Xanten. Ricarda Jäger aus Xanten ist Braumeisterin. Gemeinsam mit ihrem Vater betreibt sie das Brauhaus Jäger, doch das ist ihr noch nicht genug Bier.
Ricarda Jäger trägt braune Latzhose und hohe Gummistiefel. Richtige Arbeitskleidung eben. Schließlich kommt sie geradewegs vom Sudhaus im Walsumer Brauhaus Urfels, wo es aktuell besonders viel zu tun gibt. Aber, das erklärt die 28-jährige Braumeisterin direkt zu Beginn: „Unter Druck arbeite ich am besten.“ Also gut, dann legen wir doch mal los.
Frau Jäger, eine wichtige Frage vorab: Alt, Pils oder doch lieber etwas ganz anderes?
Ich probiere alles, muss aber nicht alles austrinken (lacht). Mein Lieblingsbier ist das Scottish Ale von meinem Vater. Das ist unglaublich ausgewogen, ein bisschen malziger und mit einer schönen Hopfennote. Ich könnte das Bier den ganzen Abend trinken und mir würde es am nächsten Tag noch gut gehen.
Ihr Vater hat vor einigen Jahren das Brauhaus Jäger gegründet. Liegt Ihnen das Brauen also im Blut?
Kann man schon so sagen. Mein Vater war schon immer nebenher in der Bierherstellung tätig und hat lange ehrenamtlich als Braumeister in der Kalkarer Mühle gearbeitet. 2006 hat er dann das Viktor Bräu gebraut und einen Teil des Erlöses an den Xantener Dombauverein gespendet. Irgendwann endete das Projekt und er startete mit seinem ersten eigenen Bier.
Welches Bier war das?
Das Xantener Landbier. Kurze Zeit später kam auch das Gold, ein klassisches Pils. Das Bier hat er dann im lokalen Trinkgut platziert. Und weil die Getränkemärkte untereinander alle vernetzt sind, meinte bald jemand: „Hömma, woher haste das? Ich will auch mein eigenes Bier.“ Deshalb gibt’s jetzt in Xanten das „Xantener Landbier“, in Kleve das „Klever Landbier“ und in Duisburg das „Steiger Bräu“ und „Zechengold.“
Eine kleine Erfolgsgeschichte. War Ihnen deshalb auch früh klar, dass Sie eine Lehre zur Brauerin und Mälzerin absolvieren würden?
Mein Bruder und ich mussten oft in der Kalkarer Mühle mithelfen. Mein Vater hat gesagt, damit wir das Handwerk lernen. Heute weiß ich, dass wir besser zum Putzen hinter die Tanks kamen (lacht). Aber deshalb kannte ich schon von klein auf diese Arbeit. Als ich dann in der 8. Klasse mal einen Brief an mein 15 Jahre älteres Ich schreiben sollte, war mein Traum: „Irgendwann habe ich eine Brauerei und braue mein eigenes Bier.“ Nach meinem Abi habe ich aber erstmal andere Sachen angestrebt, wollte vielleicht Fluglotsin werden. Dann habe ich beim Aufräumen diesen Brief wiedergefunden und gedacht: Wieso eigentlich nicht?
Sie haben dann die Ausbildung zur Brauerin und Mälzerin gestartet, die Sie im Walsumer Brauhaus Urfels beendet haben. Wie war diese Zeit für Sie?
Anfangs war ich sehr skeptisch und wusste nicht, ob das wirklich mein Ding ist. Denn jedes Bundesland hat eine Berufsschule, so dass zum Blockunterricht sehr viele Azubis zusammenkommen. Darunter waren dann viele auch von großen Brauereien wie Warsteiner und Krombacher, bei denen sich alles immer nur um Zahlen drehte. Wie viele Millionen Liter beträgt der Jahresausstoß, zum Beispiel. Das war aber nicht das, was mich interessiert hat.
Sondern?
Mir ging es immer nur um das Handwerk. Denn aus den vier Grundzutaten lässt sich so viel machen! Erhöht man ein bisschen die Temperatur, verlängert die Zeit oder packt ein bisschen mehr Malz, Hopfen dazu, dann hat man direkt ein ganz anderes Produkt. Ab dem zweiten Lehrjahr war mir aber dann endgültig klar: Das ist mein Beruf!
Die Ausbildung reichte Ihnen aber noch nicht und Sie meldeten sich zum Meisterkurs an. Wie kam’s?
Der Brauer Johannes Lehmbrock hat vor der Gründung seiner Brauerei Geilings Bräu in Kamp-Lintfort hier im Walsumer Brauhaus sein Bier brauen lassen. Das ist das Prinzip der Lohnbrauerei, das auch mein Vater nutzt. Während dieser Zeit hat Johannes Lehmbrock gerade seine Meisterschule gemacht und immer davon erzählt. Das war atemberaubend für mich und hat in mir den Wunsch entfacht, auch noch einen Schritt weiterzugehen. Ich hatte dann das Glück, dass ich meine Ausbildung schon sehr gut abgeschlossen hatte und für die zehn Monate in Ulm ein Stipendium bekommen habe.
Hatten Sie an der Meisterschule eigentlich auch Kolleginnen?
Schon an der Berufsschule waren 90, eher 95 Prozent Männer. An der Meisterschule war ich sogar die einzige Frau.
Woran liegt das?
Frauen mögen auch Bier, aber bei vielen ist vielleicht nicht so eine Leidenschaft dahinter. Außerdem ist das ein harter, körperlicher Job mit viel Schlepperei. Dabei nehmen Brauereien eigentlich gerne Frauen als Azubinen an, weil sie häufig nicht so festgefahren, sondern experimentierfreudiger sind. Ich habe zum Beispiel auch eine Mädels-Truppe, denen kann ich alles hinstellen und sie trinken es.
Sie arbeiten hauptberuflich im Walsumer Brauhaus, nebenberuflich noch fürs Familienunternehmen Brauhaus Jäger. Können Sie am Ende des Tages überhaupt noch Bier sehen?
Ich liebe Bier, sonst würde ich das auch nicht durchhalten. Mein Vater und ich nennen das auch „Family Quality Time“, wenn wir am Wochenende zusammensitzen und Flaschen reinigen (lacht).
Heute steht die „15 Jahre ältere“ Ricarda Jäger hier. Wird sich Ihr Wunsch aus dem Brief noch erfüllen?
Ich hoffe! Das ist ja der Traum, der jeder Braumeister oder jede Braumeisterin hat. Eine eigene Brauerei!