Duisburg.
Der Duisburger Claus Esser (67) will seine Immobilien loswerden, mitten in Marxloh, in der Nähe der Muster-Moschee, ein Komplex mit vier Häusern. Jetzt bot er das Gebäude-Ensemble der rechtsextremen Gruppierung „Pro NRW“ an – und löste damit einen Eklat aus.
Am einen Ende des Johannismarkts pauken türkische Hausfrauen gerade den deutschen Akkusativ: „Man darf den Müll nicht ohne den Beutel wegwerfen!“ Am anderen Ende wohnt er, in seinem Gründerzeithaus, inklusive Büro im Hinterhof. Claus Esser (67) sitzt in einem düsteren Raum, zugestellt mit Kram und Erinnerungen, und verwaltet seine hiesigen Immobilien: mitten in Marxloh, 200 Meter entfernt von der Muster-Moschee, vier Häuser mit 36 Wohnungen, 30 Garagen, ehemaliger Gaststätte, Nebenräumen, zwei Kegelbahnen, alles ein Komplex. Er will ihn schon lange loswerden.
Tumulte vor der Tür
Claus Esser glaubte auch zu wissen, wie. Clever, wie er ist, bot er sein „Anwesen in Duisburg“ per Mail der rechtsextremen Partei „Pro NRW“ an, die gerade Immobilien sucht. Was er nicht ahnte, war, welchen Eklat er damit auslösen würde, als drei Männer und eine Frau nebst Videokamera vor knapp zwei Wochen zur Besichtigung erschienen. Tumulte vor seiner Haustür, einen Polizeieinsatz, einen Besuch des Staatsschutzes und abendliche Drohanrufe: „Wenn Du verkaufst, machen wir Dich kalt!“ Einen Eindruck von der selbstgefälligen Manier, in der die Vertreter von „Pro NRW“ zuvor durch die Straße flaniert waren, vermittelt ein von ihnen selbst inszeniertes You-Tube-Video.
Nordrhein-Westfalen, drei Monate vor der Wahl: Nachdem die „Pro-Bewegung“ mit ihrer gegen Ausländer gerichteten Rhetorik bislang vor allem in Köln kleinere Erfolge erzielt hat, bemüht sie sich nun, im Ruhrgebiet Fuß zu fassen. Unterstützt wird sie von dem angeblichen schwedischen Millionär Patrik Brinkmann, der „uns für die Wahlkämpfe der nächsten Jahre fünf Millionen Euro spendete“, so Generalsekretär Markus Wiener. Zunächst soll ein Teil des Geldes für ein „Haus der Opfer des Islams“ aufgewendet werden – etwa in Duisburg. Vor allem aber geht es „Pro NRW“ darum, Aufmerksamkeit zu erregen. Drei Monate vor der Wahl eben.
Doch Claus Esser, der Immobilien-Besitzer, hat nach dem Aufruhr kalte Füße bekommen; nach seiner Version war es inzwischen „Pro NRW“, das ihn ansprach auf die Immobilie. „Wenn ich an die verkaufe, bekommen wir hier Zustände wie in Berlin und Hamburg. Mit brennenden Autos und Randale“, sagt er. Um es klarzustellen: Der Mann lebt gerne in Marxloh, findet es friedlich und hat auch keine Probleme mit Türken. Im Gegenteil, die frühere Kneipe in seinem Haus hat er dem türkischen Kulturverein Posof vermietet. „Ich habe mit meinen Türken gesprochen, dass die das alles kaufen. Die wären interessiert, haben aber kein Geld“, so Esser.
Der ehemalige selbstständige Informatiker will verkaufen. Unbedingt. Wegen der kargen Rente, wegen des Stress’ mit den vielen Mietern und weil die Häuser mit hohen Krediten belastet sind. Da könnten die rechtsextremen Avancen doch glatt zum Joker werden! Denn Duisburgs Planungsdezernent Jürgen Dressler hat ihm schriftlich Hilfe zugesichert. Im Gespräch mit dieser Zeitung betont Dressler, die Stadt denke nicht an einen Kauf. Er, Dressler, wolle dem Eigentümer lediglich helfen, einen Interessenten zu finden und dessen Dialog mit „Pro NRW“ zu kappen.
Ähnliche Fälle kennt man aus anderen Bundesländern. So soll die NPD sogar gegen „Parteispenden“ Immobilienbesitzern angeboten haben, Kaufinteresse vorzutäuschen, um „so den Preis nach oben zu schrauben und die Kommune unter Druck zu setzen, die Immobilie selbst zu kaufen“, so Burkhard Freier, der stellvertretende Leiter des NRW-Verfassungsschutzes. Der beobachtet zur Zeit, ob „Pro NRW“ genauso vorgeht. Ein Geschäft auf Gegenseitigkeit, das dem Eigentümer viel Geld bringen kann und der betreffenden Partei das Aufsehen, das sie sucht. Freier: „Wir gehen davon aus, dass es einzig darum geht, in der Öffentlichkeit wahrgenommen zu werden und sich wichtiger zu machen.“
1,5 Millionen geboten
Jörg Uckermann, Stadtrat von „Pro Köln“ präsentiert sich derweil in der Opferrolle und prangert „Wildwest-Methoden der Duisburger Polizei“ an. Nach dem Besichtigungstermin habe sie, von Anwohnern gerufen, die Personalien überprüft und ihn „in den Polizeiwagen gezerrt und geschubst“. Bei der Polizei in Duisburg will man von einer Anzeige Uckermanns wegen Körperverletzung im Amt erfahren haben. Die Staatsanwaltschaft kann das jedoch nicht bestätigen. Auch so hält sich die „Pro“-Bewegung im Gespräch, die sich betont bürgernah gibt, obwohl „tatsächliche Anhaltspunkte für den Verdacht extremistischer Bestrebungen belegbar sind“, so der Verfassungsschutz.
In Marxloh besserte „Pro NRW“ inzwischen nach, bot zuletzt 1,5 Millionen Euro für Essers Häuser. Wahres Interesse oder Trickserei? Im Kulturverein Posof in Essers Parterre ist die Meinung jedenfalls einhellig: „Die wollen provozieren“, sagt Sahin Aytas, „die haben gesehen, die Leute sind dagegen, da sind 50 Prozent des Mutes schon weg“.