Essen. Fast sechs Jahre liegt der sexuelle Missbrauch an der Stiefschwester zurück. Erst jetzt muss sich ein 26-Jähriger dafür verantworten.
Es sind die Sünden der Vergangenheit, die einen 26 Jahre alten Essener eingeholt haben. Dass er sich wegen sexuellen Missbrauchs seiner kleinen "Stiefschwester" vor dem Landgericht Essen verantworten muss, hat er seiner eigenen Prahlerei mit Sexualdelikten zu verdanken. Vor der XXIV. Jugendstrafkammer kam er mit einer Verwarnung davon.
Fast acht Jahre liegt die erste der beiden angeklagten Taten zurück. Der Angeklagte war 2014 19 Jahre alt und Teil einer Patchwork-Familie. Sein Vater hatte nach der Scheidung eine Frau kennengelernt, die selbst Kinder hatte. Sie besuchte den Freund an den Wochenenden, und ihre damals sechs Jahre alte Tochter guckte dann mit dem 19-Jährigen in dessen Zimer Fernsehen.
Dem Kind mit Ärger gedroht
Laut Anklage an zwei Tagen 2014 und 2016 soll der Angeklagte dabei seine Hose geöffnet und die "Stiefschwester" aufgefordert haben, ihn dort zu berühren. Danach sagte er dem Kind, es solle darüber schweigen, sonst bekomme es Ärger. Es gab wohl noch weitere vergleichbare Fälle, konkret anklagen ließen sich aber nur diese beiden.
Das alles wäre vielleicht nie vor Gericht gekommen, wenn nicht der Angeklagte selbst damit geprahlt hätte. Er befand sich damals in einer schwierigen Phase und hat wohl erst in den letzten Jahren mit einem festen Job und einer Partnerschaft seinen Weg gefunden. 2017 hielt er sich zur Behandlung seiner Depressionen in einer psychiatrischen Klinik auf.
Psychiatrie-Patienten von Sexualdelikten erzählt
Dort gab er an, präsentierte sich vor drei anderen Patienten, darunter zwei Frauen, als Pädophiler, der auch vor Gewalt nicht zurückschrecke. Er berichtete von den Handlungen mit der Sechsjährigen, aber auch von Kinderpornos und von einem Mädchen, das er von der Straße in ein Gebüsch gezerrt und missbraucht habe.
Die psychisch selbst angeschlagenen Mitpatienten litten unter dem Konflikt, ihn bei der Polizei anzuzeigen. Aber größer war ihre Sorge, dass durch ihr Schweigen weitere Kinder leiden müssten. So gingen sie zur Polizei und erzählten, was sie wussten.
Polizei fand keinen Beweis für weitere Taten
Die Polizei ermittelte mit diesem Verdacht im großen Stil, durchsuchte seine Wohnung, fand nichts. Intensiv wertete sie seinen Computer und sein Handy aus - wieder nichts. Erst drei Jahre nach der Anzeige fertigte Staatsanwältin Maria Linten die Anklage, die lediglich zwei Fälle enthielt. Dann dauerte es noch einmal ein Jahr, bis es zur Verhandlung kam.
Beide Taten gestand er. Verteidiger Volker Schröder machte schon zu Beginn auf die Besonderheit des Jugendstrafrechts aufmerksam, das vor allem dem Erziehungsgedanken diene. Er wolle die Taten selbst nicht bagatellisieren, sagte der Anwalt, aber diese Handlungen lägen wohl eher am unteren Rand denkbarer Sexualdelikte. Außerdem habe der Mandant sich gefangen, es sei seitdem nichts mehr vorgefallen, Erziehungsmaßnahmen seien nicht mehr nötig.
Gericht spricht Verwarnung aus
Richter Sebastian Jordan, Vorsitzender der Kammer, bestätigte, dass das Gericht diesen speziellen Fall ähnlich beurteile. Lediglich Staatsanwältin Linten sperrte sich. Sie beantragte zum Schluss ein Jahr und vier Monate Jugendstrafe, allerdings ausgesetzt zur Bewährung.
Das Gericht beließ es dann bei einer im Jugendstrafrecht möglichen Verwarnung, die auch Verteidiger Schröder beantragt hatte. Richter Jordan wies darauf hin, dass der Angeklagte seit dem Tatzeitraum eine positive Entwicklung gemacht habe.
Dem Kind Aussage vor Gericht erspart
Das Gericht lobte, dass er seinem Opfer durch das Geständnis die Aussage erspart habe. Allerdings erinnerte er den Angeklagten, dass die Jugendliche immer noch in therapeutischer Behandlung sei.
Spüren soll der 26-Jährige dennoch Konsequenzen. Er muss 1000 Euro Geldbuße an den Kinderschutzbund zahlen und an Gesprächsrunden in einer Bildungseinrichtung teilnehmen, um seine früheren Taten aufzuarbeiten.