Essen. Einer Krankenschwester, die aufgrund einer falschen ärztlichen Verordnung eine zu hohe Arzneidosis gibt, darf gekündigt werden.
Einer Krankenschwester, die aufgrund einer falschen ärztlichen Verordnung einem Patienten eine stark überhöhte Dosis eines Schmerzmittels gegeben hatte, ist vom Essener Uni-Klinikum zu Recht gekündigt worden. So entschied das Arbeitsgericht Essen am Dienstag.
Mit dieser Entscheidung wies die 2. Kammer die Klage der 36 Jahre alten Pflegerin zurück, die sich gegen die fristlose Kündigung zu wehren versucht hatte. Ihr Anwalt Christian Nohr zeigte sich auf Anfrage dieser Zeitung "sehr überrascht" von diesem Urteil und kündigte umgehende Berufung zum Landesarbeitsgericht Düsseldorf an. Er glaubt, dass seine Mandantin fälschlich zum Sündenbock für die Fehler dreier Ärztinnen gemacht werde.
Ärztin verordnet zu hohe Dosis
Mitte Juni hatte der Patient erstmals im Klinikum gelegen. Eine Assistenzärztin hatte in der elektronischen Patientenakte eingetragen, er solle dreimal täglich 40 ml des Schmerzmittels Levomethadon Aristo erhalten. Gemeint hatte sie 40 Tropfen, erklärte Anwältin Friederike Winters, die das Klinikum vertrat, am Dienstag. Die Verwechslung hätte den Mann in Lebensgefahr gebracht, hatte das Klinikum schon früher eingeräumt.
Beim ersten Klinikaufenthalt bekam er das Mittel nicht. Als er im Juli erneut eingeliefert wurde, war die lebensgefährliche Dosis in der elektronischen Patientenakte immer noch nicht korrigiert worden. Deshalb bekam er sie erneut von einer anderen Ärztin verordnet. Erst eine Krankenpflegerin in der Nachtschicht bemerkte den Fehler und machte eine weitere Ärztin darauf aufmerksam. Diese gab mündlich die Anordnung, das Schmerzmittel auf keinen Fall zu geben.
Patient kollabierte
Am nächsten Morgen gab die Pflegerin des Tagesdienstes ihm aber die überhöhte Dosis. Er kollabierte, wurde durch ein Gegenmittel aber gerettet.
Der Krankenpflegerin des Tagesdienstes kündigte die Klinik. Sie warf ihr vor, wider besseren Wissens die überhöhte Dosis verabreicht zu haben. Sie bestritt. Eine solche Warnung habe sie nie erreicht.
Gericht urteilt ohne Zeugenvernehmung
Das Urteil im Sinne des Klinikums überraschte am Dienstag tatsächlich, weil die 2. Kammer unter Vorsitz von Richter Tim Kusch keine Zeuginnen gehört hatte. Im August hatte es einen Gütetermin gegeben. Am Dienstag hatte er im zweiten Termin lediglich gesagt, für das Gericht sei entscheidend, ob die Pflegerin "bewusst" die falsche Dosis verabreicht habe. Aus welchen Gründen die Kammer dies ohne Zeuginnen bejahte und so zu ihrem Urteil kam, wird erst die schriftliche Begründung in ein paar Wochen ergeben.
Nach einem gescheiterten Einigungsgespräch der Parteien in der letzten Woche hat das Uni-Klinikum mittlerweile Strafanzeige gegen die Krankenschwester gestellt, wie am Dienstag vor Gericht bekannt wurde. Im Gegenzug kündigte Anwalt Nohr eine Anzeige gegen die drei Ärztinnen wegen der falschen Verordnung an.