Essen. Der 21-jährige Marler, der seine Nachbarin erstochen und deren vierjährigen Sohn fast getötet hatte, muss in die Psychiatrie.
So richtig erreicht das Urteil der XXIV. Essener Jugendstrafkammer den 21-Jährigen nicht. Brutal hatte der Marler seine 27 Jahre alte Nachbarin im Schlaf überfallen und getötet, hatte ihren vierjährigen Sohn fast getötet. Aber am Montag kurz vor der Urteilsverkündung lächelt er seine Eltern im Zuhörerbereich an, winkt ihnen fröhlich zu. Danach bekommt er zu hören, dass er zu neun Jahren Jugendstrafe verurteilt wird, er wegen seiner Gefährlichkeit aber für nicht absehbare Zeit in die geschlossene Psychiatrie eingewiesen wird.
Psychisch gestört ist der Marler, leidet seit früher Kindheit an Autismus. Was ihn zu der laut Richter Sebastian Jordan "brutalen und grausamen Tat" trieb, bleibt letztlich ungeklärt. Möglicherweise liegt das Motiv im sexuellen Bereich, hatte Staatsanwältin Sarah Erl in ihrem Plädoyer gesagt.
Nachts in die Wohnung eingedrungen
Am 9. November vergangenen Jahres war der damals 20-Jährige, der bei seinen Eltern lebte, gegen 23 Uhr in die im Marler Stadtteil Brassert gelegene Wohnung eingedrungen. Vorher hatte er sich noch mit einem Freund darüber unterhalten, wie hübsch die 27-Jährige sei. Näheren Kontakt hatte der Angeklagte, der unterdurchschnittlich intelligent ist und sprachliche Schwierigkeiten hat, zu der Nachbarin nicht.
Überlegt ging er vor. Er rückte einen Blumenkübel aus dem Garten unter das geöffnete Badezimmerfenster, kletterte hoch und entfernte das Fliegengitter. Dann ging er direkt in die Küche, beschrieb Richter Jordan den Tatablauf, und bewaffnete sich mit mehreren Messern.
Keine Chance zur Abwehr
Die 27-Jährige hatte keine Chance zur Abwehr. Er muss sie auch nach eigenem Geständnis im Schlaf angetroffen haben. Als sie wach wurde, einen fremden Mann erkannte und schrie, muss er sie sofort angegriffen haben. Rund 40 Messerstiche belegen nach Ansicht des Gerichtes seine Absicht: "Er stach in Tötungsabsicht zu."
Heimtücke bescheinigten ihm die Richter bei diesem Angriff und damit einen vollendete Mord. Als der vierjährige Sohn von dem Lärm im Schlafzimmer wach wurde und aufstand, fürchtete der Angeklagte wohl seine Enttarnung und ging auf den Jungen los. Ihn verletzte er schwer, wurde deshalb wegen versuchten Mordes verurteilt. Nur durch eine Notoperation retteten Ärzte später dessen Leben.
Blutspuren abgewaschen
Danach ging er zurück in seine Wohnung, wusch Blutspuren ab und kehrte in den Garten zurück, um das Fliegengitter wieder zu befestigen und den Blumenkübel an den alten Platz zu tragen. Er telefonierte mit Freunden, verschickte sogar ein Video vom Tatort. Als die mittlerweile alarmierte Polizei eintraf, flüchtete er, kam aber nicht weit.
Zum Prozessauftakt am 3. Mai hatte der 21-Jährige gesagt, innere Stimmen hätten ihm den Mord befohlen. Es sei von einer Figur aus einem seiner zahlreichen Computerspiele angeordnet worden: "Ich müsse doch sehen, wie es ist, wenn jemand stirbt." Das hatte der psychiatrische Gutachter Frank Sandlos als nicht glaubwürdig eingestuft.
Sex-Videos auf dem Handy
Er hatte dem Angeklagten, auf dessen Handy viele Sex-Videos abgespeichert waren, übersteigertes sexuelles Verlangen bescheinigt. Eine unmittelbare sexuelle Handlung lässt sich aber nicht nachweisen.
Richter Jordan spielte auf die Welt der Computerspiele an: "Das war keine Show, das war reell." Zuvor hatte der 21-Jährige gezeigt, in welcher Scheinwelt er lebt. Sein letztes Wort richtete er an seine Eltern: "Ihr habt alles richtig gemacht. Ich bin stolz auf euch."