An Rhein und Ruhr. Landeschef Lucassen kündigt die Zusammenarbeit mit dem Bochumer Kreisvorsitzenden Scheer auf. Der gilt als Strippenzieher und Anti-Flügel-Mann.
Wenige Wochen vor den Aufstellungsversammlungen für die Bundestagswahl nehmen die Grabenkämpfe in der NRW-AfD wieder an Härte zu. Der Landesvorsitzende Rüdiger Lucassen hat am Wochenende dem Bochumer Kreisverbandsvorsitzenden Markus Scheer die Zusammenarbeit aufgekündigt. Scheer gilt als einflussreicher Strippenzieher, der in der Partei jene Kräfte zurückgedrängt hat, die dem mittlerweile aufgelösten rechtsextremen „Flügel“ zuzuordnen ist.
In einem Schreiben an Scheer (liegt unserer Redaktion vor) wirft Lucassen dem Bochumer und seinem Umfeld „ehrenrührige“ Angriffe auf Mandatsträger und Funktionsträger in der Partei vor und bezichtigt ihn „aus dem Verborgenen neuen Unfrieden“ zu säen. Deswegen sehe er „keine Grundlage mehr für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit“. Mitte Dezember hatten sich Lucassen und Scheer nach Informationen unserer Redaktion Mitte Dezember nicht auf eine Konsensliste von Kandidaten für die Bundestagswahl einigen können.
Keine Berührungsängste mit Rechtsextremen
Lucassen bemüht sich seit der Übernahme des Landesvorsitzes im Jahr 2019 weitgehend vergeblich, den tief zerstrittenen Landesverband zu einigen. Inhaltliche Berührungsängste mit den etwa 1000 Parteimitgliedern, die vom Landesverfassungsschutz dem rechtsextremen Flügel zugeordnet werden, hat er nicht – im Gegenteil: Es müsse gelingen, „liberale- bis national-konservativ ausgerichtete Politik“ miteinander zu verbinden, schrieb Lucassen Ende Januar an die Mitglieder.
Im März vergangenen Jahres hatte Lucassen den „Flügel“ in der NRW-AfD aufgelöst. Dabei spielten jedoch lediglich strategische Erwägungen eine Rolle, wie er in dem Schreiben an Scheer offen einräumt. Strömungen wie der „Flügel“ oder die vergleichsweise gemäßigte „Alternative Mitte“ hätten den „Separatismus“ in der Partei vorangetrieben und „zerstörerisch“ gewirkt. „Deswegen habe ich Mitte März letzten Jahres die Auflösung des ‚Flügels‘ initiiert“, heißt es in dem Schreiben.
Gemeinsamer Auftritt mit Björn Höcke
Zuletzt hatten sich die parteiinternen Gegner von Lucassen an einem gemeinsamen Auftritt des Landesvorsitzenden mit Björn Höcke gerieben. Zusammen mit dem rechtsextremen Vorsitzenden des Thüringer Landesverbandes und „Flügel“-Anführer war Lucassen Anfang Dezember im westfälischen Höxter aufgetreten. Das Zerwürfnis mit Scheer wird den Streit vermutlich vertiefen: „Ohne Scheer wären wir längst Flügelland“, sagte ein Landtagsabgeordneter aus dem gemäßigten Lager unserer Redaktion.
Die NRW-AfD will am 27. und 28. Februar sowie am 6. und 7. März im „Wunderland“ in Kalkar ihre Listenkandidaten für die Bundestagswahl aufstellen. Als Spitzenkandidat soll Rüdiger Lucassen antreten, jedoch ist in der Partei auch die Rede davon, dass Martin Renner seinen Hut in den Ring werfen könnte, der bei der Bundestagswahl 2017 Spitzenkandidat war. Damals holte die Landespartei 9,4 Prozent. Seitdem sinkt der Zuspruch für die AfD in NRW kontinuierlich. Aktuell liegt sie in Umfragen bei sechs Prozent.