Essen. Die EU will per Richtlinie krebserregendes Acrylamid in Lebensmitteln verringern. Das betrifft auch die Pommes - und das sorgt für Unruhe.
In der vergangenen Woche hat die EU beschlossen, dass ab 2019 der Gehalt von Acrylamid in Lebensmitteln soweit wie möglich reduziert werden soll. Wir wollten von Profis, die jeden Tag mit der Pommes-Zubereitung zu tun haben, wissen, wie sie die neuen Richtlinien sehen. Die befragten Imbissbuden-Betreibern reagieren mit - Unverständnis. Denn durch die neue Verordnung könnten beispielsweise Pommes ihren knusprigen Geschmack verlieren. Und das wollen weder die Gastronomen, noch die Kunden.
"Das ist Schwachsinn und Regulierungswut"
Beim Erhitzen von stärkehaltigen Lebensmitteln, wie zum Beispiel dem Frittieren von Kartoffeln oder dem Backen von Brot und Keksen, kann der als krebserregend geltende Stoff Acrylamid entstehen. Für Felipe Tato Alonso, Betreiber des "Porky-Grill" in Essen-Kray, wird die Brisanz des Themas jedoch heißer gekocht, als sie eigentlich ist: "Ich halte das für absoluten Schwachsinn und eine Regulierungswut der EU."
Anfang der 2000er-Jahre wurde Acrylamid von schwedischen Wissenschaftlern unter anderem in Pommes Frites nachgewiesen. Doch die Studien, nach denen der Wirkstoff das Krebsrisiko vergrößert, beziehen sich bislang lediglich auf Versuche an Tieren. "Es gibt keine derartigen Belege für die Wirkung an Menschen", betont Tato Alonso. Aus diesem Grund lehnt auch der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga) die Verordnung ab: "Nach unseren Kenntnissen gibt es keinen einheitlichen Wissenschaftsstand, aber die Grundlage solcher Maßnahmen muss eine sichere Datenbasis sein. Deshalb fordern wir, die Initiative zu stoppen", erklärt Thorsten Hellwig, Pressesprecher des Dehoga.
Betreiber beschreiten bereits einen Mittelweg
Um den Acrylamid-Gehalt zu verringern, müssten Felipe Tato Alonso und sein Kollege Christian Rennings die Pommes bei geringerer Temperatur in der Fritteuse zubereiten. Die Kartoffelstäbchen verlieren dann aber den charakteristischen krossen Geschmack. "Kein Mensch will labberige Pommes essen", betont Tato Alonso. Im "Porky-Grill" gehen die Geschäftsführer bereits jetzt einen Mittelweg und bereiten die Fritten bei 168 anstatt 175 Grad Celsius zu. Dafür dann eben eine Minute länger. "So bleiben sie knackig, werden aber nicht so braun", erläutert der Besitzer.
Neben den geschmacklichen Nachteilen sorgt die mit einer neuen Verordnung verbundene wachsende Bürokratie für Ärger. Auf die hauptsächliche Arbeit während der regulären Öffnungszeiten kommt jeden Tag noch viel Zeit für Checks an den Geräten und Papierkram dazu. "Viele der Kontrollen sind völlig richtig, gerade im Hinblick auf die Sauberkeit", macht Tato Alonso klar. Doch wenn nun beispielsweise noch eine Art "Pommes-Ampel" dazukommt, die anzeigt, wie eine Fritte auszusehen hat, werde es absurd. Auch der Dehoga weist in seiner Stellungnahme auf den bürokratischen Wust hin: "Die Branche ächzt ohnehin unter ständig neuen Vorschriften und Dokumentationspflichten", sagt Thorsten Hellwig.
Grundsätzlich halten es Felipe Tato Alonso und Christian Rennings für richtig, dass Aufklärungsarbeit in Sachen Acrylamid betrieben wird. "Alles weitere sollen die Leute aber doch selbst entscheiden. Dass es nicht gesund ist, jeden Tag Pommes zu essen, sollte jeder wissen. Genauso wie es nicht gesund ist, wenn man ständig raucht oder trinkt", findet Tato Alonso.
Andere Besitzer reagieren entspannter auf die neuen Richtlinien
Deutlich gelassener hat Thomas Hartweg, Inhaber des Imbiss "Zum Xaver", die Nachricht von der neuen Vorschrift aufgenommen: "Ich glaube, dass das Thema relativ schnell von der Bildfläche verschwindet", sagt der 49-Jährige, der hier bereits seit 25 Jahren hinter der Ladentheke steht. Dass wirklich eine Bräunungstabelle bei Pommes vorgeschrieben sein wird, kann er sich nicht vorstellen. Grundsätzlich "finde er es gut", dass auf die eventuellen Gefahren beim Konsum von Acrylamid hingewiesen wird.