Duisburg.. Hitzige Wortgefechte, markige Worte sind im Oberbürgermeister-Wahlkampf in Duisburg Fehlanzeige. Nach der Abwahl von OB Adolf Sauerland, in Folge der Loveparade-Katastrophe, bestimmen die Duisburger an diesem Sonntag einen neuen Oberbürgermeister. Was sind die aussichtsreichsten Bewerber?

Die Duisburger wählen am Sonntag einen neuen Oberbürgermeister. Vor vier Monaten hatten sie Ex-OB Adolf Sauerland per Bürgerentscheid aus dem Amt gejagt. „Neuanfang für Duisburg“ hieß das Versprechen, für das sie mit einer überraschend deutlichen Mehrheit zur Urne gegangen waren. Zwar ist Duisburg von der unerträglichen Last seines uneinsichtigen Stadtoberhauptes befreit. Von einem Neuanfang kann aber längst noch keine Rede sein. Duisburg hat den lethargischen Trott noch nicht abgeschüttelt. Jetzt soll die Person gefunden werden, die der Stadt trotz hoher Arbeitslosigkeit, trotz Milliarden-Schulden und trotz schrumpfender Einwohnerzahl wieder Zuversicht verleiht und den Weg nach vorn weist.

Zumindest die Zahl der OB-Kandidaten ist enorm. Man verliert schnell den Überblick, man kann sie ja nicht einmal an beiden Händen abzählen. Der Favorit unter den 13 Bewerbern? Natürlich, der SPD-Kandidat. Wer sonst sollte bessere Chancen haben in einer Stadt, die seit Jahrzehnten Hochburg der Sozialdemokratie ist, in der die SPD bei der Landtagswahl vor wenigen Wochen 52 Prozent holte und alle vier Direktmandate mit absoluten Mehrheiten durchbrachte? Über Jahre grassierte der flapsige Spruch vom Besenstil, den die SPD aufstellen könne und der trotzdem jede Wahl gewinnen würde. Diesmal schicken die Genossen Sören Link ins Rennen, einen ihrer Hoffnungsträger, der erst 35 Jahre alt ist, aber schon mit 28 in den Landtag einzogen war.

Wie tief sitzt der Frust der Duisburger?

Die große Unbekannte ist aber für ihn: Wie tief sitzt bei den Duisburgern noch die Enttäuschung und der Frust, dass sich ein breites Parteien-Bündnis anders als angekündigt nicht auf einen gemeinsamen, überparteilichen Kandidaten einigen konnte? Allein die Suche hatte die Hoffnung auf eine Lichtgestalt geschürt, einer charismatischen Führungskraft abseits des Parteienapparats, die Gräben zuschüttet, verkrustete Strukturen zerschlägt und im Rathaus aufräumt. Als sich diese Führungsfigur nicht fand, blieb es bei Kandidaten aus den vorderen Parteireihen – als wäre nichts gewesen.

Auch Sören Link ist einer dieser „Parteisoldaten“. Warum sollte er, der mit seinen jungen Jahren kaum Erfahrung hat, etwas an den Strukturen ändern, wie es sie seit 50 Jahren SPD-Allmacht gibt, fragen seine Kritiker. Als im April ein neuer Baudezernent gewählt wurde und die Linke das Vorschlagsrecht hatte, gewann wieder ein Bewerber mit SPD-Parteibuch. Bald stehen weitere Dezernenten zur Disposition. Sören Link kennt die Vorwürfe. „Mit mir wird es auch weiterhin einen CDU-Dezernenten geben“, sagt er. „Am Ende darf es nicht heissen: Da sitzen nur die Sozis.“

Unabhängige Bewerberstrampeln sich ab

Ohnehin macht jeder der Partei-Kandidaten auf Harmonie. Der Wahlkampf läuft eher im Weichspülgang. Gefühlt gibt es pro Woche drei Podiumsdiskussionen, aber selbst die laufen ohne großen Zank ab. Hitzige Wortgefechte, markige Sprüche: Fehlanzeige. Die größte Welle dabei machen eher noch diejenigen, die nicht mit am Tisch sitzen dürfen: die Einzelbewerber. Dass bei allen öffentlichen Diskussionsrunden nur die Kandidaten der Parteien und der gespaltenen Bürgerinitiative eingeladen sind, dagegen versuchen sich sechs Einzelbewerber sogar mit einer Resolution zu wehren – allerdings erfolglos.

