Straelen. Kristina Baum aus Straelen möchte etwas gegen die Verschmutzung der Meere unternehmen. Deshalb plant sie ein Recyclingprojekt in Südafrika.

Kristina Baum hat sich nach ihrem Abitur verknallt – in Südafrika! Dort lebte und arbeitete die gebürtige Straelenerin ein ganzes Jahr lang. Doch irgendwann setzte sie die rosarote Brille ab und erblickte plötzlich ein riesiges Müllproblem. Einfach wegschauen wollte und konnte sie nicht. Also sprach sie mit den Menschen vor Ort, schrieb das Kinderbuch „Nur Müll“ und gründete schließlich den Verein „Tinyteenyhands“. Mit uns hat die „Plastikmama“, wie sie in dem Dorf mittlerweile genannt wird, über ihr Recyclingprojekt gesprochen. Denn dafür möchte die 23-Jährige schon bald wieder nach Südafrika reisen. Wenn alles gut geht…

Molo, Frau Baum!

Molo!

Sprechen Sie fließend isiXhosa, eine der elf Amtssprachen in Südafrika?

Nee, bei einem Gespräch unter Einheimischen im Taxi verstehe ich nur einzelne Wörter und frage mich dann, was der Esel mit dem Autounfall zu tun hat (lacht). Und ich selbst kann nur höflichen Smalltalk halten. Aber die Menschen freuen sich unglaublich, wenn sich Deutsche Mühe mit der Sprache geben. Wenn ich beispielsweise im Supermarkt „Danke“ auf isiXhosa sage, gibt’s direkt eine riesige Party.

Die Kinder in Südafrika machen vor, wie die Ecobricks mit Plastikmüll gefüllt werden sollen.
Die Kinder in Südafrika machen vor, wie die Ecobricks mit Plastikmüll gefüllt werden sollen. © Unbekannt | Kristina Baum

Wann sind Sie das erste Mal nach Südafrika gereist?

Ich wusste schon während des Abiturs, dass ich keine Lust darauf habe, sofort zu studieren. Ich wollte etwas von der Welt sehen, aber nicht einfach nur herumreisen. Das wäre nichts für mich gewesen. So bin ich auf den Freiwilligendienst des Deutschen Roten Kreuzes gestoßen, die verschiedene Entsendeorganisationen haben – unter anderem auch in Südafrika. Eine Ehemalige hat mir dann viel erzählt vom Leben und Projekt in Mankosi. Sie war Feuer und Flamme! Im September 2018 bin ich dann für ein Jahr dorthin geflogen.

War das nicht erst einmal ein Kulturschock?

Ich wurde extrem gut vorbereitet. Deshalb kam der Kulturschock erst, als ich wieder zurück in Deutschland war. In Südafrika selbst hatte ich die ersten Monate sowieso erst einmal eine rosarote Brille auf. Ich war total verliebt in alles! Erst als nach zwei, drei Monaten der Alltag einsetzte, kam in mir der Wunsch auf, mehr zu machen. Ich wollte nicht nur den Kindern in der Vorschule bei den Hausaufgaben helfen oder das Mittagessen kochen.

Sondern?

Die Idee kam mir, als ich eines Tages in meinem Zimmer lag und plötzlich eine riesengroße schwarze Rauchwolke sah. Ich dachte, das Nachbarhaus brennt und bin mit meiner Katze sofort rausgerannt. Aber der Nachbar stand seelenruhig vor seinem Haus und verbrannte seinen Müll. Erst dachte ich, das sei ein Einzelfall. Aber dann habe ich gesehen, dass auch mein fein säuberlich getrennter Müll nicht zu einer Mülldeponie gebracht wurde, sondern auf demselbem Haufen beim Nachbar landete.

Wie ging es dann weiter?

Es gibt dort eine Bildungslücke, was Plastik und Müll angeht. Viele Kinder zerreißen beispielsweise auch die Chipstüten in kleine Stücke und essen sie, weil daran noch die Geschmacksverstärker hängen. Deshalb habe ich erst einmal viel mit den Menschen über die Folgen von Plastikverschmutzung gesprochen. Später bin ich mit den Kindern zu den Stränden gegangen, um Müll zu sammeln. Das war ein großer Spaß, weil es für sie wie Ostereiersuchen war.

