Essen. / Bochum. Sie stritten ums Pokern, da soll der Bochumer zugestochen haben. Jetzt steht er in Essen vor Gericht. Versuchter Mord ist angeklagt.

Beim Pokerspiel in einer Essener Pizzeria hatte sich der Bochumer Amir N. vom Chef des Lokals betrogen gefühlt. Weil der ihm das Geld nicht habe zurückzahlen wollen, soll der 30-Jährige zugestochen haben. Seit Mittwoch muss sich der Bochumer vor dem Essener Schwurgericht verantworten. Staatsanwalt Shamgar Owusu-Ankomah wirft ihm einen versuchten Mord aus Habgier vor.

Amir N. ist damit nicht einverstanden. Einerseits fühlt er sich von dem Pizzeriabesitzer immer noch betrogen, andererseits sei das Ganze eher ein Unfall gewesen. Denn nicht er habe das Messer in der Hand gehalten und angegriffen. Das sei der Italiener gewesen, sagt er vor Gericht. Er selbst habe zur Abwehr das Handgelenk des Mannes festgehalten, und im Gerangel habe dieser sich selbst verletzt.

15 Zentimeter lange Schnittwunde

15 Zentimeter lang und zweieinhalb Zentimeter tief sei die Schnittverletzung quer über den Hals gewesen, heißt es in der Anklage. Die Halsschlagader sei zwar nicht beschädigt worden, akute Lebensgefahr habe dennoch bestanden.

Mit zwei anderen Männern hätten der im Bochumer Stadtteil Harpen wohnende Amir N. und der 48 Jahre alte Pizzabäcker in der Nacht auf den 2. Mai 2021 in der Pizzeria in Essen-Stoppenberg Karten gespielt. Zunächst habe der Bochumer gewonnen, plötzlich aber fast alles wieder verloren. Er habe seinem späteren Opfer Betrug mit gezinkten Karten vorgeworfen und sein Geld zurückverlangt. Der Mann habe sich aber auf nichts eingelassen. Um fünf Uhr morgens seien sie auseinander gegangen.

Von hinten Schnitt am Hals versetzt

In Wild-West-Filmen schießt der sich betrogen fühlende Cowboy zwar immer sofort. Amir N. wartete dagegen erst einmal mehrere Stunden auf dem gegenüberliegenden Aldi-Parkplatz. Dann schellte er bei seinem Kontrahenten. Laut Anklage fordert er erneut sein Geld zurück. Vergeblich. Als der Essener ins Bad ging, um sich für die Arbeit fertig zu machen, soll Amir N. diesem "von hinten mit dem Messer einen Schnitt am Hals versetzt" haben. Er habe dem 48-Jährigen auch mit dem Tod gedroht, falls er ihm das Geld nicht gebe.

Schließlich soll der Mann sein Portemonnaie gezückt und Amir N. das gesamte Bargeld, 3- bis 4000 Euro, übergeben haben. Dem Opfer, so heißt es weiter, sei es noch gelungen, einen Mitarbeiter anzurufen, der Feuerwehr und Polizei alarmierte. Amir N. soll versucht haben, sich ins Ausland abzusetzen. 16 Tage nach der Tat endete die Flucht an der ungarisch-serbischen Grenze.

Karten auf der Rückseite markiert

Vor Gericht erzählt er, dass er in der Tatnacht zunächst rund 2000 Euro gewonnen habe. Auf einmal habe der Pizzabäcker den Kartensatz gewechselt. All sein Geld sei wieder verloren gegangen. Plötzlich habe er gesehen, dass die Karten auf der Rückseite markiert waren. Er habe das dem Italiener gesagt: "Ich weiß von Deinen Betrügereien. Ich werde nie mehr mit euch spielen. Gib mir das Geld, dann ist alles erledigt." Aber der Mann habe ihn vertröstet. Sie sollten später reden.

Zugegeben habe der seinen Betrug nicht. "Verloren ist verloren", habe der am nächsten Morgen gesagt. Er selbst habe weiter auf Rückzahlung bestanden. Da habe der Pizzeriabesitzer plötzlich ein Messer n der Hand gehalten und ihn bedroht.

Unter Schock iranischen Notruf 115 gewählt

"Ich stand unter Schock und habe im Reflex sein Handgelenk gefasst", erzählt Amir N. weiter. Er schildert das Gerangel, bei dem es zu dem Schnitt gekommen sei. Er habe weiter darauf bestanden, das Geld zu bekommen. Schließlich habe er es bekommen.

Er will dann auch den Notruf gewählt haben: "Leider die 115, ich konnte nicht richtig denken." In seiner Heimat Iran, die er 2015 verlassen hatte, ist das die Notrufnummer. Er sei damals geflüchtet, weil er Christ sei: "Da haben wir keine Freiheiten." Vier weitere Sitzungstage sind geplant.