So strampeln sich die unabhängigen Kandidaten mit dem direkten Kontakt zum Bürger ab, für Harald Lenders gilt das sogar im wahrsten Sinne des Wortes: Der pensionierte Bundeswehr-Hauptmann fährt die Einkaufsstraße mit dem Fahrrad hoch und runter, immer mit seinem Wahlkampf-T-Shirt und einer Duisburg-Fahne am Gepäckträger. Und nahezu täglich tingelt der 55-Jährige durch die Stadtteile. Für ihn wie für seine Mitstreiter ist die einzige Chance auf Wahlwerbung das persönliche Gespräch. „Dafür will ich mir auch Zeit nehmen, wenn ich OB bin“, sagt Lenders.

Michael Rubinstein ist chancenreichster Einzelbewerber

Als aussichtsreichster Kandidat unter den Einzelbewerbern gilt Michael Rubinstein. Noch während die Parteien auf der Suche nach dem Konsenskandidaten waren, hatte sich der 40-Jährige für eine Kandidatur in Stellung gebracht. Er gehört als Geschäftsführer der Jüdischen Gemeinde zu den Multiplikatoren in der Stadt, tritt stets smart auf und lächelt so breit von seinen Plakate, als ließen sich die gewaltigen Probleme in Duisburg schon mit guter Laune verkleinern. Rubinstein legt Wert auf seine Parteilosigkeit, wird aber von der FDP, Piraten und einem Teil der gespaltenen Abwahl-Bürgerinitiative unterstützt.

Der andere Teil der Initiative, aus der sich inzwischen eine Wählergemeinschaft gebildet hat, stellt ebenfalls einen eigenen Kandidaten auf. Und vielleicht liegt genau darin das Problem für manche Wähler, ihren Wunsch nach der Alternative zu den Parteikandidaten einfach mit einem Kreuz erfüllt zu sehen: Gleich sieben Bewerber schreiben sich ganz oben auf die Fahne, eben kein Parteisoldat zu sein und damit einen Neuanfang zu ermöglichen.

Termin für Stichwahl wäre der 1. Juli

Die Chancen, dass die CDU nach der Sauerland-Abwahl erneut den Bürgermeister stellt, dürften eher gering sein. Ins Rennen geht Benno Lensdorf, der erste stellvertretende Bürgermeister. Ein netter und allseits akzeptierter Kerl, der im Rathaus die Hände schüttelt und die Urkunden verteilt, seit Sauerland als OB abgewählt ist.

Doch Lensdorf und die CDU rücken von dem Kurs, der letztlich auch die Abwahl besiegelte, nicht ab. „Sollte ich OB werden, dann kannst Du, lieber Adolf Sauerland, Dein Erbe in guten Händen wissen“, sagte Lensdorf bei seiner Nominierung. Zudem wird wie bei Sören Link (zu jung?) übers Alter diskutiert: Kann jemand mit 69 Jahren für den Neuanfang stehen?

Die Wahl haben am Sonntag die Duisburger, bevor sich nach der Auszählung die Augen auf das EM-Spiel Deutschland gegen Dänemark richten. Zumindest die Kandidaten haben ihre Ziele klar formuliert: „Ich will so nah an Sören Link herankommen wie möglich“, sagte der parteilose Michael Rubinstein. Und wie viel meint SPD-Kandidat Link zu holen? „40 plus x“, sagt er, obwohl er sich gar nicht festlegen will. Womöglich läuft es also auf eine Verlängerung hinaus, wenn am Sonntag keiner der Bewerber auf mehr als die absolute Mehrheit von 50 Prozent der Stimmen kommt. Die Stichwahl wäre dann am 1. Juli, am Tag des Endspiels bei der Fußball-EM. In Duisburg wäre es die finale Entscheidung über den Neuanfang.