Essen. Sie gelten als ehrenwerte Geschäftsleute. Laut Anklage soll das Trio aber eine Firma um drei Millionen Euro illegal erleichtert haben.
Geschäftsführer nicht unbedeutender Unternehmen waren sie, doch jetzt sitzt das Trio vor der XII. Essener Wirtschaftsstrafkammer auf der Anklagebank. Staatsanwältin Violette Klima wirft ihnen vor, eine Factoring-Firma um rund drei Millionen Euro illegal erleichtert zu haben.
Der Geschäftsführer dieser Firma, Manfred P. (58) aus Willich, muss sich wegen besonders schwerer Untreue verantworten, die Mitangeklagten Bernd S. (58) und Karin F. (59) aus Essen wegen Beihilfe zu diesem Delikt. Die Taten selbst liegen lange zurück. Zwischen 2012 und 2015 sollen die Essener Angeklagten, die eine Werbeagentur leiteten, in 485 Fällen "Luftrechnungen" bei der Firma des Mitangeklagten eingereicht und so alle gemeinsam die drei Millionen Euro zu Unrecht kassiert haben.
Prozess nach sieben Jahren
Die Ermittlungen gestalteten sich offenbar schwierig, denn erst fünf Jahre nach der ersten Anzeige war die Anklage fertig. Ein Jahr dauerte es, bis die Kammer das Verfahren eröffnete, und wiederum ein Jahr bis zum Prozessauftakt am Mittwoch.
Factoring ist ein Finanzdienst, mit dem Firmen schneller an ihr Geld kommen. Wer seinem Kunden für erbrachte Leistungen eine Rechnung ausstellt, muss oft lange auf sein Geld warten. Das kürzt der Unternehmer ab, indem er seine Rechnung an eine Factoring-Firma weiterreicht und von dieser die Rechnungssumme mit einem Gebührenabzug sofort überwiesen bekommt. Die Factoring-Firma treibt dann das Geld beim Kunden ein.
"Luftrechnungen" eingereicht
Problematisch wird es, falls die Kunden gar nicht zahlen, etwa wenn die Rechnung nicht berechtigt war. So soll es in diesem Fall sein. Die Essener Unternehmer hätten "Schein- oder Luftrechnungen" eingereicht und dafür Geld bekommen. Mit einiger Verzögerung kamen die Rechnungen natürlich zurück und das Geld musste zurückgezahlt werden. Um diese Summen aufzubringen, hätten immer wieder neue und auf höhere Beträge lautende Rechnungen eingereicht werden müssen, bis der Schaden drei Millionen Euro betrug, sagt die Anklage. Staatsanwältin Klima spricht dabei von einer Art "Schneeballsystem".
Bei diesem Wirtschaftsdelikt ist am Ende immer einer der Dumme. In diesem Fall soll es die Factory-Firma sein, die den Verlust verschmerzen musste.
Ein Angeklagter hatte Anzeige erstattet
Laut Anklage haben die Angeklagten diese Taten gemeinsam als Trio zu verantworten. Tatsächlich sind die seriös wirkenden Geschäftsleute aber zerstritten. Ins Rollen brachte die Ermittlungen der Willicher Geschäftsführer der Factory-Firma, der den Millionenverlust den Gesellschaftern seiner Firma erklären musste. Er hatte deshalb 2015 Anzeige gegen die beiden Essener erstattet.
Er fühle sich von ihnen betrogen, begründete er die Anzeige. Er habe nicht geahnt, dass sie ihm "Luftrechnungen" eingereicht hätten. Interne Untersuchungen seines Unternehmens richteten sich zum Schluss gegen ihn selbst. Denn diese ergaben, dass ein solcher Betrug nur mit seiner Hilfe habe geschehen können. Er habe alle Kontrollmechanismen deaktiviert. Schon stand auch er im Mittelpunkt der Ermittlungen.
Zwei Angeklagte beschuldigen geschädigte Firma
Manfred P. wies das damals zurück, sah sich weiter als Opfer. Die Essener Bernd S. und Karin F. hatten im Ermittlungsverfahren geschwiegen. Am Mittwoch äußerten sie sich. Die Verteidiger Klaus Bernsmann und Katharina Rausch-Bernsmann sprachen für ihre Mandanten. Darin machten sie die in ihren Augen hohen Gebühren der Factory-Firma mitverantwortlich für die wirtschaftliche Schieflage ihrer Agentur. Das Modell mit den Luftrechnungen sei von diesem Unternehmen toleriert worden, der Mitangeklagte habe das wohl gewusst.
Karin F. ließ das noch deutlicher formulieren: Ihrer Ansicht nach seien alle Geschäftsführer der Factoring-Firma eingeweiht gewesen, sie hätten alle von den hohen Gebühren profitiert.
Mitangeklagter zeigt sich schockiert
Der Anwalt des Willicher gab sich danach schockiert: "Das ist absurd." Sein Mandant und er müssten sich erst sammeln und wollten sich erst am nächsten Sitzungstag äußern. Richter Simon Assenmacher reagierte darauf scharf und hielt die neue Verzögerung für unnötig, willigte später aber ein.
In voraussichtlich 14 Prozesstagen macht sich die Kammer jetzt auf die Suche, auf welchem Weg die drei Millionen Euro verschwunden sind.