„Nur Müll“ heißt das Kinderbuch, das Kristina Baum geschrieben hat, um Kindern die Folgen von Plastikmüll im Meer zu erklären.
„Nur Müll“ heißt das Kinderbuch, das Kristina Baum geschrieben hat, um Kindern die Folgen von Plastikmüll im Meer zu erklären. © Unbekannt | Lucas Coersten

In dieser Zeit ist dann auch die Idee zu Ihrem Kinderbuch „Nur Müll“ entstanden?

Genau. Die Kinder hatten bislang immer nur gesehen, dass der Müll ins Meer fliegt und dann weg ist. Mit dem Buch wollte ich ihnen zeigen, wie viel Schaden das Plastik unter Wasser anrichtet. Später in Deutschland, als ich wegen Corona doch nicht zurück nach Südafrika fliegen und dort mein Fernstudium beginnen konnte, ist die Idee entstanden, das Buch professionell illustrieren zu lassen und in Deutsch sowie Englisch zu veröffentlichen. Der Erlös aus dem Verkauf fließt direkt in den Verein „Tinyteenyhands“.

Sie haben also nicht nur ein Kinderbuch, sondern auch noch einen Verein gegründet. Mit welchem Ziel?

Als ich den Verein Anfang 2020 in Deutschland gegründet habe, hatte ich den großen Traum, eine Recyclingfirma in Südafrika zu gründen. Das ist immer noch der Plan, aber damals war ich sehr naiv. Mittlerweile weiß ich, was alles schief gehen kann und bin realistischer geworden. Die Idee ist jetzt, dass wir vor Ort ein Pfandsystem mit Ecobricks aufbauen.

Was sind denn Ecobricks?

Das sind normale Zwei-Liter-Plastikflaschen, in die jeder mit einem Stock oder Kochlöffel sauberen und trockenen Plastikmüll stopfen kann. Das braucht zwar Zeit, aber in Mankosi liegt die Arbeitslosigkeit bei 80 Prozent. Die gefüllten Flaschen können die Menschen dann abgeben und erhalten dafür Geld. Das ist zwar nicht die optimalste Lösung, aber man kann mit diesen gefüllten Plastikflaschen kleinere Dinge wie einen Hocker oder auch größere Dinge wie Häuser bauen.

Wie soll es mit dem Projekt jetzt weitergehen?

Wenn alles gut geht, fliege ich im Februar für mindestens drei Monate nach Südafrika, um das Projekt weiter voranzutreiben. Gemeinsam mit meiner Projektpartnerin Khanyisa möchte ich die Menschen auf Veranstaltungen darüber informieren und ihnen in Workshops erklären, wie die Ecobricks gefüllt werden müssen. Außerdem müssen wir planen, wie das Projekt nachhaltig wird, also wie es auch funktioniert, wenn ich das Land wieder verlasse. Falls die Corona-Lage es nicht zulässt, dass ich fliege, machen wir alles digital.

Können Sie sich vorstellen, irgendwann nach Südafrika auszuwandern?

Südafrika ist ein tolles Land, aber auch ein Land mit vielen Problemen. Außerdem bin ich zu sehr Familienmenschen und könnte deshalb nicht für immer dort bleiben. Aber ich möchte den Menschen etwas zurückgeben, deshalb ist es ein toller Ort für den Start des Projekts. Denn wer weiß, vielleicht können wir das Projekt irgendwann noch auf andere Länder ausweiten.

Wir drücken die Daumen. Und sagen jetzt erst einmal Tschüss – wie heißt das auf isiXhosa?

Sobonana, das bedeutet aber eigentlich so viel wie „Man sieht sich“.

Sobonana!

>>> Der Verein „Tinyteenyhands“

Wie landet unser Müll eigentlich im Meer? Was kann jeder tun, um die Tiere des Meeres zu schützen? Auf der Internetseite des Vereins „Tinyteenyhands“ finden sich einige Informationen zum Thema Naturschutz sowie zur Möglichkeit des Spendens: www.tinyteenyhands.com

Das Kinderbuch „Nur Müll“ (oder auf Englisch „Only Trash“) eignet sich für Kinder ab drei Jahre und enthält nicht nur die spannende Geschichte von Musa, einem südafrikanischen Jungen, und Sam, einem kleinen Fisch, sondern auch viele nützliche Alltagstipps.

Um das Projekt weiter voranzubringen, würde sich der Verein über Kooperationen mit Unternehmen freuen. Beispielsweise gibt es die Möglichkeit, Buchspenden an Kindergärten zu organisieren oder einen Beach Clean-Up im Namen des Unternehmens durchzuführen. Kontakt zu Kristina Baum: 01578/9360688 oder tinyteenyhands@gmail.com