Essen/Dortmund/Köln. Es ist gesund, umweltschonend und kostenlos. Warum trotzdem viele Menschen in NRW nicht gerne zu Fuß gehen.
Er geht viel spazieren. „Irgendwann in nächster Zeit durch jedes Viertel“, sagt Nico Rathmann. Das gehört zum Job. Denn der 37-jährige ist seit kurzem der Fußverkehrsbeauftragte der Stadt Köln. Der erste in der Domstadt und einer von nur ganz wenigen in ganz Deutschland. Noch.
Es ist ein Job mit Zukunft. Auch im Ruhrgebiet. Gerade hier. „Gute Fußwege“, hat Hendrik Wüst gesagt, da war er noch Verkehrsminister des Landes, seien „Standortfaktor und Lebensqualität“. Außerdem ist es gesund, umweltschonend und kostenlos. „Als Kind geht man viel zu Fuß“, sagt Rathmann, „und wenn man alt ist, macht man das oft auch wieder.“
Und Wolfgang Packmohr, Polizeidirektor a.D. und Vorsitzender der Essener Ortsgruppe von „Fuß e.V.“ ergänzt: „Selbst in den Jahren dazwischen ist das Gehen zumindest Zubringerverkehr zu Bus- und Bahnhaltestelle oder der eigenen Garage.“ Packmohr spricht von einer „Grundbewegungsart“. Berücksichtigt worden seien Wünsche und Probleme von Fußgängern bei der Verkehrsplanung in den vergangenen Jahrzehnten kaum. Selbst heute sei da noch „viel Luft nach oben“.
Rathmann sieht das offenbar ähnlich, drückt es aber etwas zurückhaltender aus. „Ich will das Thema Fußverkehr in der Verwaltung präsent halten.“
Das will Fabian Menke in Dortmund bereits seit einigen Jahren. Fuß- und Radverkehrsbeauftragter ist er und mit seinem Team Teil des Tiefbauamtes. „Wichtig ist es, dass es in einer Stadt jemanden gibt, der eine Sensibilität für das Thema hat“, sagt er. Auch bei der Planung neuer oder dem Umbau bestehender Straßen. Breite Fußwege, Ruhe und Spielpunkte, gut begehbare Oberfläche, „wir wollen dazu beitragen, Standards zu setzen“. „Irgendwann ist das dann so normal, dass es keine Beauftragten mehr braucht“, hofft Menke.
Zur Planung kommt, was Rathmann „Alltagsgeschäft“ nennt. Viele der immer wieder und in jeder Stadt auftretender Probleme kennt er aus Heidelberg, wo er mehrere Jahre für die Sicherheit auf Schulwegen verantwortlich war. Hecken zu hoch, Bürgersteig zu schmal, Übergang an der falschen Stelle. „Selbst schon lange bestehende Fußwege sind nicht immer sicher.“ Erst recht nicht für Menschen mit Handicaps.
Wobei Köln schon allein wegen seiner Größe eine ganz andere Herausforderung ist. Da kann Rathmann noch so viel laufen, „ich bin auf Tipps und Hinweise aus der Bevölkerung angewiesen“. Wo ist eine Grünphase zu kurz, wo stehen Mülltonnen im Weg? „Das wissen die Menschen vor Ort am besten.“ Auch deshalb sei ein Fußverkehrsbeauftragter wichtig. „Die Leute brauchen einen festen Ansprechpartner, der ihnen zuhört und sich kümmert.“ Und der auch ein wenig von Fußgängerpsychologie versteht. „Menschen, die zu Fuß unterwegs sind, gehen meist nicht den sichersten, sondern den kürzesten Weg.“ Packmohr kennt das Phänomen: „Sie wollen die direkte Strecke nehmen.“
Packmohr hofft deshalb, dass viele Städte der Kölner Idee folgen werden. „Wir brauchen dringend Fußverkehrsbeauftragte.“ Er fürchtet aber auch, dass sie alleine nicht ausreichen werden, um die Bürgersteige attraktiver zu machen. Zumindest nicht, so lange verbotswidrig geparkte Pkw für Engpässe und Gefahren sorgen. „Wir müssen uns damit abfinden, dass Autos in Großstädten nicht nahe der eigenen Wohnung abgestellt werden können.“ Und wenn freundliche Hinweise oder Bitten nicht fruchten, sagt Packmohr, dann muss es eben mehr „Knöllchen“ geben. „Polizei und Ordnungsamt sind da viel zu zurückhaltend. Manche Menschen ändern sich erst, wenn es ihnen an den Geldbeutel geht.“
Auch Nico Rathmann glaubt nicht, dass sich die Situation für Fußgänger von heute auf morgen ändert. „Ich will, dass man in fünf Jahren sagen kann: Da ist ein Ansprechpartner, der etwas bewegen kann“, gibt er sein Ziel vor. Reichlich Zeit, um durch Köln zu laufen. Mindestens 10.000 Schritte macht er am Tag, sitzt aber nicht eine Sekunde hinter einem Steuer, denn: „Ich habe gar kein Auto.“
Das ständige Gehen kann Folgen haben, wie Fabian Menke festgestellt hat. Weil er jede Sichtbehinderung, jeden zu hohen Bürgersteig fast automatisch registriert. Selbst wenn der Dortmunder privat durch fremde Städte streift, „das Planerauge“, sagt er und lacht, „läuft einfach immer mit.“