Düsseldorf. Im Untersuchungsausschuss „Brückendesaster“ gibt eine verantwortliche Ingenieurin Einblicke in einen fatalen Verschleppungsprozess.

Der Ersatzneubau für die inzwischen gesprengte A45-Talbrücke „Rahmede“ bei Lüdenscheid ist in NRW offenbar lange nicht mit dem nötigen Nachdruck vorangetrieben worden. Diesen Schluss lässt die Befragung einer wichtigen Zeugin am Montag im Untersuchungsausschuss „Brückendesaster“ des Landtags zu.

Geladen war eine 50-jährige Bauingenieurin, die heute für die Bundesautobahngesellschaft arbeitet. Sie war von Sommer 2019 bis Ende 2020 Mitglied der eigens eingerichteten „Projektgruppe A45“ und hatte diese zwischenzeitlich geleitet. Dennoch gab sie zu Protokoll: „Für mich war die Talbrücke Rahmede wenig präsent.“

Wie kam es zur Verschleppung des Termins für den Ersatzbau?

Der Ausschuss geht der Frage nach, wie es während der Amtszeit des vormaligen NRW-Verkehrsministers Hendrik Wüst (CDU) zur fatalen Verschleppung des Ersatzbaus kommen konnte. Noch 2017 unter Minister Michael Groschek (SPD) war er für 2019 terminiert. Die A45 als hochbelastete „Schlagader“ zwischen Dortmund und der hessischen Landesgrenze bereitete den Fachleuten da schon lange Sorgen. Die baufällige „Rahmede“ wurde bereits seit 2014 entlastet.

Unter Wüsts Regie wurde der Neubauplan 2018 zunächst auf 2020 verschoben, ein weiteres Jahr später sogar auf 2022. Hintergrund soll die Erkenntnis gewesen sein, dass ein zeitaufwendiges Planfeststellungsverfahren hermüsse, um Baurecht zu erlangen. „Wer hat das eigentlich beschlossen, dass es ein Planfeststellungsverfahren geben soll?“, fragte der Ausschussvorsitzende Stefan Engstfeld (Grüne) am Montag die Bauingenieurin im Zeugenstand.

„Woher genau ich die Information hatte, das kann ich Ihnen jetzt gar nicht sagen“, antwortete sie. „Haben Sie nichts Schriftliches gehabt?“, insistierte Engstfeld. „Nein, nicht dass ich mich erinnere“, so die Zeugin. Engstfeld entgeistert: „Ist das normal, dass man bei einer solchen Brücke auf Hörensagen arbeitet?“

Gab es politische Einflussnahme?

Den Untersuchungsausschuss interessiert, ob es politische Einflussnahme gab, um bestimmte Projekte bei knappen Mitteln und Planungskapazitäten zu priorisieren, während andere bewusst in Bundeszuständigkeit geschoben worden sein könnten. 2021 gingen die NRW-Autobahnen in die heutige Bundes-GmbH über.

„Wie und ob priorisiert worden ist, kann ich Ihnen gar nicht sagen“, erklärte die Zeugin. Brisant: Ein privates Ingenieurbüro, das bereits 2016 mit einem Vorentwurf für den Ersatzbau beauftragt worden war, erklärte im Protokoll einer Projektbesprechung, dass alle Planungen ab Ende 2017 ruhend gestellt worden seien. In der Schlussredaktion wurde dieser Hinweis gestrichen.

„Die haben eine längere Planungsunterbrechung geltend machen wollen, die es nicht gab“, so die Zeugin. Für FDP-Obmann Christof Rasche erschließt sich nicht, wie der Neubau verschoben werden konnte, ohne zu überprüfen, „ob die Brücke überhaupt noch so lange hält“. Ende 2021 musste das 450 Meter lange Bauwerk nach einer Sonderprüfung des Bundes tatsächlich vollständig gesperrt werden.