An Rhein und Ruhr. Immer häufiger verfallen in NRW nicht genutzte Impfdosen in den Impfzentren und Hausarztpraxen. Welche Impfstoffe davon besonders betroffen sind.
Die Impfbereitschaft in NRW sinkt, immer mehr Impfdosen werden nicht verimpft, verfallen in den Impfzentren und Hausarztpraxen. In den vergangenen vier Wochen mussten an den Impfstandorten des Kreises Wesel insgesamt sieben Spritzen am Ende eines Tages weggeworfen werden, davon vier Spritzen in Wesel und drei in Moers. Man befürchte, dass auf Grundlage des seit dem 3. August geltenden Impferlasses des Landes NRW „in den kommenden Tagen voraussichtlich rund 150 Vials des Impfstoffes der Firma Moderna aufgrund des Haltbarkeitsdatums entsorgt werden müssen“, teilt eine Sprecherin des Kreises Wesel mit.
An den Impfstandorten in Essen und Duisburg seien bisher keine Impfdosen weggeschmissen worden, heißt es auf Anfrage aus den Städten. Im Kreis Kleve kam es bisher lediglich in einem Fall des Moderna-Impfstoffs zu einer Entsorgung aufgrund der Haltbarkeit, teilt Timo Güdden, Sprecher des Kreises mit. Im Impfzentrum in Düsseldorf seien bislang 40 Impfdosen entsorgt werden müssen, sagt eine Stadtsprecherin.
350 Astrazeneca-Impfdosen im NRW-Zentrallager entsorgt
Am vergangenen Wochenende mussten auch erstmals 350 Dosen Astrazeneca-Impfstoff im Zentrallager der Landesregierung wegen Übertritt des Verfallsdatums weggeschmissen werden. „Hierbei handelt es sich nicht um die im Zentrallager der Landesregierung befindlichen Vials, sondern um die kurzfristig aus den Impfzentren der Städte und Kreise ins Zentrallager zurückgegebenen Dosen“, teilt ein Sprecher des NRW-Gesundheitsministeriums auf NRZ-Anfrage mit.
Diese würden nun fachgerecht entsorgt. Wie viele Impfdosen insgesamt in den Impfzentren in NRW bereits weggeworfen wurden, konnte das Land auf NRZ-Anfrage nicht beantworten. „Valide Zahlen liegen dem Ministerium dazu nicht vor. Die Impfzentren wurden jedoch aufgefordert, vom Verfall bedrohte Impfstoffe frühzeitig an das Land zurückzuführen, damit sie im Wege der Umverteilung noch rechtzeitig in anderen Impfzentren aufgebraucht werden können“, heißt es aus dem NRW-Gesundheitsministerium.
Hausärzteverband NRW fordert Lösungen vom Bund
Anders sieht es in den Hausarztpraxen an Rhein und Ruhr aus. „Für die Impfzentren gibt es Regelungen durch das Land NRW, die die Rückgabe von Impfstoffen betreffen. Für die Arztpraxen bisher leider noch nicht“, klagt Monika Baaken, Pressesprecherin des Hausärzteverbandes Nordrhein. Eine eigenständige Weitergabe an Dritte sei nicht möglich, da es sich beim Impfstoff um Staatseigentum handele. Man warte nun auf klare Angaben, wie die Praxen verfahren sollen: „Wir brauchen eine schnelle Lösung. Vorschläge aus der Ärzteschaft, wie man Impfstoffe, die in den nächsten Wochen ablaufen anderweitig einsetzen kann, stoßen bisher bei Bund und Land auf wenig Gegenliebe“, ärgert sich die Sprecherin und nennt als Beispiel den kurzfristigen Einsatz zur Impfung von medizinischem Personal in Ländern, die zu wenig Impfstoff haben. „Wir bleiben also im schlimmsten Fall darauf sitzen und müssen ihn nach Ablauf des Haltbarkeitsdatums vernichten“, betont Baaken.
Durch die Empfehlung einer Kreuzimpfung mit kombinierten Impfstoffen werde der Impfstoff von Astrazeneca kaum noch angenommen, sagte der Vorsitzende des Hausärzteverbandes Nordrhein, Oliver Funken, der dpa. Er rechne damit, dass landesweit etwa 100 000 Impfdosen zu verfallen drohten. Dies sei nur eine grobe Schätzung.
Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein: Die meisten Bürger haben bereits Erstimpfung erhalten
Aufgrund der Ferienzeit seien auch derzeit einige Arztpraxen urlaubsbedingt nicht anlaufbar, viele Menschen seien noch verreist, was eine geringere Impfquote erklären könnte: „Anfang Juni und kurz nach Ende der Priorisierung, wurden in Nordrhein insgesamt 737.000 Impfungen durchgeführt. In der vorherigen Wochen waren es 291.000. Wir schätzen die Lage nordrheinweit aber auch so ein, dass mittlerweile der Großteil der impfbereiten erwachsenen Bevölkerung nun bereits zumindest eine Erstimpfung erhalten hat“, sagt Christoph Schneider, Pressesprecher der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein (KVNO).
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Es gehe in den kommenden Wochen daher verstärkt darum, Menschen zum Impfen zu mobilisieren, die bisher unentschlossen waren oder auch Angebote an Personen zu unterbreiten, für die die bisherigen Angebote gegebenenfalls mit persönlichen Hürden verbunden waren, wie zum Beispiel einer Arztsuche oder der Buchung eines Impftermins in einem Impfzentrum verbunden mit einer zweimaligen Anfahrt, so der Sprecher der KVNO. Um dies zu erreichen setzten die Impforganisatoren vor Ort bereits häufig kreative Ideen ein, wie etwa Impfmobile an zentralen Stellen für Freizeit oder den alltäglichen Bedarf. Hier soll verstärkt den Menschen ein bürokratiearmer und wenig aufwendiger Zugang zu ihrer Impfung ermöglicht werden. „Analog dazu gibt es ja zudem auch Überlegungen des Gesetzgebers, Durchgeimpften perspektivisch wesentliche Erleichterungen im Alltag, beim Besuch von Veranstaltungen, Restaurants, zu ermöglichen. Das sollte bei Ungeimpften zusätzlich Impulse für eine Immunisierung auslösen“, so der KVNO-Sprecher.