Köln. Obwohl ARD und ZDF knapp 8 Milliarden Rundfunkbeitrag kassieren, verlangen sie Geld für ihre Streaming-Dienste. Wie kann das sein?

„Wiedersehen macht Freude“, wirbt die ARD nahezu stündlich auf vielen ihrer Radiowellen. Doch ob mit Heinz Schubert als Ekel Alfred oder den Münsteraner Tatort-Kommissaren – dieses Wiedersehen ist nicht kostenlos. 4,95 nimmt der in Köln ansässige Streaming-Dienst ARD Plus dafür im Monat, das Gegenstück ZDFselect kostet vier Cent mehr. Im Netz ist die Empörung groß. „Ist doch alles schon von uns bezahlt“, heißt es, von „Frechheit“ und „Abzocke“ ist die Rede. Doch so einfach ist die Sache nicht.

Sowohl ARD und ZDF verweisen gerne auf den Medienstaatsvertrag, in dem steht, dass die meisten Inhalte in den kostenlosen Mediatheken immer nur eine gewisse Zeit zur Verfügung gestellt werden dürfen. Ist diese Zeit abgelaufen, fallen sie aus dem Angebot und landen im Streaming-Universum. Bisher lizenzierten ARD und ZDF sie unter anderem an Netflix oder Amazon Prime. 2020 aber wurde die ARD Plus GmbH als Tochtergesellschaft der WDR mediagroup gegründet.

Riesiges Archiv aus Rundfunkgebühren finanziert

„Ein zusätzliches, freiwilliges Angebot“, nennt es Michael Loeb, Geschäftsführer der ARD Plus GmbH, das nicht über den Rundfunkbeitrag finanziert werden dürfe. Als kommerzielle Tochter sei der Streaming-Dienst stattdessen schon zum „Schutz des Wettbewerbs“ verpflichtet, sich „marktkonform zu verhalten“ und „entsprechende Wettbewerbspreise“ aufzurufen. Anders als die Konkurrenz aber kann sich ARD Plus aus einem riesigen Archiv bedienen, das im Laufe der Jahre durch den Rundfunkbeitrag entstanden ist, den die Zuschauer gezahlt haben.

Henning Höne, Vorsitzender der FDP-Landtagsfraktion NRW, hat denn auch kein Verständnis für die öffentlich-rechtlichen Streaming-Dienste. „Doppelt abkassieren geht nicht. Das Konzept von ARD Plus schadet der Akzeptanz des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Extragebühren für Sendungen zu verlangen, die durch den Rundfunkbeitrag bereits bezahlt wurden, ist ein dreistes Vorgehen“, sagt er auf Anfrage. Die ARD erwecke damit den Eindruck, „den Hals nicht voll genug zu bekommen, und schadet sich damit selbst. Es ist keinem Menschen zu erklären, warum für ARD Plus noch Extragebühren von 4,99 Euro anfallen.“

Drehbuchautoren wünschen sich mehr Transparenz

Vor 50 Jahren ein TV-Hit, heute nur gegen Aufpreis im Stream zu sehen: Ekel Alfred
Vor 50 Jahren ein TV-Hit, heute nur gegen Aufpreis im Stream zu sehen: Ekel Alfred © dpa | Horst Ossinger

Was ARD Plus an die ARD, beziehungsweise ZDFselect an das ZDF für einzelne Filme und Serien zahlen, sagen die Sender nicht, wenn man sie danach fragt. Dafür weisen die Kölner darauf hin, dass für den angebotenen Dienst ja auch Kosten entstehen. „Rechte sind zu erwerben, Produzenten und Urheber sind für zusätzliche Nutzungen zu vergüten.“

Ein Satz, den Eva und Volker A. Zahn, die zu den bekanntesten Drehbuchautoren Deutschlands zählen, gerne hören. Zahlreiche „Soko Leipzig“- und „Ein Fall für Zwei“-Folgen haben die Grimme- Preisträger ebenso geschrieben wie mehrere Borowski- und Köln-Tatorte. Viele davon sind über die öffentlich-rechtlichen Streaming-Dienste abrufbar, aber Zahn selbst hat für den neuen Verbreitungsweg „bisher noch keinen Cent“ gesehen. „Kommt vielleicht noch.“ Wer zeigt was, wie oft wird welcher Film gestreamt? Es fehle noch an Transparenz, sagt er. Zahns sind kein Einzelfall, wie sie aus Gesprächen mit Kollegen und Kolleginnen wissen „Bei der digitalen Nutzung muss ganz dringend über eine angemessene Honorierung geredet werden.“

So zurückhaltend ZDF und ARD mit Informationen an die „Werkeschöpfer“ sind, so zurückhaltend reagieren sie auch auf Anfragen. Hatte ARD-Plus-Chef Loeb zum Start der eigenen Streaming-App noch erklärt, „zu gegebener Zeit Wasserstandsmeldungen“ herausgeben, heißt es auf Anfrage mittlerweile: Zum Ergebnis der ARD Plus GmbH sowie zu Abonnentenzahlen nennen wir grundsätzlich keine konkreten Zahlen. ZDFselect ist ähnlich auskunftsfreudig bei Nachfragen: „Die Zahlen unterliegen Vertraulichkeitsvereinbarungen von Seiten unserer Kunden.“

Erhöhung des Rundfunkbeitrags gefordert

Zumindest können die Landesrundfunkanstalten der ARD die Einnahmen aus dem Streaming ihrer Tochterfirma unter dem Punkt „sonstige Erträge“ bei der Ermittlung ihres Finanzbedarfs berücksichtigen. Viel ist da bisher anscheinend nicht zusammen gekommen. Wie erwartet hat die ARD bei der Anmeldung des Bedarfs für die Zeit 2025 bis 2028 eine Erhöhung des Rundfunkbeitrags gefordert. Immerhin nur eine „maßvolle“, wie ARD-Vorsitzende Kai Gniffke betont.