Duisburg. Aufregung in einer Neubausiedlung in Duisburg-Rheinhausen. Kurz nachdem Familie Ö. ihr neues Haus bezogen hatte, wurde bekannt: Unter dem Gebäude könnte noch eine alte Weltkriegsbombe liegen. Am Montag rückten Bagger und Bohrer an, um die Situation zu klären. Doch noch gibt es keine Gewissheit.

Es ist ein stattliches Haus, das neue Heim von Familie Ö. in der Mitte von Rheinhausen, massiv, ohne Schnörkel, Typ Burg. Nur bietet es deshalb noch keine Sicherheit. Denn kurz nach ihrem Einzug erfuhren die Eigentümer von einem bösen Verdacht: Sie haben auf einer Bombe gebaut.

Erst rannte Frau Ö. entsetzt aus dem Haus, dann ging die ganze Familie: „Wir müssen ständig an diese Bombe denken“, sagt der Vater. Wie soll man denn wohnen mit dem Ding unter den Füßen, mit der Drohung einer Explosion, der Angst vor jeder Erschütterung? Und Erschütterungen gibt es viele in der nagelneuen Siedlung an der Clara-Schumann-Straße, die noch kein Stadtplan kennt: Neun große Doppelhäuser haben sie aus ehemaligem Krupp-Boden gestampft, zwischen Alevitischer Moschee und türkischem Kulturzentrum, so frisch, dass aufgebockte Garagen noch nicht nutzbar, Namensschilder an den Türen handgemalt, Fenster folienbeklebt und Gärten keine sind.

Zu spät fiel der Bomben-Verdacht auf

Und sie bauen ja weiter. So kam es, dass jemand überhaupt bemerkte, was da vergessen worden war oder, hübscher gesagt, versäumt: nach Bomben im Boden zu suchen. Bauherren müssen das in Nordrhein-Westfalen, sie haben Anträge auf Auswertung alter Luftbilder zu stellen. 300 taten es im vergangenen Jahr in Duisburg, wo in schwerindustrieller Geschichte viele Bomben fielen und noch zahlreiche Blindgänger liegen. Die Verantwortlichen der Siedlung Clara-Schumann-Straße nicht. Erst bei den offenbar regeltreueren Vorarbeiten für den zweiten Bauabschnitt fiel nun auf: „Wir haben einen Einschlagpunkt“, sagt Gudela von Gronefeld, bei der Bezirksregierung Düsseldorf zuständig für die Kampfmittelräumung. Heißt: Bombenverdacht.

Nicht dort, wo sich derzeit noch der Lehm häuft, wo im Brachland zerbrochene Rohre, ein umgekipptes Speisfass liegen und ein Betonmischer auf die nächsten Bauarbeiter wartet, nein – unter dem fertigen Keller der Ö.s. Und deshalb steht jetzt dieser Bagger in dem, was einmal ihr Garten werden sollte. Zehn Löcher à zwölf Zentimeter treibt die Schraube durch pinkfarbene Markierungen in sieben Meter Tiefe, Sonden werden hinabgelassen, sie messen Eisen in der Erde. Peter Giesecke bohrt nach Beweisen, dass das Luftbild Recht hat, dass der Boden hier wirklich noch Sprengstoff birgt. Giesecke ist der Feuerwerker, der erst kürzlich Duisburgs gefährlichste Bombe kontrolliert gesprengt hat.

Im Wohnzimmer stehen neue Möbel

Familie Ö. kann es nicht mit ansehen. Zwei Frauen halten zwar die Stellung, reden wollen sie nicht, „sie sehen sich nicht imstande“, sagt Stadtsprecher Peter Hilbrands. Die Rollläden sind heruntergelassen, durch ein Fenster aber ist zu sehen: Im Wohnzimmer stehen Möbel. Neu, offensichtlich.

Heute wird man dem Kampfmittelräumdienst die Tür öffnen müssen, er wird vom Keller aus weiterbohren, durch die neue Bodenplatte. Und dann? Eine Woche könne es dauern, sagt Frau von Gronefeld, bis man Bescheid wisse. Im Falle des Falles „kann man von unten graben, das Haus abstützen und entschärfen“. Aber vielleicht ist ja doch keine Bombe da.

Wer zahlt die Bohrschäden?

„Wir müssen Gewissheit haben“, hat ein Anwohner gesagt, „sonst können wir hier nicht wohnen.“ Und das sehen auch die Behörden so. „Man wird so lange suchen müssen, bis der Verdacht vollständig ausgeräumt werden kann“, sagt Stadtsprecher Hilbrands. Immerhin, unter 50 Duisburger „Verdachtspunkten“ im vergangenen Jahr fanden sich weniger als zehn scharfe Sprengkörper.

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Wer aber zahlt die Bohr-Schäden an Clara-Schumann-Straße Nr. 9 und 11? Oder Schlimmeres? „Eine Grauzone“, glaubt Hilbrands. Denn so einen Fall hatten sie in Duisburg noch nicht: dass eine mutmaßliche Bombe erst angezeigt wird, wenn die Häuser schon auf ihr stehen.

„Böse Absicht“ war das nicht

„Böse Absicht“ aber sei das keinesfalls gewesen, sagt am Rande der „ungewöhnlichen Veranstaltung“ (Hilbrands) etwas hilflos der Bauunternehmer Seyhan Tekin. Man könnte ihn für einen der Anlieger halten, wie er so dasteht und schaut, aber „ich habe die Häuser gebaut“. Er hatte nicht reden wollen, aber das müsse gesagt werden: „Der Bauträger ist selbstverständlich davon ausgegangen, dass der nötige Antrag gestellt worden ist.“ Tekin will „keinen Schuldigen suchen“, aber dann spricht er doch vom Architekten, und außerdem, das Ganze hätte man doch besser ohne Öffentlichkeit erledigt. Sehen Sie: „Die Dinge laufen ganz normal.“

Familie Ö., so ist zu hören, ist kurz nach ihrem Einzug wieder aus- und zu Verwandten gezogen.