Dortmund. Wolfgang Siegel erklärt „Fridays for Future“ aus Sicht eines Psychologen. Das fordert er von den Menschen, um die Klima-Probleme zu lösen.

An diesem Freitag ruft „Fridays for Future“ zur vierten Auflage des globalen Klimastreiks auf. Wolfgang Siegel, Psychologe aus Dortmund, findet das Engagement der Schüler und Jugendlichen gut. Im Interview spricht er über die Leugnung des Klimawandels, Lösungen des Problems, aktuelle Debatten und die Organisation „Psychologists for Future“.

Herr Siegel, es gab in den vergangenen Monaten zahlreiche Demonstrationen weltweit. Warum mobilisiert dieses Thema so sehr die Massen?

Die Klimaveränderung ist schon bedrohlich. Wenn man mal zurückblickt, was wir teilweise für heiße Sommer hatten. Das eine ist, was uns Wissenschaftler mitteilen: Zahlen zur Erderwärmung und ähnliches. Das andere ist das, was wir fühlen. Unser Gehirn bekommt Informationen und prüft, wie es mit diesen Reizen umgehen soll. Die Jugend sieht also dieses Problem heute klarer als in der Vergangenheit. Damit haben die Schüler auch Erwachsene angesteckt. Das Thema lässt sich nicht mehr wegschieben und ist nun in den Köpfen der Bevölkerung drin.


Neben „Scientists for Future“ und „Parents for Future“ gibt es auch „Psychologists for Future“. Was haben Psychologen mit dem Klimawandel zu tun?

Wir beschäftigen uns ja mit den Menschen und damit auch mit der Frage, was der Klimawandel mit einem macht. Die Realität ist im Bewusstsein vieler angekommen und kann nicht mehr unter den Teppich gekehrt werden. Seit Gründung der „Psychologists for Future“-Bewegung im Mai haben bereits mehr als 4200 Psychologen die Erklärung unterzeichnet. Es steckt aber auch noch vieles in den Kinderschuhen, bezogen auf demokratische Entscheidungen und Kommunikation.

Was sagen Sie Leuten, die den Klimawandel leugnen?

Wolfgang Siegel, Psychologe aus Dortmund, zollt Greta Thunberg für ihr Engagement Respekt. Foto: Ben Finley/dpa
Wolfgang Siegel, Psychologe aus Dortmund, zollt Greta Thunberg für ihr Engagement Respekt. Foto: Ben Finley/dpa © Unbekannt | Unbekannt

Gar nichts. Entweder, die Menschen haben ein Interesse mit mir zu reden. Dann frage ich, wie sie zu ihrer Ansicht kommen. Aber es bringt nichts, mit Leugnern über die Klimafrage zu diskutieren. Denn Streitereien verändern nichts – im Gegenteil: Die Fronten verhärten sich noch mehr.

Die Klimaaktivistin Greta Thunberg sagte auf dem Klimagipfel der Vereinten Nationen in New York, man habe ihre Träume und Kindheit gestohlen. War diese Aussage überzogen?

Ich möchte über sie nicht urteilen. Sie hat auf eine Bedrohung aufmerksam gemacht, ohne zu wissen, ob sie damit Erfolg hat – dafür gebührt ihr Respekt. Genauso wie allen anderen Jugendlichen, die regelmäßig auf die Straße zu gehen. Ich glaube, dass Greta bei dieser Rede viel mehr hochgekommen ist als der Klimawandel.

Was denn genau?

Das Gefühl, dass nicht für die Zukunft gearbeitet wird. Sichtbar wird, dass Politiker separate Interessen verfolgen und sich in den Vordergrund drängen. Dieses Gegeneinander verhindert ein gemeinsames Handeln. Was bei „Fridays for Future“ anders und für diese Altersgruppe auch irgendwie neu ist: Sie wollen in der Gemeinschaft etwas Sinnvolles machen.


Inwiefern wird der Klimawandel im alltäglichen Leben verdrängt?

Das große Problem ist, dass wir uns nicht 24 Stunden am Tag mit dem Thema befassen. Wir gehen arbeiten, brauchen Zeit zur Erholung oder müssen uns um unsere Angehörigen kümmern. Trotzdem ist vielen bewusst, dass wir mit unserem Handeln für den Klimawandel verantwortlich sind. In diesem Zusammenhang fällt mir ein Plakat von einer jungen Demonstrantin ein, die schrieb, dass wir eine Menschheit sind. Zusammenhalt ist die Lösung für das Problem. Wir müssen die Kreativität bündeln, um die Erderwärmung zu minimieren. Dafür braucht man einen Blick auf die gesamte Welt und keinen kleinkarierten Fokus auf die Einzelperson.