An Rhein und Ruhr. Der Verkauf von Plastiktüten ist von 2015 bis 2019 um 70 Prozent eingebrochen. Die Sache hat aber einen entscheidenden Haken, warnt der Nabu NRW.

Es sind Zahlen, die auf den ersten Blick Mut machen: Allein zwischen 2015 und 2019 hat der Handel die Ausgabe von Plastiktaschen bundesweit um fast 70 Prozent reduziert. Auch die EU-Vorgabe, bis Ende 2025 den Verbrauch von Kunststofftüten mittlerer Folienstärke (15 bis 50 Mikrometer) auf maximal 40 pro Person zu senken, ist längst erfüllt. Bereits 2016, nur ein Jahr nach Inkrafttreten der neuen EU-Richtlinie, erreichte der deutsche Handel das festgeschriebene Ziel. Damals lag der Pro-Kopf-Verbrauch bei 38, 2019 sogar nur noch bei 18 Plastiktüten.

Hintergrund dieser Entwicklung war ein Kompromiss zwischen Bundesumweltministerium und dem Handelsverband Deutschland (HDE). Das Ziel: Weniger Einweg-Plastiktüten und ein größerer Anreiz für Mehrweg-Varianten. 2015 einigten sich beide Seiten auf eine „freiwillige Selbstverpflichtung“. Seitdem bieten viele Händler Einweg-Plastiktaschen nicht mehr kostenlos an – Hygienebeutel in der Obst- und Gemüseabteilung und andere dünne Kunststofftüten ausgenommen. „Ein voller Erfolg“, bilanziert Carina Peretzke, Sprecherin des Handelsverbands NRW. „Der Handel hat gezeigt, dass er auch ohne ein gesetzliches Verbot einen bedeutenden Beitrag zum Umweltschutz leistet.“

Doch es gibt einen Haken, warnt der Naturschutzbund (Nabu) NRW: Es sei völlig unklar, ob die freiwillige Selbstverpflichtung tatsächlich zu einem Umdenken der Kunden geführt hat. Ebenso gut sei denkbar, dass zahlreiche Händler die Einweg-Plastiktüten einfach durch Einweg-Papiertüten ersetzt haben. Diese hätten zwar einen besseren Ruf, seien gesamtökologisch betrachtet aber sogar noch schädlicher als die Plastik-Variante. „Es fehlen entsprechende Daten zur Entwicklung des Papiertüten-Verbrauchs“, sagt Nabu-Sprecherin Birgit Königs. „Wir müssen doch wissen, wie sinnvoll die Maßnahme war oder ob lediglich eine Verlagerung auf Papiertüten stattgefunden hat.“

Viele Kunden wollen auf Einweg-Tüten nicht verzichten

Dass der Einwand des Nabu nicht unbegründet ist, zeigt ein Blick in die Region: „Auch am Niederrhein sind Plastiktüten häufig durch Papiertüten ersetzt worden“, räumt Doris Lewitzky, Geschäftsführerin des Handelsverbands Niederrhein, ein. Nahezu alle Einzelhändler im Kreis Wesel und Duisburg hätten sich in den vergangenen Jahren aber darum bemüht, auch umweltfreundlichere Verpackungen ins Sortiment mit aufzunehmen – insbesondere Stoffbeutel und andere Mehrweg-Taschen. „Vereinzelt werden auch Varianten aus Maniokstärke oder Maismehl angeführt,“ so Lewitzky.

Bei aller Kritik an Einweg-Tüten dürfe eines aber nicht außer Acht gelassen werden: „Es ist natürlich ein Service, den der Einzelhandel seinen Kunden anbietet“, erklärt Peretzke. „So können zum Beispiel Spontankäufe ohne Sorgen über den Transport getätigt werden.“ Als die meisten Plastiktüten ab 2016 im Kassenbereich vieler Geschäfte plötzlich nicht mehr kostenlos waren, sei diese Maßnahme bei manchen Kunden nicht nur auf Zuspruch gestoßen.

„Es sind zurzeit noch die Kunden, die eine Einweg-Verpackung vom Händler erwarten“, berichtet Lewitzky. „Hier müsste dann auch aufseiten der Kunden die Bereitschaft bestehen, selbst ihre Transportmöglichkeiten für die Einkäufe mitzubringen beziehungsweise die vom Händler angebotenen Mehrweg-Taschen zu erwerben.“ Nabu-Sprecherin Königs nimmt die Verbraucher ebenfalls mit in die Pflicht: „Das Mehrweg-Prinzip würde überall im Handel funktionieren, auch in der Obst- und Gemüseabteilung. Es gibt bereits Lösungen. Das ist aber abhängig vom Kundenverhalten.“

Verbot von Einweg-Plastiktüten: Einzelhandel übt Kritik

Die Politik ist bereits einen Schritt weiter. Ab Januar 2022 dürfen Einweg-Plastiktüten mit einer Wandstärke von 15 bis 50 Mikrometer nicht mehr verkauft werden. Eine Vorgabe, die im Einzelhandel auf wenig Gegenliebe stößt. Nach Erhebungen des HDE stelle ein Komplettverbot „unter Umweltgesichtspunkten keine notwendige Maßnahme dar“, so Lewitzky. Zum einen würden umweltfreundliche Einweg-Alternativen fehlen, zum anderen mache die Menge der verkauften Kunststofftüten nur ein Prozent des Kunststoffabfalls in Deutschland aus. Auch Peretzke spricht von „Symbolpolitik“ – zumal der Handel bereits weit unter dem Zielwert der EU liege.

Dem Nabu NRW geht das Verbot hingegen nicht weit genug. „Die Mehrfach-Nutzung aller Einkaufstüten muss das zentrale Ziel sein“, fordert Königs. Die Umweltorganisation setzt sich deshalb bundesweit für eine gesetzliche Abgabe auf alle Einwegtüten ein – unabhängig vom Material oder der Wandstärke. Zudem müsse - ähnlich wie für Plastiktaschen - ein verbindliches Reduktionsziel für Papiertüten beschlossen werden, inklusive verpflichtender Daten-Veröffentlichung.