhaupt ein Problem?
„Dass die Erreichbarkeit der Innenstadt mit dem Auto Städte attraktiver macht, beruht auf einem weit verbreiteten Missverständnis“, sagt Koska. „Viele Studien zeigen, dass das Gegenteil der Fall ist: Wo weniger Autos parken, hält man sich eher auf und gibt man lieber Geld aus.“
„Die Innenstädte sind nicht durch Parkgebühren in die Krise gerutscht“, erklärt der Verkehrsexperte weiter. „Der Trend zum Online-Handel verläuft unabhängig von der Verkehrswende. Das lässt sich auch nicht zurückdrehen mit einem Verzicht auf Parkgebühren. Das ist eine sehr verzweifelte Haltung, die viele negative Effekte hätte. Wer sich alte Fotos anschaut, sieht, wie vollgestopft mit Autos die Innenstädte früher waren.“
Tatsächlich war der Essener Kennedyplatz zum Beispiel früher ein großer Parkplatz. Heute wird er oft für Aktionen genutzt, um Kunden zu locken: die Eislaufbahn, Streetfood, die Kleinfeld-Fußball-WM, der Weihnachtsmarkt ... Gastronomen haben zur Autofrage oft eine andere Position als Händler – vor allem, nachdem in der Corona-Zeit Parkplätze in Sitzplätze umgewidmet wurden.
„Ich glaube nicht, dass wir zu viele Autos haben auf der Rüttenscheider Straße“, sagt dagegen Rolf Krane. „Wenn ich mich umschaue, sehe ich, dass die meiste Zeit alle klarkommen.“
Das soziale Argument führt der Autoclub ADAC an: „Mobilität muss bezahlbar bleiben“, erklärt Thomas Müther, Sprecher für die Region Nordrhein. „Gebührenanhebungen – sofern nötig – sollten maßvoll und sozialverträglich sein.“ Der Club spricht sich dafür aus, dass die Parkhäuser günstiger bleiben sollten als das Parken am Straßenrand, dass Park-and-Ride-Lösungen geschaffen werden und die Innenstädte besser mit Bus und Bahn zu erreichen sind. Eine passende Befragung hat der Autoclub auch dazu: Laut der aktuellen Studie „Mobil in der Stadt“ kritisieren die Einwohner von Dortmund und Essen ebenso wie Pendler besonders das Parkraumangebot und die Höhe der Parkgebühren in der Innenstadt.
Sind die Parkgebühren „ideologisch“?
„Parkgebühren haben immer eine ideologische Komponente“, sagt Rolf Krane für die IG Rüttenscheid. „Sie werden vom Verkehrsausschuss festgelegt. Die Gebühren sind zuletzt erhöht worden gegen das Votum des Einzelhandels.“
Koska widerspricht dem nicht, er sieht es nur andersherum: „Politisch sind die Preise, weil sie nicht die realen Kosten abbilden. Bis 2020 gab es einen bundesweiten Kostendeckel beim Anwohnerparken von 30,70 Euro. Das war ein politisch festgesetzter Preis.“
Verkehrsausschüsse sind natürlich demokratisch legitimierte Gremien. Neben Ratsmitgliedern können vom Stadtrat auch sachkundige Bürgerinnen und Bürger gewählt werden. Auch sie können stimmberechtigt sein. In Essen zum Beispiel ist der ADFC mit Mirko Sehnke genauso vertreten, wie die Rüttenscheider Anlieger mit Rolf Krane.
„Die Parkgebühr sollte mindestens dem Preis einer Hin- und Rückfahrt mit Bus und Bahn entsprechen. Also rund 7 Euro.“
Wie bestimmt man einen angemessenen Preis?
„Ganz umsonst sollte das Parken nicht sein, sagt Krane. „Die Gebühren sorgen für eine Fluktuation, und der Raum ist ein kostbares Gut, für das man auch bezahlen kann. Aber Parkgebühren sind eine Botschaft. Es geht um das rechte Maß“.
„Ein angemessener Preis sollte sich orientieren an dem, was ein Parkplatz tatsächlich kostet“, erklärt Koska. „Das ist nicht nur das Grundstück. Der Platz muss auch hergerichtet und gereinigt werden. Allein diese Kosten werden in der Regel nicht hereingeholt durch die heute üblichen Gebühren.“
Um konkret zu werden: „Die Parkgebühr sollte mindestens dem Preis einer Hin- und Rückfahrt mit Bus und Bahn entsprechen“, sagt Mirko Sehnke, Vorsitzender des Fahrradclubs ADFC in Essen. Also rund 7 Euro.
„Dass die Parkgebühren steigen, je näher man an die Kern-Innenstadt kommt, ist nachvollziehbar und richtig“, erklärt der ADAC. „Eine Idee für fairere Parkgebühren könnten auch flexible Preise sein, die sich an der Auslastung orientieren. Die Preise der Parkautomaten und Parkhäuser werden dabei regelmäßig nach oben oder unten korrigiert: Je höher die Nachfrage, desto höher der Preis und umgekehrt.“
Gibt es eine Verdrängung des Autos zugunsten des Fahrrads?
Ja. Zum Beispiel hat Essen schon 2014 in seiner Bewerbung zur Grünen Hauptstadt dieses Ziel formuliert: Bis 2035 sollen die Bürger ihre Wege nur noch zu einem Viertel mit dem Auto zurücklegen. Momentan bestreiten Autos, Motorräder und -roller noch über die Hälfte aller Strecken. Die Anteile von Bus und Bahn, Rad und Fußverkehr sollen entsprechend steigen.
Die Grünen hatten an dieser Entscheidung übrigens keinen Anteil. Dieses Ziel wurde in einer Großen Koalition unter SPD-Führung formuliert. Später machte es sich der CDU-Oberbürgermeister Thomas Kufen auch nach dem Grüne-Hauptstadt-Jahr 2017 zu eigen.
2021 zog das Land NRW mit dem Nahmobilitätsgesetz nach. Auch hier wurde eine Viertelteilung auf Auto, ÖPNV, Rad und Fußverkehr als Ziel festgeschrieben.
Erledigt sich das alles in ein paar Jahren, wenn selbstfahrende Autos wie Flatrate-Taxis genutzt werden oder ganz allein außerhalb parken können?
„Wenn einmal das selbstfahrende Auto kommt“, sagt Verkehrsexperte Koska, „ist noch nicht gesagt, dass alle dies als Flatrate-Taxi nutzen. Viele werden weiterhin ein individuelles Fahrzeug haben wollen. Zukunftsvisionen fallen nicht vom Himmel, sie werden in Schritten gemacht. Und selbstfahrende Taxis oder geteilte Fahrzeuge werden dort funktionieren, wo es ohnehin nicht attraktiv ist, ein eigenes Auto zu haben. Es ist also vielleicht eher andersherum, dass Innenstädte, die unattraktiver sind für Autos, den Wandel beschleunigen.“
Bis dahin, glaubt der ADAC, stecke „viel Potenzial auch in einem digitalen Parkraummanagement. Darüber lässt sich vorhandener Parkraum besser nutzen und Parksuchverkehr reduzieren.“