Essen. In NRW haben Einkaufszentren zurzeit Hochkonjunktur: In Essen öffnet am 13. März Deutschlands größtes Innenstadt-Center. Die Händler sehen die Wettbewerbs-Entwicklung in den Stadtzentren aber auch mit Sorge.

„Deutschlandweit neue Maßstäbe“ will Jens Preißler, Manager vom Einkaufszentrum Limbecker Platz, in Essen setzen. 70 000 Quadratmeter Verkaufsfläche mit 200 Geschäften sollen täglich mehrere 10 000 Kunden anlocken. Die Eröffnung des ersten Bauabschnitts ist am 13. März. Preißler ist sich sicher: „Damit kommt Weltstadtflair ins Ruhrgebiet.“ Hinter dem Projekt - es ist das größte Innenstadt-Center Deutschlands - steht der Konzern ECE, nach eigenen Angaben europäischer Markführer auf dem Gebiet innerstädtischer Shopping-Center.

In den vergangenen Jahren hat Essens City umzingelt von Ruhrpark, Rhein-Ruhrzentrum und Centro Oberhausen als Einkaufstadt an Attraktivität immer mehr eingebüßt. Im Vergleich zu anderen Städten zieht Essen als so genanntes Oberzentrum zu wenige Kauflustige von außen an, wie bereits 2004 das Gutachten „Kommunales Einzelhandelskonzept Essen“ bescheinigte.

Die beliebtesten Einkaufsmeilen in NRW.
Die beliebtesten Einkaufsmeilen in NRW. © Unbekannt | Unbekannt





Mit dem neuen Einkaufscenter soll Essen wieder die Einkaufsstadt des Ruhrgebietes werden. Doch Bedenken bleiben: Verträgt Essen überhaupt noch weitere Einzelhandelsflächen? Welche Auswirkungen hat das neue Center innerhalb und außerhalb der Stadt?

Die Meinungen darüber gehen, seit das Projekt geplant ist, auseinander. Essens Einzelhandelsfläche beträgt momentan rund 830.000 Quadratmeter. Allein in der Innenstadt buhlen rund 800 Läden auf rund 300.000 Quadratmeter Fläche um die Gunst der Käufer.

Guido Zakrzewsky, bei der IHK Essen für den Bereich Einzelhandel zuständig, sieht in dem neuen Flächenzuwachs kein Problem „Das kann Essen verkraften.“ Schließlich kämen am Limbecker Platz netto nur 30 000 Quadratmeter dazu - zieht man von den gesamten 70 000 Quadratmetern die Fläche des Karstadt-Warenhauses ab, das schon vorher da war.

Doch Essens Bevölkerung schrumpft und altert. Mit negativen Auswirkungen auf die Kaufkraft, die im Moment über dem Bundesdurchschnitt liegt. In ihrer kürzlich veröffentlichten Studie kam die NordLB deshalb zu dem Schluss: In Essen sind allein durch die Bevölkerungsentwicklung mittelfristig 30 000 Quadratmeter Einzelhandelsfläche überflüssig.  

Erste Blicke in das Innere der neuen Shopping-Meile. Foto: Ulrich von Born/NRZ
Erste Blicke in das Innere der neuen Shopping-Meile. Foto: Ulrich von Born/NRZ © Ulrich von Born / NRZ | Ulrich von Born / NRZ





Das neue Einkaufcenter jedenfalls wird nicht ohne Auswirkungen auf die Essener Innenstadt bleiben. Bislang ist die Kettwiger Straße zwischen Bahnhof und Kornmarkt die beliebteste Einkaufsmeile in der Stadt. Sie gehört zu den Top Ten der Flanierstraßen in NRW, wie die Passantenzählung der Düsseldorfer Immobilienberatung Kempers ergab. Von dieser Anziehungskraft profitierte bislang auch das City Center am Rathaus. Der Geschäftsführer von Kempers, Andreas Siebert, warnt jedoch: Das neue Einkaufszentrum am Limbecker Platz werde sicher ein Erfolg, allerdings „nicht ohne Gefahr für die Innenstadt“.  Auch Guido Zakrzewsky räumt ein: „Verwerfungen sind nicht auszuschließen“.

