Witten. Seit überall die Preise steigen, ist Gebrauchtes noch gefragter als zuvor. Auch Werkzeug, Badewannen oder Markisen, zeigt ein Besuch in Witten.
Kurz blickt die Frau in die Tüte mit Schrauben, dann fragt sie ihren Mann: „Sind das die Richtigen?“ Der Gatte prüft und nickt. 50 Cent nur, „das ist echt günstig“. Und günstig ist kein Einzelfall im CapBaumarkt in Witten. Denn er ist nach eigenen Angaben der erste „Second-Hand-Baumarkt“ in NRW. Das Interesse der Kundschaft wächst. „Seitdem überall die Preise steigen“, bestätigt Prokurist Jürgen Scherding, „haben wir deutlich mehr Kunden. Manchen davon aber geht es nicht nur darum, Schnäppchen zu machen.
Auf den ersten Blick sieht es im hinteren Teil des rund 750 Quadratmeter großen Ladenlokals nicht anders aus, als in anderen Baumärkten. Die Wand hängt voll mit Kleinmaterial. Schrauben und Dübel, weiter hinten Steckdosen oder Scharniere und Malerzubehör. „Gespendet von Privatleuten, entdeckt bei Haushaltsauflösungen, angekauft als B-Ware“, dröselt Scherding auf, woher die Sachen kommen. Von fast neuwertig über gebraucht bis antik ist die Ware. Das lockt Menschen mit kleinem Geldbeutel ebenso wie Restauratoren auf der Suche nach seltenen Ersatzteilen.
An der einen oder anderen Unterputzdose pappen noch Farbreste, an mancher Zange ist der Lack abgesplittert. Doch das stört die Kundschaft nicht. „Das macht die Sachen ja nicht schlechter“, sagt Martina König, die demnächst ihr Schlafzimmer renovieren will. Es macht sie allerdings billiger. „Das lohnt sich schon“, findet die 48-Jährige und schätzt, dass sie „locker 20 bis 30 Euro beim Kleinmaterial gespart“ hat.
Es kann schnell auch mehr werden. Denn es gibt auch Badewanne oder Duschtasse, elektrische Heckenschere, Stichsäge oder Bohrmaschine, Fußleisten oder gleich eine Haustür. Und Markisen, ganz viele Markisen. Rückläufer aus Baumärkten oder dem Internet. Oft ist nur die Verpackung beschädigt, der Inhalt unversehrt. Zur Sicherheit haben sie im CapBaumarkt eine „Markisentestmaschine“ gebaut. Hinten im Laden hängt ein Gerät, in das der Sonnenschutz mit ein paar Handgriffen eingehängt und auf Funktionstüchtigkeit geprüft werden kann. Ist sie gegeben, gibt es 50 Prozent auf den regulären Preis – manchmal auch mehr“, sagt Scherding.
„Wir verschweigen nichts“
Ob Markise, Garagentor oder Gartenhäuschen. Hier gibt es vielleicht mal mit einem kleinen Kratzer, dort mal eine Beule, „aber das meiste“, sagt Scherding, „sieht man gar nicht.“ Deshalb schreiben die Mitarbeiter jeden Mangel auf Zettel, die sie an die Ware hängen. „Wir verschweigen nichts.“
Im Gegenteil. In der hauseigenen Werkstatt wird gebrauchte Ware begutachtet und wieder aufgearbeitet. Was mit Strom betrieben wird, wird besonders genau unter die Lupe genommen. „Von Leuten, die sich auskennen“, sagt der Prokurist. Kabel defekt? Motor am Ende? Kann man das reparieren? Wenn nicht, landet das Teil im Elektroschrott. Wenn ja, kommt es ins Regal. „Auf alles, was in den Verkauf kommt, gibt es Gewährleistung“, betont Marktleiter Jörg Stiering.
Joana Sarazzin hat sie noch nie in Anspruch nehmen müssen. Obwohl sie Stammkundin ist. „Ich komme schon seit Jahren“, sagt die 77-Jährige. Dass manches Werkzeug nicht viel jünger ist, als sie selbst, ist ihr egal, denn: „Das ist noch Qualität, das findet man heute nicht mehr.“
„Einfach nachbestellen, geht meist nicht“
Was sie dieses Mal sucht? Die 77-Jährige zuckt mit den Schultern. Komme man mit zu genauen Vorstellungen in den CapBaumarkt werde es schwierig. Es gibt nicht alles und was es gibt, gibt es nicht in allen Farben oder Größen. „Es ist ja immer nur das vorrätig, was wir günstig bekommen haben“, bestätigt Scherding. Und was weg ist, ist weg. „Einfach nachbestellen geht meist nicht.“ Sarazzin nickt. „Ich finde aber fast immer was. Ich lasse mich überraschen.“
Das kann das junge Paar, das gerade sein Auto vor dem Markt geparkt hat, nicht machen. Ihr Bad wollen sie renovieren. „Wir wissen genau, was wir brauchen“, sagt der Mann und hofft, dass er einiges von seiner Liste bei Cap findet. „Natürlich“, sagt seine Frau, „geht es ums Geld. Aber es geht uns auch darum, Dinge wieder zu verwerten.“ Das Ehepaar aus Bochum ist kein Einzelfall. „Nachhaltigkeit“, weiß Scherding aus Gesprächen mit der Kundschaft, „wird für immer mehr Menschen ein echtes Thema.“
„Günstig, nachhaltig und sozial“
Aber auch der gemeinnützige Baumarkt selbst profitiert von den gestiegenen Besucherzahlen. Neben vier Festangestellten gibt es rund 20 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, die vom Jobcenter bezahlt oder gefördert werden. „Bei uns finden auch Menschen eine Beschäftigung, die keine Chancen auf dem ersten Arbeitsmarkt haben“, sagt der Prokurist, fasst noch einmal zusammen. „Günstig, nachhaltig und sozial. Im Grunde, schlagen wir hier drei Fliegen mit einer Klappe.“