Essen. Viele Menschen in NRW nutzen einen Stanley Cup. Aber der Becher kann gefährlich sein. 2,6 Millionen werden zurückgerufen. Ihrer auch?

Die Firma Stanley ruft 2,6 Millionen ihrer Kult-Trinkbecher zurück: Grund sind Dutzende von Verbraucherbeschwerden. Einige Nutzer berichten sogar von Verbrennungen und ärztlicher Hilfe, die sie benötigten. Offenbar schließt bei ihnen der Deckel ihrer Becher nicht richtig, wodurch beim Trinken heiße Flüssigkeit austreten kann. Dabei ist das Warmhalten von Flüssigkeiten eigentlich eine der Hauptaufgaben eines Stanley Cups. Bis zu sieben Stunden soll heiße Getränke in ihm heiß bleiben und kalte elf Stunden kalt – mit Eiswürfeln sogar zwei bis vier Tage. Und spülmaschinenfest ist er auch.

Stanley Cup: Zeitweise fast überall ausverkauft

Wenn er denn in die Spülmaschine passt. Denn der Stanley Cup ist ein sehr großer Trinkbecher. Je nach Model bis zu rund 30 Zentimeter hoch, mit einem maximalen Fassungsvermögen von gut 1,2 Litern. Füllt man ihn, gibt es Fitnessgeräte, die leichter sind. Billig ist das Teil auch nicht. Im Gegenteil: 50 Euro sind schon ein Schnäppchen, 70 bis 80 Euro die Regel. Für besondere Exemplare kann es schnell man dreistellig werden. Gab es Anfang des Jahres – vor allem in Deutschland – immer wieder mal Lieferschwierigkeiten, ist der Cup selbst vor Weihnachten mittlerweile meist problemlos zu bekommen und verkauft sich massenhaft. Dabei gibt es ihn eigentlich schon seit mehr als 100 Jahren.

Ein seltenes Bild: Meist sind die Stanley Cup-Becher blitzschnell ausverkauft.
Ein seltenes Bild: Meist sind die Stanley Cup-Becher blitzschnell ausverkauft. © Getty Images | JUSTIN SULLIVAN

Eine erste Version hat ein gewisser William Stanley Jr., Erfinder von Beruf, bereits 1913 entwickelt. Sie ähnelt allerdings eher einer klassischen Thermosflasche als einem Becher. Aber sie ist schon damals aus fast unzerstörbarem Stahl und hält ihren Inhalt lange warm oder kalt. Erste Kunden werden Bauern und Bauarbeiter, Menschen also, die draußen arbeiten. Mit Beginn des 2. Weltkrieges hebt dann kaum ein Airforce-Pilot ab, ohne die doppelwandigen Flaschen an Bord zu haben. Später, so wird immer wieder gerne erzählt, werden Stanley-Becher gerne auch zum Transport von Organen und Bullensperma genutzt. Außerhalb der USA aber fristet die Marke lange ein Nischendasein – nur im Outdoor-Bereich ist der Name manchen Menschen ein Begriff.

Quencher: Anfangs will den Becher kaum jemand haben

2016 bringt das Unternehmen den „Quencher“ auf den Markt, also den Becher mit Trinkhalm in der Mitte des Deckels, der jetzt so begehrt ist. Anfangs hält sich die Begeisterung zuerst in Grenzen. 2019 stehen noch Tausende in den Lagern, Stanley überlegt, die Produktion einzustellen. Dann entdecken die Betreiberinnen des Online-Shopping Blogs „The Buy Guide“ den Becher, empfehlen ihn begeistert weiter und mahnen zur Eile: „Kaufen, solange es ihn noch gibt.“ Prompt schnellen die Verkaufszahlen in die Höhe.

Ob sie nicht eine Charge von 10.000 Bechern aufkaufen und selbst vertreiben wollen, fragt Stanley in der Hoffnung auf leere Lager bei den Bloggerinnen an. Die zögern zunächst. „Wir wussten ja nicht, ob wir den Rest unseres Lebens damit verbringen würden, zu versuchen, diese Becher zu verkaufen“, sagt Taylor Cannon, eine von ihnen, einer US-Zeitschrift. Doch die Sorge ist unbegründet. Die ersten 5000 Becher sind in etwa vier Tagen ausverkauft, die zweite Charge von weiteren 5000 Bechern ist sogar innerhalb einer Stunde weg.

Celebrity Sightings In Los Angeles - January 09, 2024
Schauspielerin Olivia Wilde (Ghostbusters: Legacy; Babylon - Rausch der Ekstase) nimmt ihren Stanley Cup Becher mit zum Workout © GC Images | ZZHollywood To You/Star Max

Bei Stanley ist man beeindruckt, sucht das Gespräch mit den Buy-Guide Betreiberinnen. Und die nehmen kein Blatt vor den Mund. „Ihr vermarktet diesen Becher bei den falschen Leuten“, sagen sie den erstaunten Managern, berichten US-Medien später von dem Treffen. Handwerker und Outdoor-Fans alleine seien nicht die Zielgruppe. Sie würden die Becher schließlich nur zu besonderen Gelegenheiten nutzen. Viele interessanter sei es doch, den Quencher zu einem Artikel des täglichen Gebrauchs zu machen – besonders in den USA, in denen sich weite Teile der Bevölkerung bekanntlich ständig von Dehydrierung bedroht sehen. Frauen seien ein großer Kundenkreis – erst recht, wenn der Becher optisch zu Küche und Wohnzimmer passe, am besten auch zum gerade aktuellen Outfit. „Jede Marke auf der Welt, die sich nicht an die 25- bis 50-jährige Frau wendet, verfehlt ihr Ziel“, findet Cannon.