Wettrüsten bei Einkaufscentern

Essen will sich als Einkaufsstadt wieder mausern – muss es vielleicht sogar. Denn die Städte ringsrum schlafen nicht. In Duisburg eröffnet dieses Jahr noch das Forum in der Innenstadt mit 50 000 Quadratmetern Shopping-Fläche. Und auch die ECE hat längst neue Projekte in der Schublade: Während in Essen die Vorbereitungen für die Eröffnung auf Hochtouren laufen, plant das Unternehmen weitere Einkaufs-Zentren im Ruhrgebiet. „In Dortmund würden wir gerne auf dem Gelände der ehemaligen Thier-Brauerei investieren, in Bochum planen wir gerade, in Leverkusen bauen wir, in Mönchengladbach möchten wir gerne“, zählt ECE-Sprecher Christian Saadhoff aktuelle Projekte auf.

Center-Manager Jens Preißler. Foto: Ulrich von Born/NRZ
Center-Manager Jens Preißler. Foto: Ulrich von Born/NRZ © Ulrich von Born / NRZ | Ulrich von Born / NRZ





Und auch in anderen Städten in NRW wird zurzeit fleißig geplant, gebaut und eröffnet. Dabei haben die Investoren auch immer wieder kleinere Städte wie Moers, Hattingen oder Neuss im Visier.

NRW erlebt derzeit ein regelrechtes Wettrüsten. So waren Anfang vorigen Jahres 15 neue Einkaufscenter mit fast 500.000 Quadratmeter geplant – so viel wie in keinem anderen Bundesland. Und das, obwohl NRW bundesweit bereits die meisten Einkaufstempel hat. 2007 waren es 59, wie der Shopping-Report des Einzelhandelsforschungsinstitutes EHI ausweist. 

Diese Entwicklung betrachtet der Einzelhandelsverband NRW mit Skepsis. „Bei einigen Projekten haben wir Bauchschmerzen, insbesondere wegen ihrer Größe“, betont Bereichsleiter Rainer Gallus. „Die Städte hoffen natürlich auf die Kunden aus dem Umland. Im Ruhrgebiet wird es aber schwierig, wenn die Nachbarstädte die gleichen Pläne haben.“ Peter Achten, Hauptgeschäftsführer des NRW-Verbandes, warnt vor gegenseitiger Kannibalisierung: „Bei real stagnierenden Umsätzen haben sich die Verkaufsflächen in NRW in den letzten 15 Jahren um mehr als ein Viertel erhöht.“

Bei der Planung von Einkaufszentren wird der Einzelhandelsverband zu Rate gezogen. „Wenn wir um Stellungnahme gebeten werden, versuchen wir, den Realitätsblick der Städte zu schärfen. Wir äußern Kritik, können aber nur Prognosen geben. Ob sich ein Einkaufszentrum rentiert, kann letztendlich nur die Zukunft zeigen“, betont Rainer Gallus vom Einzelhandelsverband NRW.

Neue Wege: weg von der grünen Wiese in die Innenstadt

Wichtig für den Verband ist vor allem die Einbindung des Projekts in bestehende Strukturen. Der Rheinische Einzelhandels- und Dienstleistungsverband hat darum eine Erklärung zur Integration innerstädtischer Einkaufszentren verfasst. „Diese stehen auf der einen Seite für die Chance nachhaltiger Attraktivitätssteigerungen des Standorts, bergen jedoch gleichzeitig die Gefahr, schädlich auf die gewachsenen innerstädtischen Strukturen zu wirken“, heißt es dort.

Der Verband fordert darum Politiker, Investoren, Betreiber und Verwaltungen auf, die Verkaufsflächen an die wirtschaftlichen Entwicklungen anzupassen. Die Baukörper sollen keine „Welt für sich sein“ und die vorhandenen Handelsstrukturen ergänzen, nicht ersetzen. „Es ist ganz wichtig, dass die geplante Einkaufszentren auch mit dem Einzelhandel diskutiert werden“, betont Rainer Gallus.

Das haben auch die Investoren erkannt. „Die Center laufen gut, wenn sie integriert sind“, betont ECE-Sprecher Christian Saadhoff. „Einkaufsstraße und Einkaufszentrum – das muss sich ergänzen. Für die Kunden macht erst die Kombination den Reiz aus.“

>>> Der erste Blick ins Einkaufsparadies

>>> Das neue Einkaufszentrum in Essen hat bereits im Vorfeld zu vielfältigen Diskussionen unter den DerWesten-Nutzern geführt. Lesen Sie einige Meinungen hier

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