Düsseldorf. Aufgrund der Wirtschaftskrise müssen in NRW immer mehr Menschen Privatinsolvenz beantragen. Vor allem in Kommunen mit hoher Arbeitslosigkeit steigt bei den Schuldnerberatungsstellen die Nachfrage. Betroffene müssen lange Wartezeiten in Kauf nehmen, ehe ihnen geholfen werden kann.
Aufgrund der Wirtschaftskrise müssen in Nordrhein-Westfalen immer mehr Menschen Privatinsolvenz beantragen. Nach Angaben des Statistischen Landesamts in Düsseldorf stieg die Zahl der sogenannten Verbraucherinsolvenzen in NRW im ersten Quartal 2009 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 7,1 Prozent auf 5947. Im Jahresrückblick wird ebenfalls ein rasanter Anstieg der Zahlen deutlich. Gab es bei der Einführung der Privatinsolvenz-Regelung 1999 noch 822 Verfahren, so waren es im vergangenen Jahr 23 004.
Auch bei den Schuldnerberatungsstellen der Verbraucherzentrale NRW werden aufgrund der aktuellen Krise immer mehr Nachfragen verzeichnet. «Die allgemeine Wirtschaftslage, die Tatsache, dass die Menschen weniger Geld in der Tasche haben und auch verstärkt Kurzarbeit gefahren wird, haben die Nachfrage bei uns anziehen lassen», sagt die Gruppenleiterin Kredit und Entschuldung bei der Verbraucherzentrale NRW, Iris van Eik.
„Fallzahlen steigen in jedem Jahr“
Laut van Eik herrscht vor allem in Kommunen, in denen es viele Arbeitslose gibt oder Firmen schließen müssen, eine große Nachfrage nach Hilfe durch die Schuldnerberatung. Dies sei unter anderem in Städten wie Bochum oder Gelsenkirchen zu beobachten. In Kommunen, denen es wirtschaftlich besser geht, sei die Nachfrage dagegen deutlich niedriger. Aufgrund der vielen Anfrage müssten die Betroffenen zudem lange Wartezeiten in Kauf nehmen, ehe ihnen geholfen werden kann.
Auch der Leiter der Schuldner- und Insolvenzberatungsstelle der Gemeinnützigen Arbeitsförderungsgesellschaft Gelsenkirchen (Gafög), Norbert Donner, bestätigt die Entwicklung. «Die Fallzahlen bei uns steigen in jedem Jahr», sagt er. So bearbeiteten seine neun Schuldnerberater derzeit pro Jahr 1200 Fälle - davon rund 500, in denen Personen Privatinsolvenz beantragen. Aufgrund der hohen Fallzahlen seien die Berater ausgelastet. Dennoch könne den Bürgern zugesagt werden, dass sie höchstens vier Wochen bis zu einem Beratungstermin warten müssen.
„Einkommensverfall bei Arbeitnehmern ist deutlich spürbar“
Nach Ansicht von Donner gerät etwa ein Drittel der anfragenden Bürger in Finanznot, weil es ihnen an «Finanzkompetenz» fehlt. «Viele können sich nicht vorstellen, welche finanzielle Belastung eine Unterschrift nach sich ziehen kann», betont er. Zwar sei der Anteil der Empfänger von Arbeitslosengeld II mit 40 bis 45 Prozent recht groß, doch der Anteil dieser Gruppe bliebe zumindest konstant. Dagegen sei der Anteil der Berufstätigen, die sich verschulden und finanzielle Probleme bekommen, auf rund 30 Prozent gestiegen. «Der Einkommensverfall bei Arbeitnehmern ist deutlich spürbar», sagt Donner.
Van Eik rät Betroffenen, frühzeitig bei den Schuldnerberatungen nachzufragen. Wer feststellt, dass sein Einkommen für Kredite ausgegeben wird und sich «existenzielle Aufwendungen» nicht mehr leisten kann, sollte mit dem Gang zur Beratungsstelle nicht lange warten.
Laut Familienministerium sind derzeit rund 200 Beratungsstellen für Privatinsolvenzen in NRW gemeldet. Das Land NRW fördert die Stellen mit über fünf Millionen Euro pro Jahr.
Info: Was ist eine Verbraucherinsolvenz?
Jede Privatperson kann eine sogenannte Privatinsolvenz (Verbraucherinsolvenz) anmelden, wenn sie überschuldet ist. Ein Verfahren kann unabhängig von der Höhe der Schulden beantragt werden. Voraussetzung ist, dass der Versuch einer außergerichtliche Einigung mit den Gläubigern gescheitert ist.
Das private Insolvenzverfahren dauert sechs Jahre. In dieser Zeit werden das Eigentum und das «pfändbare Gehalt» des Schuldners von einem Treuhänder verwaltet und an die Gläubiger verteilt. Nach sechs Jahren werden dem Schuldner die Restschulden erlassen.
Arbeitslose müssen sich „redlich bemühen“
Die Höhe des «pfändbaren Einkommens» hängt von der Höhe des Gehalts und von der Anzahl der im Haushalt lebenden unterhaltspflichtigen Personen ab. Damit soll gewährleistet werden, dass der Schuldner eine Mindestsumme seines Einkommens behalten kann, die er zum Leben braucht. Auch Vermögen, pfändbare Gegenstände, die der Schuldner nicht zwingend zum Leben braucht, Lebensversicherungen, Grund und Boden, Wertpapiere und ähnliches können «versilbert» und beschlagnahmt werden.
Wer keine Arbeit hat, muss sich während des Insolvenzverfahrens «redlich darum bemühen», und jeden Wohnort- und Arbeitswechsel melden. Wenn der Schuldner diesen Bedingungen nicht nachkommt, wird ihm die Restschuldbefreiung entzogen, und er bekommt eine zehnjährige Sperre für ein weiteres Insolvenzverfahren. (ddp)