Dortmund. Der Spielort Dortmund bekommt durch die Fußball-EM langsam gute Laune. Was ein alter Affe und ein grüner Teppich damit zu tun haben.
Das Tor ist gebaut aus Stangen, aus Planen und aus Gastfreundschaft. Wer immer aus dem Dortmunder Hauptbahnhof in Richtung Fußball gehen will, der kommt hier durch. „Welcome to Dortmund“ steht oben dran, dieselbe Botschaft in acht weiteren Sprachen. Die ersten Fans fotografieren einander frühmorgens vor dem Tor, während andere schon wieder herausspazieren: Ein paar junge Männer, ausweislich ihrer T-Shirts vom Team „Romania“; sie werden gleich im Bahnhof an einem Ticketautomaten des Verkehrsverbundes verzweifeln. Bis jemand hilft. „Thank you my friend.“ Der Rumäne lächelt. Dortmund lächelt zurück.
Dortmund, größter Spielort der Europameisterschaft im Ruhrgebiet. An Spieltagen hat die Stadt spektakuläre Märsche von Fans aufs Stadion gesehen, gut besuchte Fanzonen auch. Schwarz-rot-goldene Flaggen, Wimpel und Autofähnchen waren vor dem Beginn de Turniers kaum zu sehen, jetzt sind mehr da. Am Mittwochabend bei Deutschland-Ungarn hat die Stadt zu feiern begonnen und ganz lange nicht mehr aufgehört. Einer, der dabei war, glaubt, dass nun gerade die gute Stimmung überschwappt aus dem Stadion auf die Straßen: „Man hat schon gemerkt, da kippte was ins Gute“, sagt er. Der Grund steht in Leuchtschrift am Fußballmuseum: „0 Tage bis zur Euro.“ Tatsächlich ist mehr als ein Viertel schon wieder vorbei.
Der rote Teppich ist grün
Und so beginnt hinter dem Tor des internationalen Willkommens jener Teppich, der zum Stadion, zur Fanzone und zum Public Viewing führt. 3784 Meter lang, 1,33 Meter breit, freilich kein roter Teppich wie bei der WM 2006, sondern ein grüner Teppich. Die Assoziation mit Fußball und Kunstrasen liegt auf der Hand, tatsächlich aber hat die Farbwahl einen ganz handfesten Grund. Wäre er rot, könnte man ihn für einen Radweg halten, und das wäre nicht gut für alle Beteiligten. Gilt übrigens auch umgekehrt: 2006, erinnert sich Martin Sauer, der Euro24-Beauftragte der Stadt, seien manchmal zugereiste Fans in Verwechslung mit dem Teppich einem Radweg gefolgt „und nicht wie gewünscht am Stadion angekommen“. Klingt ein bisschen wie ein Sommermärchen.
Apropos. Der Vergleich mit 2006 hängt wie ein Schatten über dieser EM. Das Sommermärchen ist etwas idealisiert im Sinn geblieben, niemand erinnert sich mehr an die damaligen, ebenso eindringlichen Warnungen der Polizei vor Anschlägen oder an die Fankrawalle in Dortmund zwischen Deutschen und Polen. Aber ja, Sommer, Siege und diese Leichtigkeit des Seins hat es gegeben, wenn auch nicht, wie die Erinnerung behauptet, vom ersten Tag an. Wird es noch so? Zumindest ist da etwas auf dem Weg.
„Man hat noch 2006 im Kopf, aber das kann man nicht einfach wiederholen“, sagt Manfred Schepp. Man trifft ihn und den Kollegen Torsten Kurpjuhn, wie sie sich knieend und schraubend an besagtem Teppich zu schaffen machen. „Wir sind jeden Morgen unterwegs und auch in Bereitschaft“, sagt Schepp, Chef des Design-Geschäftes „Belluci Licht und Form“. Sie sind verantwortlich für den Teppich („Es kommt schon mal vor, dass sich eine Schraube löst“) und gehen deshalb täglich mehrfach durch diese fußballbegeisterte Stadt. „Was wir mitkriegen: Die Stimmung ist gut“, sagt Schepp.
Tatsächlich trifft man immer wieder auf diese Gute-Laune-Momente. Engländer neben Spaniern neben Portugiesen neben Ukrainern auf dem Alten Markt, einem zentralen Platz mit viel Außengastronomie. Die Fans, die sich unter grauem Himmel auf den bunten Liegestühlen vor dem Fußballmuseum räkeln. Die albanischen Fans neulich, die vor den Augen der Italiener Spaghetti zerbrechen, woraufhin die, demonstrativ übertreibend, zu heulen und zu klagen beginnen. Das Ende heißt: gemeinsamer Volkstanz.
Im Zoo orakelt Walter, der Orang-Utan
Das bunte Durcheinander der Nationen in ihren Trikots und T-Shirts. Je älter der Tag wird, desto mehr trudeln ein auf dem Alten Markt. „Wir haben auch eine Gruppe Schotten, die kommen jeden Tag, die haben schon einen Stammplatz“, sagt ein Gastronom und erinnert an die legendären Auftritte der Schotten von 2006: Da haben sie hier Dudelsack gespielt, haben den Platz feiernd zerlegt („Kein Tisch und kein Stuhl hat mehr an seinem Platz gestanden“) - um ihn dann rechtzeitig vor dem Spiel aufzuräumen und zum Stadion zu marschieren. 2024 schreibt eine Frau ins Netz: „Können wir die Schotten behalten?“
Wenige Kilometer weiter südlich, im Zoo, macht auch Walter gute Laune. Der Orang-Utan ist ein alter Hase. Die Stadtverwaltung verbreitet in den sozialen Medien lustige Filmchen, wie das Fußballorakel Walter auf Trikots oder Schals zumarschiert, die an einer Wäscheleine hängen. Die Farben siegen, die er herunterreißt. Schon immer und auch im laufenden Turnier schlägt der Affe sich damit ausgesprochen gut. Sein Betreuer sagt: „Wenn er mal falsch lag, dann habe ich seine Entscheidung vielleicht einfach falsch gedeutet.“ Das Orakel ist zur Institution gereift. Dortmund lächelt.