Frauen werden zur neuen Zielgruppe

Bei Stanley nimmt man der Rat an. Es gibt neue Farben und technische Weiterentwicklungen. Schnell geht die Rechnung auf. Via Internet wird der Riesenbecher in aller Welt bekannt. Immer mehr Influencerinnen halten auf Instagram oder TikTok einen Stanley in die Kamera. Auch vergeht bald kaum ein Tag, an dem nicht irgendein Promi mit dem Quencher in der Hand auf einem Foto zu sehen ist. Und die Kommentare überschlagen sich. „So leicht ist es mir noch nie gefallen, viel Wasser zu trinken“, berichten Nutzerinnen auf einschlägigen Foren und schwärmen: „Hält die Getränke wirklich extrem lange kalt oder warm.“ Nur ganz selten gibt es leise Kritik: „Ganz dicht ist er nicht.“

Das Geschäft läuft gut, dann aber explodiert es förmlich. Auslöser ist ein Video, das eine 37-jährige Frau namens Danielle im Herbst vergangenen Jahres bei TikTok einstellt. Es zeigt den Innenraum ihres nach einem Unfall völlig ausgebrannten Autos. Sitze, Armaturen, alles ist verkohlt. In der Mittelkonsole aber steht ein augenscheinlich fast völlig unversehrter Stanley Cup Becher. Mehr noch: Als die Frau den Becher schüttelt, stellt sich überrascht fest: „Da sind noch die Eiswürfel drin zu hören.“ Bessere Werbung gibt es nicht - zumal das kurze Video knapp 100 Millionen Mal aufgerufen wird.

Ein Unfall wird zum Marketing-Hit

Eine Gelegenheit, die Stanley-Chef Terence Reilly nicht ungenutzt lässt. Nur zwei Tage später postet er selbst ein Video: „Wir sind froh, dass es dir gut geht, Danielle“, sagt er darin. Selbstverständlich werde man ihr als Dankeschön einen neuen Becher zukommen lassen. „Aber eine Sache wäre da noch“, fährt er dann fort, „wir haben so etwas noch nie gemacht und werden es wohl auch nie wieder tun, aber wir möchten gern dein Auto ersetzen.“ Auch dieses Video – man ahnt es schon – wird millionenfach geklickt.

In immer neuen Farben und Designs kommt der Quencher in die Geschäfte.
In immer neuen Farben und Designs kommt der Quencher in die Geschäfte. © Getty Images | JUSTIN SULLIVAN

Überhaupt lässt sich Reilly, der zuvor schon die praktischen aber häßlichen Plastikschuhe „Crogs“ zu einem Lifestyle-Produkt gemacht hatte, einiges einfallen. Mittlerweile gibt es limitierte Quencher-Editionen und immer neue Sondermodelle. Die künstlich erzeugte Verknappung hat Folgen. Weihnachts- oder Valentinstags-Editionen werden zeitweise für mehrere Hundert Dollar beziehungsweise Euro auf Auktionsportalen gehandelt. Und wenn eine neue Auflage in begrenzter Stückzahl erscheint, campen Fans schon Tage zuvor vor den Geschäften

Mit dem Rückruf der 2,6 Millionen Becher gibt es nun erstmals schlechte Nachrichten für Stanley. „Verbraucher sollten sofort aufhören, die zurückgerufenen Becher zu verwenden und sich an Stanley wenden“, rät die Consumer Product Safety Commission (CPSC), die in den USA für die Konsumsicherheit zuständig ist. Eigentümer eines „Stanley Switchback“- oder eines „Stanley Trigger Action“-Bechers sollten sicherheitshalber nun einen Blick auf die Produktnummer ihres Bechers werfen, die sich auf der Unterseite der Trinkflasche befindet.

Stanley Cup: Online in alle Welt verkauft

Die betroffenen Bechermodelle sind:

Switchback 12-Ounce Mug, Produktnummer 20-01437

Switchback 16-Ounce Mug, Produktnummern 20-01436 und 20-02211

Trigger Action 12-Ounce Mug, Produktnummern 20-02033, 20-02779, 20-02825

Trigger Action 16-Ounce Mug, Produktnummern 20-02030, 20-02745, 20-02957

Trigger Action 20-Ounce Mug, Produktnummern 20-02034 und 20-02746

Die meisten davon dürften zwischen 2026 und 2024 innerhalb der USA verkauft worden sein. Seit Beginn des Hypes wurden viele allerdings über Online-Shops auch nach Deutschland und in den Rest der Welt geliefert.