Köln/Düsseldorf. Die zweite Klasse überfüllt, die erste Klasse leer: ein gewohntes Bild im Berufsverkehr. Der Verkehrsverbund Rhein-Sieg will das ändern.
Der Verkehrsverbund Rhein-Sieg (VRS) plant, die Erste-Klasse-Abteile ausgewählter S-Bahn-Linien zu Stoßzeiten für Pendler testweise freizugeben. Damit will der Verkehrsverbund, der die Städte Köln, Bonn und Leverkusen sowie das Umland bedient, die Abteile der zweiten Klasse entlasten, die im Berufsverkehr häufig überfüllt sind.
Das Pilotprojekt muss noch von der VRS-Versammlung abgesegnet werden, dann könnte es im Spätsommer losgehen. Zunächst ist der Test auf drei S-Bahnen beschränkt, die ausschließlich im VRS-Gebiet fahren: S12, S13 und S19. Auf den anderen S-Bahn-Linien und in Regionalzügen gilt die Klassengesellschaft weiterhin.
Bahnsteige zu kurz für längere Züge
"Wir sind an einer Kapazitätsgrenze angekommen", sagt VRS-Sprecher Holger Klein. Jedes Jahr steige die Zahl der Fahrgäste in VRS-Bahnen um sechs Prozent. "Wir würden gern mehr Züge einsetzen, aber das gibt die Infrastruktur nicht her." Auch längere Züge seien keine Option, dafür seien die Bahnsteige zu kurz.
Die Freigabe der ersten Klasse ermögliche es dem VRS, den Fahrgästen allein auf den drei Test-Linien 1,3 Millionen zusätzliche Sitzplätze anzubieten.
Kein vergleichbarer Test im VRR geplant
Der Verkehrsverbund Rhein-Ruhr (VRR), das VRS-Pendant im Ruhrgebiet, beobachtet das Pilotprojekt genau. Ein eigener Test sei aber bislang nicht geplant, sagt VRR-Sprecherin Sabine Tkatzik. Deshalb testet der VRS die Erste-Klasse-Freigabe auch nur auf Linien, die nicht ins VRR-Revier hineinreichen, wie etwa die S6 .
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Die Freigabe der ersten Klasse ist für die Betreiber auch eine finanzielle Frage: Der VRS hat im vergangenen Jahr nach eigenen Angaben insgesamt etwa eine halbe Million Euro an Erste-Klasse-Zuschlägen eingenommen. Ein Teil dieser Einnahmen fällt weg, wenn die erste Klasse freigegeben wird.
Wie viel Geld der VRR an Erste-Klasse-Kunden verdient, weiß das Unternehmen nach eigenen Angaben selbst nicht. Das liegt am Preissystem: Das Zusatzticket für die erste Klasse ist das gleiche wie für die Fahrradmitnahme. Was der Kunde letztendlich damit mache, sei für den VRR nicht ersichtlich, sagt Tkaktzik
Pro Bahn: VRR hat andere Preisstruktur
Lothar Ebbers, Sprecher des Fahrgast-Lobbyverbands Pro Bahn, hält das VRS-Projekt nicht auf das Ruhrgebiet übertragbar: "Die Erste-Klasse-Aufschläge im VRS sind viel höher als im VRR", sagt er. Zudem dürften die über 500.000 Inhaber des VRR-"Bärentickets" (Stand: 2014) die erste Klasse nutzen, für das vergleichbare Seniorenticket des VRS gelte das nicht. "Deshalb ist die erste Klasse in VRS-Bahnen häufig gähnend leer", sagt er.
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Ebbers bezweifelt, dass sich eine Freigabe nur zu Stoßzeiten durchsetzen lässt. Das erfordere sehr viele Kontrollen, zudem würden Zeitfahrkarten für die erste Klasse abgewertet, wenn sie nur noch außerhalb der Stoßzeiten Vorteile böten.
"Für den VRS ist die Freigabe eine praktikable Idee", sagt Ebbers, "aber der VRR täte gut daran, seine Erste-Klasse-Kundschaft nicht zu vergraulen.