An Rhein und Ruhr.. Beleidigungen, Bedrohungen oder Volksverhetzung sind alltäglich. Mit einer bundesweiten Razzia machte die Polizei gegen die Hetzer mobil.

Sie hetzen und beleidigen: Hass gegen Ausländer, gegen Flüchtlinge, gegen Juden. Oder sie rufen zu Straftaten auf. Das alles passiert online – die mutmaßlichen Täter sitzen hinter ihren Bildschirmen. Die nächste Beleidigung ist nur einen Mausklick oder ein Tippen auf dem Smartphone entfernt. Gestern sind Polizei und Justiz konzentriert gegen die Hasskriminalität vorgegangen.

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Bundesweit seien Wohnungen durchsucht und Beweismittel sichergestellt worden, teilte das Bundeskriminalamt (BKA) mit. Auch in Dinslaken war die Polizei bei einer Razzia im Einsatz, bestätigte die Duisburger Polizei der NRZ. Der Staatsschutz wurde eingeschaltet.

Ein anderer, aber ebenso aktueller Fall: Die zuständige Polizei Mönchengladbach präsentierte gestern Ermittlungsergebnisse zu den tödlichen Messerstichen von Viersen. Weil direkt nach der Tat aufgrund falscher Zeugenaussagen in der Täterbeschreibung von „nordafrikanischem Aussehen“ die Rede war, kochten im Internet schnell die Spekulationen hoch, ein Flüchtling könnte der Täter sein.

Ausländer und Flüchtlinge besonders im Fokus

Mit den Spekulationen kam auch die Hetze. Es gab einen Ansturm auf die gerade erst gestartete Facebookseite der Polizei in Viersen.

„Ausländer und Flüchtlinge im Besonderen wurden beschimpft, die Kanzlerin verunglimpft und die Arbeit der Polizei herabgewürdigt“, berichtete Mönchengladbachs Polizeipräsident Matthias Wisselmann gestern. Die Viersener Polizei prüft nach Aussage eines Sprechers „etwa 20 bis 30“ dieser Kommentare auf Strafbarkeit. Anzeigen und Verfahren sollen folgen.

Politik und Behörden haben die Hetze im Netz als Problem erkannt – und versuchen gezielt dagegen vorzugehen. Denn klar ist: Es wird schlimmer. „Die Hasskriminalität im Internet nimmt zu“, sagt zum Beispiel Dirk Reuter, Pressesprecher im NRW-Justizministerium.

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Hierzulande gibt es daher seit einiger Zeit die Initiative „Verfolgen statt nur Löschen“, bei der Strafverfolgungsbehörden, einige Medienunternehmen und die Landesanstalt für Medien (LfM) zusammenarbeiten. Zudem wurde bei der Staatsanwaltschaft in Köln eine zentrale Anlaufstelle für Cyberkriminalität (ZAC) eingerichtet.

Seit Anfang des Jahres wurden dort mehr als 130 Fälle von Hasspostings anzeigt. Die Durchsuchungen gestern standen im Zusammenhang mit diesem Projekt, zu Details äußerte sich die Staatsanwaltschaft nicht. Mit der ZAC sieht sich die Landesregierung im Kampf gegen die Cyberkriminalität gut aufgestellt, aktuell arbeiten dort sieben Staatsanwälte – demnächst soll die Zahl der Stellen auf 20 aufgestockt werden.

Aus der rechten Ecke

Den Behörden geht es eben nicht nur ums Löschen, sondern um die Strafverfolgung. Deswegen lobte Tobias Schmid, Direktor der Landesmedienanstalt, den Einsatz der Polizei: „Wir begrüßen die aktuellen Ermittlungsaktivitäten ausdrücklich“, sagte Schmid. So würde ein klares Zeichen gesetzt, dass das Internet kein rechtsfreier Raum sei und strafrechtlich relevante Hassrede verfolgt und geahndet werde. „Damit erhöhen wir den Druck auf Straftäter“, so Schmid.

Laut BKA kommt die Mehrheit der Beleidigungen und Bedrohungen aus der rechten Ecke. Demnach seien von den 2270 im vergangenen Jahr registrierten strafbaren Hasspostings, beinahe drei Viertel politisch rechts motiviert gewesen.

Neue Plattform

Verschärft hat sich das Problem in den vergangenen Jahren ohne Frage durch die zunehmende Nutzung von sozialen Medien. „Dadurch bekommen viele Leute eine öffentliche Plattform, die es früher so nicht gab“, sagt Professor Martin Emmer, der unter anderem am Berliner Weizenbaum-Institut zur Digitalisierung forscht.

Wer die mutmaßlichen Täter sind – ob es sich um Einzelpersonen oder politisch gesteuerte Hetzer handelt – lässt sich nicht immer klar sagen. „Es ist sicher eine Mischung“, meint Emmer. „Gesteuerte Kampagnen vermeiden aber oft sehr geschickt plumpe und strafbare Äußerungen; die kommen dann eher von Einzelpersonen.“ Der Wissenschaftler kann nachvollziehen, dass die Polizei auf solche öffentlichkeitswirksamen Aktionen setzt, denn eine normale Strafverfolgung jedes einzelnen Falls ist wegen der großen Zahl und der Schwierigkeiten bei der Identifikation der Täter oft nicht möglich.

Strafbar sind Beleidigungen übrigens nur, wenn die Opfer Anzeige erstatten. Nach Angaben des Bundeskriminalamtes kommt es im Internet am häufigsten zu Volksverhetzungen, sie machen mehr als die Hälfte der Fälle aus.