An Rhein und Ruhr. Vorbild Niederlande: Würde automatische Kfz-Kennzeichen-Erkennung bei Fahndung helfen? Rechtliche Möglichkeiten fehlen.
Um 3.40 Uhr in der Frühe hat es gerummst - und wie. „Das war eine extreme Explosion“, sagte eine Sprecherin der Kreispolizei. Fensterrahmen bogen sich, Scheiben barsten, Trümmerteile flogen durch die Luft. Unbekannte haben in der Nacht zu diesem Donnerstag (24. Juni 2021) den Geldautomaten der Volksbank im kleinen Gelderner Ortsteil Lüllingen gesprengt.
Als die herbeigerufenen Beamten am Tatort erscheinen, liegen Geldscheine zwischen den Trümmern. Ob die Täter selbst noch Gelegenheit hatten, Beute zusammen zu raffen, war bis zum Nachmittag nicht klar. Zeugen berichten, dass kurz nach dem Knall zwei Männer auf einem Motorroller in Richtung niederländische Grenze gebraust sind. Das Nachbarland ist dort keine zehn Kilometer entfernt.
In 65% der Fälle kommt Sprengstoff zum Einsatz
Die Geldautomatensprengung in Geldern ist die 41. in Nordrhein-Westfalen im laufenden Jahr (inkl. 28 Versuche), in den Nächten zuvor hatte es in Sprockhövel und Grevenbroich gerummst. Im vergangenen Jahr hatte es noch deutlich mehr gegeben: Bis zur Jahresmitte 2020 hatte es landesweit 106 Fälle gegeben, bis Jahresende stieg die Zahl auf den Rekordwert von 176 (inkl. 116 Versuche).
Das Gros der Taten ordnen Ermittler aus den Niederlanden einreisenden Kriminellen zu. In 65% der Fälle setzen die Täter mittlerweile Sprengstoff ein; in Vergangenheit waren Automaten vor allem durch die Einleitung von Gas zur Explosion gebracht worden.
Zahl der Geldautomaten in NRW muss weiter sinken
Den aktuell niedrigen Fallzahlen hält man im Landeskriminalamt nur für eine „Momentaufnahme“, wie der Leitende Kriminaldirektor Thomas Jungbluth an diesem Donnerstag im Innenausschuss des NRW-Landtags deutlich machte. Ursächllich seien die Corona-Restriktionen, erste Erfolge von Präventionsmaßnahmen und das Zerschlagen ganzer Tätergruppen, insbesondere im 4. Quartal 2020.
Auf Dauer senken lassen sich die Fallzahlen nach Einschätzung der LKA-Experten nur, wenn die Zahl der zuletzt rund 10.000 Geldautomaten in NRW weiter reduziert wird - wie in den Niederlanden geschehen. Die verbleibenden Geräte müssen besser gesichert werden (etwa durch Vernebelungstechnik).
Harzkleber als Alternative zu Farbpatronen
Schon jetzt werden in immer mehr Automaten Geldscheine durch Farbpatronen als Beute unbrauchbar gemacht. Eine Alternative ist ein harzähnlicher Kleber, der in den Niederlanden eingesetzt wird. Für Montag (28. Juni 2021) hat das LKA ein weiteres Gespräch mit Banken und Sparkassen angesetzt. Geplant ist ferner ein „Präventionslagebild für Geldautomaten in NRW“ mit dem sich gefährdete Standorte rasch identifizieren lassen.
Die Polizei in NRW selbst hat ihre Fahndungskonzepte angepasst - mit ersten Erfolgen, wie jüngste Festnahmen zeigen. Beim LKA glaubt man, dass Ringfahndungen noch erfolgreicher sein könnten, wenn dazu Geräte zur automatischen Nummernschildkontrolle eingesetzt werden. Im Nachbarland Niederlande gibt es sie, auf deutscher Seite fehlt die rechtliche Grundlage. Das Landeskriminalamt regt an, das zu prüfen.