Essen. Essen hat aufgerüstet, auch Bochum hat dazugelernt – aber das reicht nicht. Wie verhindern wir erneute Randale im Ruhrgebiet?

  • In Essen will ein Großaufgebot der Polizei Silvesterrandale verhindern
  • Im Bochumer Bermudadreieck ist Feuerwerk verboten
  • Eine große Mehrheit der Deutschen wünscht sich ein flächendeckendes Böllerverbot

Alle Jahre wieder gehen junge Menschen, Männer meist, auf die Straße, die einen ordentlichen Knall haben. Das wird Silvester wieder so sein. Nur dass es jetzt vermutlich noch schlimmer kommt: Bundesinnenministerin Nancy Faeser weist zurecht darauf hin, dass sich die zu erwartenden Krawalle in unseren Städten mit Nahost-Protesten vermischen könnten. Sie befürchtet, dass radikalisierte Palästinenser und ihre arabischen Freunde die Randale-Stimmung auf deutschen Straßen womöglich gezielt für Gewalttaten nutzen. Da stellt sich mir die Frage: Werden wir uns wieder überrumpeln lassen und dann am Neujahrstag unsere Wunden lecken, oder sind wir diesmal gut vorbereitet? Die Antwort lautet: Geht so.

Grundsätzlich positive Signale kommen aus Essen. Die Behörden dort haben eigenen Aussagen zufolge ordentlich aufgerüstet. Demnach sind doppelt so viele Beamte wie im Vorjahr im Einsatz, in Uniform und in Zivil. Sie sollen für Sicherheit und Ordnung sorgen. Und sie sollen sicherstellen, dass Randalierer nicht ungeschoren davonkommen. Im vergangenen Jahr wurden allein in Essen drei Feuerwehrkräfte und ebenso viele Polizisten verletzt; am Ende folgte eine einzige Bewährungsstrafe.

Ohne Filmaufnahmen geht nicht viel

Das Problem ist, dass man aus einer unübersichtlichen Lage heraus im Nachgang strafbare Handlungen identifizieren muss, die klar einzelnen Individuen zuzuordnen sind. Ohne gutes Videomaterial geht da nicht viel. Und Rettungskräften, die angegriffen werden, fehlt die Zeit, selbst zeitnah Beweise zu sichern. Darum sieht die Bilanz in anderen Städten ähnlich aus. Nehmen wir nur Berlin: Nach 150 Ermittlungsverfahren blieben 41 Tatverdächtige übrig, von denen 17 verurteilt wurden. Die Strafen waren zum Teil lächerlich milde.

Neben mehr Personal soll in NRW nun auch mehr Technik helfen, dass sich der Rechtsstaat nicht wieder blamiert. Eine von zehn neuen mobilen Videobeobachtungsanlagen des Landes soll Silvester in Essen stehen. Sechs Kameras hängen an einem solchen imposanten Ding, um Krawallmacher gerichtsfest zu überführen. Das ist mehr als nichts – aber ausreichend ist es eben auch nicht. Die mutmaßlichen Hotspots lauten:  Freisenbruch, Kennedyplatz und Salzmarkt, Katernberger Markt, Altenessen sowie am Wasserturm an der Steeler Straße. Es wäre nicht übertrieben, allein für Essen fünf dieser Systeme einzusetzen. Auch die Idee von Essens Oberbürgermeister Thomas Kufen, dass neben Polizeibeamten auch andere Einsatzkräfte zum Eigenschutz Bodycams tragen sollten, ist sehr überdenkenswert.

Neujahr 2021: So sah es damals in Altenessen nach den Silvesterrandalen aus.
Neujahr 2021: So sah es damals in Altenessen nach den Silvesterrandalen aus. © FUNKE Foto Services | Socrates Tassos

Geradezu wie eine Bankrotterklärung klingt es derweil, wenn städtische Behörden einerseits Silvesterunruhen verurteilen, andererseits aber nicht mehr eigene Ordnungskräfte zur Verfügung stellen wollen oder können. In Herne etwa denkt man nur ungern an das vergangene Silvester zurück, als die Situation auf dem Buschmannshof in Wanne eskalierte. Dort wurden Passantinnen und Passanten mit Feuerwerkskörpern angegriffen. Hernes Ordnungsdezernent hält das für „ungehobelt und völlig inakzeptabel“. Starke Worte, denen dann aber keine Taten folgen. Eine stärkere Präsenz seines Ordnungsdienstes werde es deswegen in Wanne-Mitte und Herne-Mitte nicht geben.

Da schaust Du als braver Bürger in Politiker- und Behördenschränke, in denen Akten jede Menge Tassen verdrängt haben.

Böllerverbotszone in Bochum

Wir werden aus Fehlern einfach nicht klug, nicht klug genug. Das gilt auch für die Diskussion rund um mögliche Böllerverbotszonen. In Bochum war und ist man konsequent. Das, was beim Jahreswechsel 22/23 auf der Brüderstraße im Bermudadreieck passiert ist, soll sich nicht wiederholen. Dort war die Polizei von einer Gruppe, bestehend aus bis zu 300 Menschen, bedrängt und mit Feuerwerkskörpern attackiert worden. Das führt nun dazu, dass die Stadt eine Sperrzone einrichtet, in der man von 20 bis 4 Uhr weder Böller zünden noch Raketen abfeuern darf.

Ganz anders das Bild in Essen. Der Vorstoß der dortigen SPD-Ratsfraktion für Böllerverbotszonen wurde abgebügelt. Der Ordnungsdezernent glaubt, dass Verbotszonen das Problem nur an andere Orte verdrängen würde. Ein merkwürdiges Argument ist das: Verzichten wir künftig auch auf Halteverbote, weil die Fahrzeuge dann ja nur woanders illegal abgestellt würden?

Zwei Drittel der Deutschen für Böllerverbot

Die Essener FDP-Fraktion äußerte sich so: „98 Prozent der Bevölkerung verhält sich gesetzeskonform und feiert friedlich den Jahresbeginn. Wir sind ganz klar dagegen, dass die Allgemeinheit für das Verhalten einiger weniger Chaoten und Randalierer bestraft wird.“ Aber genau das passiert doch, liebe FDP. Friedliche Bürger trauen sich nicht mehr auf die Straße, weil ihnen die Raketen um die Ohren fliegen.

Wann endlich denken wir über die Idee nach, nur zentrale, von Profis organisierte Feuerwerke zuzulassen und zu organisieren? Bei einem kompletten Verbot ließen sich die Auswüchse auch besser unterbinden. Knapp zwei Drittel der Deutschen befürworten eine deutliche Einschränkung oder ein generelles Verbot von Silvesterfeuerwerk. Das geht aus einer repräsentativen Umfrage der Meinungsforschungsagentur pollytix hervor, die dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND) vorliegt.

Mehr Sprengstoff für die Ampel

Blicken wir noch einmal nach Berlin, zur Ampel. Hier wird ein generelles, flächendeckendes Böllerverbot heiß diskutiert, und auch das birgt jede Menge Sprengstoff. Die FDP ist dagegen (Freiheit für die Lauten!) und die Grünen sind dafür (Freiheit für die Ruhigen!).

Ich hoffe, Sie hatten ein ruhiges Weihnachtsfest. In wenigen Tagen wird es wohl oder übel wieder sehr laut werden. Danke, FDP!

Auf bald.

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