Essen/Borkum.. Mit Windgeschwindigkeiten um die 140 km/h nähert sich das Orkantief Xaver dem Norden Deutschlands. Zuerst wird die Sturmflut auf die Nordsee-Inseln treffen. Die Menschen dort sind allerdings noch relativ gelassen. Abwarten und Tee trinken.

Niemand weiß so ganz genau, was da heute auf die Bewohner der deutschen Nordseeküste zukommt. Stürmisch wird es allemal, da sind sich die Meteorologen einig. Mit Tempo 140 könnte der Orkan „Xaver“ heute über die Inseln fegen, Dächer abdecken, Bäume knicken, wie es sein Vorgänger „Christian“ am 28. Oktober tat. Sturmerprobt sind sie, die Menschen an der Küste. Und vom Temperament her neigen die Nordlichter ja auch eher zur Gelassenheit.

Beispiel Borkum, die Insel, die im Mündungbereich der Ems liegt, dort, wo die Sturmflut am heftigsten erwartet wird. Der Sprecher der Feuerwehr dort kann mit der Telefonanfrage nach den Vorbereitungen nicht viel anfangen. „Wie immer. Sandsäcke sind da, alles klar. 60 Mann der Freiwilligen Feuerwehr wissen Bescheid. Das ist es.“

Wie ein Körperpeeling...

Immerhin: Der Fährverkehr wird wie der auf andere Inseln und die Halligen eingestellt, die Kinder der Inselschule bekommen „sturmfrei“ wie auch viele Schüler in der Küstenregion. Franziska Lemke, die im Hotel „Vier Jahreszeiten“ arbeitet, fühlt sich und ihr Haus gewappnet: „Alles ist festgezurrt, wir werden natürlich darauf achten, das alle Fenster und Türen gut verschlossen sind. Wichtig ist halt, dass man im Haus ist und nicht draußen. Beim letzten Sturm war ich auf dem Weg zur Arbeit, wenn dann der Sturm den Sand über die Insel fegt ist das wie ein Körperpeeling. Das geht sogar durch die Kleidung durch. Aber sonst...“

Salvatore de Martino stammt zwar aus Italien, führt das Restaurant „Meeresblick“ und ist, was die Gelassenheit angeht, voll integriert. „Beim letzten Sturm ist nichts passiert, ich werde also auch meine großen Fenster nicht verschalen und vernageln. Heute war Ruhetag, also werden wir ganz normal öffnen, es wäre nur blöd, wenn der ‘Klasohm’ ausfallen würde, der spezielle Feiertag auf der Insel.“

Weihnachtsmärkte geschlossen

Diese Entscheidung ist noch nicht gefallen. Der „Klasohm“ wird auf Borkum seit anno dunnemals stets vom 5. auf dem 6. Dezember gefeiert, zur Erinnerung an die winterliche Rückkehr der Walfänger, die dann, in ein Fell gehüllt, durch die Straßen tanzen und jungen Mädchen mit einem Kuhhorn auf den Hintern hauen. Raue Sitten, raues Wetter.

Auch in anderen Teilen des Nordens laufen die Vorbereitungen. Vor allem auf Weihnachtsmärkten droht Gefahr. Viele werden ganz geschlossen, andere sichern die Buden gegen Sturm. Auf den Baustellen der Off-Shore-Windparks in der deutschen Nordsee ist die Arbeit weitgehend eingestellt. Die Wettervorhersagen gehen von Wellenhöhen bis zu 17 Metern aus.

Konstellation von Mond, Erde und Sonne

Was Xaver so unberechenbar macht, ist die derzeitige Konstellation von Erde, Mond und Sonne. Denn die Gezeitenkräfte werden durch die Anziehungskraft des Mondes mitbestimmt. Und die Sonne verstärkt die Wirkung. Deshalb fällt die Flut besonders stark aus, wenn Sonne und Mond mit der Erde auf einer Achse stehen, also bei Vollmond, oder wie gerade, bei Neumond.

Die Häfen im Norden sind gerüstet. „Auch die letzten Fischer sind jetzt drin, das Seegebiet vor Norderney ist quasi leer“, sagt Vormann Holger Freimuth vom Seenotkreuzer „Bernhard Gruben“ auf Norderney. Sein Schiff ist dennoch jederzeit klar zum Auslaufen. „Wir sind alle an Bord und können in wenigen Minuten ablegen.“ Abwarten und Tee trinken...