Essen. Endspurt im Ausverkauf bei Galeria-Kaufhof in Essen. So tief sollen die Preise in den vier Wochen bis zur Schließung noch sinken.
Oben im zweiten Stock ist es schon leer, stehen nur noch leere Regale. Herren-Oberbekleidung gab es hier. Anzüge und Freizeitmode. Heute gibt es nur noch einen durch Flatterband begrenzten Weg zur Kundentoilette. Auch im Untergeschoss sind die Fensterfronten längst freigeräumt, liegen Bücher, Hefte und Stifte nur noch im hinteren Teil der Verkaufsfläche. In den zwei Stockwerken dazwischen aber stapelt sich die Ware. „Wir verdichten das Angebot“, sagt Jens Lehnecke, Filialgeschäftsführer der Galerie-Kaufhof Filiale im Einkaufszentrum Limbecker Platz. Anders gesagt. Man schiebt zusammen, was noch da ist. Ausverkauf im Kaufhaus. „Wir verkaufen auf null ab. Alles muss raus“. Und alles ist noch einiges.
„Wir sortieren die Ware jeden Tag neu“
Im Erdgeschoss steht der Sekt jetzt neben den Handtaschen, und im ersten Stock liegen Hanteln zwischen Jeans und Oberhemden. Morgen kann das schon wieder anders aussehen. „Wir sortieren jeden Tag neu“, sagt eine Verkäuferin.
Das Geschäft läuft nämlich nicht schlecht. Bis zu 45 Prozent mehr Kunden als vor Bekanntgabe der Schließung kommen laut Geschäftsführer an manchen Tagen in die Filiale. Manche zufällig, andere ganz gezielt. „Wenn das in den letzten Jahren so voll gewesen wäre, müssten die jetzt nicht zumachen“, sagt eine ältere Frau. Aber in den letzten Jahren hingen auch keine Plakate in den Türen, auf denen steht „Grosser Sortimentsverkauf“ oder „Alles reduziert.“
30 Prozent Rabatt gibt es derzeit auf die meisten Sachen, manchmal sogar mehr. Am Ende sollen es 90 Prozent sein. Lehnecke hat das alles schon einmal erlebt. Anfang des Jahres erst hat er bei Galeria Karstadt Kaufhof an der Wilmersdorfer Straße in Berlin abgeschlossen und am 1. April die Leitung in Essen übernommen. Vier Wochen später fiel die Entscheidung, auch hier zu schließen. „Das wusste ich vorher nicht“, stellt er klar.
„Vielen sind 30 Prozent Rabatt noch zu wenig“
Claudia Frerichs sieht derweil durch die Blusen Größe L, die im ersten Stock an einer Kleiderstange hängen. „Es ist schon schwierig, den richtigen Zeitpunkt zum Kaufen zu finden“, hat sie festgestellt. „Selbst bei 30 Prozent Rabatt ist vieles noch teurer als im Internet.“, Aber wie lange soll sie warten? „Wahrscheinlich ist in meiner Größe nichts mehr da, wenn es 60 Prozent gibt“, ahnt die 52-Jährige. „Oder nur in Farben, die mir nicht stehen.“ Das will Lehnecke nicht ausschließen. „Am besten, man kommt zweimal die Woche“, rät er und verrät: „Jeden Mittwoch und Freitag reduzieren wir neu.“
Barbara Neumann kämpft sich gerade ganz antizyklisch durch Wollmützen und Schals. „Wird ja auch irgendwann wieder kalt. Und reduziert sind die Sachen ja auch.“ Aber es geht der 68-Jährigen nicht nur um den Preis. „Ich habe schon immer gerne hier gekauft.“ Anprobieren, beraten lassen, möglicherweise doch wieder umtauschen – „ich möchte mit Menschen zu tun haben, selbst wenn das den Einkauf ein wenig teurer macht.“ Ihre Kinder seien da anders. „Die bestellen nur noch online.“
Ihm werde das Kaufhaus fehlen, sagt Achim Priedigkeit, der mit seinem Enkel in der Spielzeugabteilung nach Sonderangeboten sucht. Der Name „Karstadt“ habe „ihn irgendwie durchs Leben begleitet. „Wir haben da viel gekauft, als es noch billiger war.“ Das ist es wieder jetzt, und trotzdem „sieht es noch ganz ordentlich aus“. „Ich hatte so eine Art Resterampe erwartet.“ Kann noch passieren. Am Ende eines Ausverkaufes, heißt es in der Branche, sei der Trubel am höchsten. Bei 70 oder 80 Prozent, wissen Verkäufer, „brechen alle Dämme“. Naja, sagt der Filialleiter, „dann kaufen Leute auch mal Dinge, die sie vielleicht nicht unbedingt brauchen.“
Spätestens am 24. August ist Schluss
Gut vier Wochen soll es noch weitergehen bei Galeria am Limbecker Platz. „Dann ist Schluss.“ Auch für die zuletzt 110 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Essener Filiale. Viele hätten einen Job in einem Galeria-Haus in den Nachbarstädten bekommen, einige seien etwas früher in den Ruhestand gegangen oder hätten sich „beruflich anders orientiert“, erzählt Lehnecke. Natürlich gebe es keinen Grund zum Jubeln, „aber schlecht ist die Stimmung in der Belegschaft nicht“. Kunden an diesem Morgen können da nicht widersprechen. „Alle ganz höflich hier.“ Das Personal sagt dazu nichts außer, „wir wollen darüber nicht reden“. Kein Wunder, viele von ihnen haben drei Insolvenzen in drei Jahren miterlebt.
Am 24. August wird Lehnecke die Türen ein letztes Mal abschließen. Wenn keine Ware mehr da ist, auch früher. In Berlin war das eine Woche vor der geplanten Schließung. „Lässt sich jetzt noch nicht einschätzen“, sagt der Filialchef. Was danach in die vier Stockwerke kommt, ließe sich vielleicht sagen - verrät das Center-Management aber bisher nicht.
Lehnecke wird eine andere Galeria-Filiale übernehmen. Die Mitarbeiter dort kann er beruhigen. Er komme nicht, um wieder etwas abzuwickeln und zu schließen. „Ich habe“, beruhigt der 38-Jährige, „auch schon Filialen eröffnet.“