Paris.


Dieser Donnerschlag wird lange nachhallen: Der rechtsextreme Front National (FN) ist aus den EU-Wahlen als stärkste Partei Frankreichs hervorgegangen. Laut Hochrechnungen entfielen auf die europafeindlichen Populisten 25 Prozent der abgegebenen Stimmen. Verheerend abgestraft hingegen wurden nach einem lethargischen Wahlkampf nicht nur die regierenden Sozialisten (14,5 Prozent), sondern in einem geringeren Maße auch die konservative Partei UMP (20,5 Prozent).

Allerdings bedeutet der Triumph der FN-Chefin Marine Le Pen nicht, dass der von ihr geforderte Austritt Frankreichs aus der EU und aus dem Euro in näherer Zukunft mehrheitsfähig werden könnte. Doch unbestreitbar sind Euroskepsis, ja Eurofrust auf dem Vormarsch. Darüber kann selbst die gute Nachricht nicht hinwegtäuschen, dass die seit 35 Jahren scheinbar unaufhaltsam steigende Enthaltungsquote erstmals keine neue Rekordmarke erreichte. Mit 58 Prozent liegt sie sogar zwei Punkte niedriger als vor fünf Jahren.

Europa als Blitzableiter

Festzuhalten bleibt dennoch, dass sich weit mehr als die Hälfte der Franzosen diesem Urnengang verweigerten. Und die Minderheit, die den Weg in die Wahllokale fand, hat ihr Votum zu einem Fanal des Protests gemacht. Wobei der Volkszorn keineswegs nur Brüssel gilt. Für ihre schlechte Wirtschaftslage, für steigende Arbeitslosigkeit und Kaufkraftverlust haben unsere Nachbarn mit den Sozialisten und der UMP auch jene nationalen Verantwortungsträger sanktioniert, die das Land seit sechs Jahren nicht aus der Krise zu steuern vermochten.

Fraglos hat Europa gestern in Frankreich als Blitzableiter herhalten müssen. Aber gerade, weil sie sich als Globalisierungsverlierer empfinden, sehen die meisten Franzosen keine wirkliche Alternative zum Bund mit den europäischen Partnern. Eine Herzensangelegenheit freilich ist die EU nicht für sie, schon weil die Pariser Eliten den stolzen Bürgern die Union ursprünglich als ein „Frankreich in groß“ verkauft haben. Derzeit jedoch herrscht der Eindruck vor, stattdessen ein „Deutschland in groß“ bekommen zu haben, während das eigene Prestige ebenso nachlässt wie Einfluss und Wirtschaftskraft.