Essen. Christian Wiederhöft hebt die Jugendarbeit im Don Bosco Club auf eine neue Ebene. Anstellung gibt ihm endlich eine Perspektive für sein Leben.

Christian Wiederhöft sitzt auf den Barhockern an der Theke im Don Bosco Club in Essen-Borbeck. Er trägt einen Kapuzenpulli und eine schwarze Cap. Auf seiner linken Hand ist ein Musikschlüssel tätowiert. Er wirkt ausgeruht und zufrieden. Das war nicht immer so. "Ich wurde früher enorm vom Leben getreten", sagt er. Von der Verlobten verlassen, vorbelastet mit psychischen Problemen und durch leichte Behinderungen beeinträchtigt, hatte sich Christian selbst schon abgeschrieben.

Der 28-Jährige lebte jahrelang von Hartz IV, fühlte sich nie richtig angenommen. Durch den Don Bosco Club und die Freddy-Fischer-Initiative ist es nun anders geworden. "Hier fühle ich mich das erste mal im Leben wertgeschätzt", sagt der Essener. 

Jugendarbeit 2.0

Seit seiner Jugend besucht Christian bereits das Jugendzentrum in Essen-Borbeck. Ab dem 15. März ist er jedoch nicht mehr nur einfacher Besucher, sondern festes Teammitglied mit einer 25-Stunden-Stelle. "Wir haben Christians Talent im Umgang mit den Kindern hier erkannt und wollten ihm auch eine Perspektive für sein Leben geben", sagt Tom Jeckel, stellvertretender Leiter des Don Bosco Clubs. Er beschreibt den 28-Jährigen als "Medienprofi". In dieser Funktion soll auch der Schwerpunkt seiner Tätigkeit liegen: "Eine moderne Art der Jugendarbeit, Jugendarbeit 2.0."

Mit dem Musikvideo zu den Themen "Neue Balance" und "Mutstifter" veröffentlichte Christian erst vor Kurzem einen selbst komponierten Rap über die positiven Veränderungen, die die Corona-Pandemie mit sich bringt. "Die Natur erholt sich, die Luft regeneriert sich. Ich wollte, neben den vielen negativen Seiten der Pandemie zeigen, dass es auch positive Aspekte gibt", erklärt er die Idee hinter dem Projekt. 

Inspiriert von der Freddy Fischer Stiftung

Inspiriert wurde der junge Mann von dem Newsletter der Freddy Fischer Stiftung. "Jedes Jahr im Dezember veröffentliche ich ein Leit-Wort für das kommende Jahr. Das Leit-Motiv für 2021 lautet eben: Neue Balance", erklärt Freddy Fischer, Gründer und Namensgeber der Stiftung. Fischer ist seit 2006 Unterstützer des Don Bosco Clubs in Essen Borbeck und fand das Projekt von Christian "so spitze", dass er nun in die Förderung des 28-Jährigen mit einsteigen will und ihm einen Auto- und einen Drohnenführerschein finanziert sowie einen Finanzberater zur Seite stellt. "Für mich ist Christian ein Paradebeispiel der Neuen Balance", sagt Fischer. Er würde anderen Menschen Mut stiften, trotz vieler Widrigkeiten im Leben nicht aufzugeben. 

Auch im Don Bosco Club gilt Christian als Vorbild für viele der Jugendlichen, sagt Tom Jeckel. "Sie sehen durch ihn, dass man alles schaffen kann, wenn man nur an sich glaubt und den Mut nicht verliert."

Neue Perspektive im Don Bosco Club

Dabei wäre Christians Talent ohne Corona vielleicht gar nicht so sehr aufgefallen, gibt Jeckel zu. Während den Don Bosco Club vor der Pandemie über hundert Kinder täglich besucht haben, gibt es nun wenige Zeitfenster, in denen nur eine bestimmte Anzahl an Kindern das Jugendzentrum besuchen können. "Dadurch, dass es von der Anzahl der Kinder sehr überschaubar hier ist, haben wir aber auch mitbekommen, wie gut Christian mit ihnen umgehen kann", sagt Jeckel. Der 28-Jährige würde der Jugendarbeit im Don Bosco Club eine neue Perspektive geben, die bis dahin gefehlt hat.

"Für mich ist die Arbeit hier das Nonplusultra. Ich kann mich hier verwirklichen und das machen, was ich am besten kann", zeigt sich Christian von der Chance, die ihm gegeben wurde, begeistert. Das, was er am besten kann, ist "alles rund um die Musik". Innerhalb von nur einer Woche hat der Hobbymusiker den Text, die Melodie und das Video für das Lied "Neue Balance" fertiggestellt - und das ganz alleine. 

Mit viel Herzblut dabei

"Christian legt so viel Herzblut in das Komponieren und das Schreiben und er beherrscht zusätzlich die Technik noch so gut, dass er eine echte Bereicherung für einen neuen Weg der Jugendarbeit ist", ist sich Jeckel sicher. 

Mit einem neu eingerichteten Tonstudio im Don Bosco Club und einem professionellen Aufnahme- und Videoeequipment möchte der 28-Jährige ab Mitte März voll durchstarten. "Wir wollen Christian den Weg in eine nebenberufliche Selbstständigkeit ebnen", sagt Freddy Fischer. Dies scheint schon jetzt erfolgreich zu sein, denn die Stadt Essen hat bei dem 28-Jährigen bereits einen Imagefilm in Auftrag gegeben.

Geschichte von Johannes von Bosco

Das Herzensprojekt des jungen Mannes: "Die Geschichte von Don Johannes Bosco, anhand eines von mir komponierten Liedes, nacherzählen und an den originalen Schauplätzen in Turin das Musikvideo mit den Jugendlichen drehen", erklärt er. Der Text dafür ist schon längst geschrieben, die Flüge waren auch schon gebucht, "aber dann kam Corona und wir mussten das Projekt verschieben. Aber aufgeschoben ist nicht aufgehoben", zeigt sich Christian optimistisch. 

Bis dies soweit ist, arbeitet er an seiner Selbstständigkeit, denn sein großes Ziel ist es, von der Produktion von Liedern und Musikvideos irgendwann mal leben zu können. "Am allermeisten möchte ich aber irgendwann einfach nur mal richtig glücklich sein", sagt er.