Bochum.. Die Heilige Barbara hat eine große Bedeutung im Bergbau. Wissenschaftler sagen: Sie diente nach dem Zweiten Weltkrieg als Marketinginstrument.
Bei Blitz- und Feuergefahren wird sie angerufen. Elektriker, Dachdecker und Sterbende erhoffen sich von ihr Schutz. Im Ruhrgebiet aber verehrt sie niemand so sehr wie die Bergleute: die Heilige Barbara. Knappenvereine und Museen halten bis heute das Brauchtum aufrecht. Mit zahlreichen Feiern und Umzügen begehen sie den 4. Dezember, den Tag zu Ehren der christlichen Märtyrerin des 3. Jahrhunderts, um die sich so viele Legenden ranken.
Tief unten im Schacht des Bottroper Bergwerks Prosper-Haniel steht ihr Bildnis auch heute noch. Eine Statue in einer Glasvitrine. Bis Ende 2018, wenn das letzte aktive Steinkohle-Bergwerk im Ruhrgebiet schließt, wird sie dort unten bleiben. Barbara, die Jungfrau, ist die einzige Dame in der Männerdomäne Bergbau. Als Schutzpatronin stiftet sie Segen, gibt Hoffnung.
Die Legende der Heiligen Barbara
Der Überlieferung nach stammt Barbara aus Nikomedia, der heutigen Stadt Izmit in der Türkei. In ihrer Jugend soll sie sich dem damals verfolgten Christentum angeschlossen haben. „Historisch ist die Barbara aber nicht belegt. Es gibt keine Quellen oder Überlieferungen, die auf ihre Existenz hinweisen“, sagt Dr. Michael Ganzelewski, Leiter der musealen Sammlung des Bergbau-Museums in Bochum. Schenkt man der „Legenda aurea“, einer mittelalterlichen Sammlung von Heiligengeschichten, Glauben, sperrte Barbaras erzürnter Vater seine christliche Tochter zur Strafe in einen hohen Turm. Doch selbst grausame Martern brachten sie nicht vom Glauben ab, sondern festigten ihn. Der Legende nach ließ sich Barbara sogar taufen. Ihr Vater beschloss daraufhin, seine Tochter zu töten. Kurz aber konnte sie vor ihm entkommen: Wie von Zauberhand soll sich ein Felsspalt geöffnet haben, um ihr ein Versteck vor den Verfolgern zu bieten. Verraten von einem Hirten aber wurde Barbara gefangen – und vom eigenen Vater eigenhändig enthauptet. „Ihr Vater wurde daraufhin vom Blitz getroffen als tödliche Strafe“, so Ganzelewski.
Eine blutige Geschichte, auf die eines der bekanntesten Barbara-Attribute zurückgeht: der kleine Turm, den sie bei vielen Darstellungen im Arm trägt. „Die katholische Kirche hat diese Legende aufgegriffen und die Barbara zur Schutzheiligen ernannt. Seit dem 12. Jahrhundert wird sie bereits in der katholischen Kirche und in den orthodoxen Kirchen verehrt“, erklärt Ganzelewski. Der Hinweis auf den Felsspalt, in dem Barbara der Legende nach Unterschlupf fand, machte sie schließlich zur Patronin der Bergleute.
Barbara als „Marketinginstrument“
Im Ruhrbergbau aber kam die Heiligenverehrung vergleichsweise spät an: „Losgegangen ist es erst in den frühen 50er Jahren“, so Ganzelewski. „Die Barbaratradition wurde mitgebracht durch Vertriebene oder Auswanderer aus Oberschlesien.“ Sie feierten erstmals Barbarafeste und schenkten dem katholischen Brauchtum besondere Beachtung. Bergbaubetrieben und Zechen kam das gerade recht: „Barbara war für sie eine Art Marketinginstrument“, sagt Ganzelewski schmunzelnd.
Nach dem Zweiten Weltkrieg hatten die Ruhrgebietszechen in ganz Deutschland massiv Anwerbungen betrieben. „Aus allen Himmelsrichtungen kamen Arbeiter ins Ruhrgebiet, die hier sesshaft werden mussten.“ Barbarafeste und die zu dieser Zeit neu gegründeten Knappenvereine halfen, sich einzuleben und heimisch zu werden. Die Heilige Barbara als Identitätsstiftung.
Rund um den Barbara-Tag am Sonntag, 4. Dezember, werden auch heute noch viele Knappenvereine der Region ihre Figuren durch die Straßen tragen. Feierliche Gottesdienste in Uniformen, Gesang und Beisammensein: Barbara-Feiern sind weiterhin die wichtigsten Ereignisse dieser Traditionsvereine. Auch im noch aktiven Bergbau wird das Brauchtum gepflegt. Die RAG richtet am Sonntag, 4. Dezember, eine öffentliche Barbara-Feier in der Maschinenhalle Zweckel, Frentroper Str. 74, in Gladbeck aus. Kumpel aller Glaubensrichtungen können dort teilnehmen: „Wir gestalten die Feier bewusst nicht in einer Kirche, sondern überkonfessionell“, so RAG-Sprecher Christof Beike.
Traditionsvereine mit Nachwuchssorgen
Als ehemaliger Bergmann hat auch Burkhard Liedtke „sechs oder sieben“ Barbara-Figuren Zuhause gesammelt. Sein schönstes Stück, sagt Liedtke, ist eine handgeschnitzte Barbarafigur aus Holz, „unbemalt, naturbelassen“. Ihr gebührt ein Ehrenplatz in seiner Sammlung. Der Geschäftsführer des Landesverbands der Berg- und Knappenvereine in NRW will das Brauchtum aufrecht erhalten, so lange es in Zeiten des Strukturwandels geht. Knappenvereine, sagt er, haben massive Nachwuchssorgen, freuen sich über jeden, der beitritt – auch über Mitglieder, die nie im Bergbau gearbeitet haben. Liedtke selbst aber hat früher noch auf Zeche geschuftet: Zehn Jahre lang war der heute 71-Jährige selbst unter Tage, später wurde er über Tage tätig – zuletzt auf Auguste Victoria.
Am Freitag, 9. Dezember, wird er die meisten alten Kumpel wiedersehen. Dann findet in Bochum der größte feierliche Barbara-Umzug statt. Organisiert wird er vom Deutschen Bergbau-Museum zusammen mit Liedtkes Landesverband der Berg- und Knappenvereine. Etwa 500 Bergknappen aus 40 Knappenvereinen, rund 30 Fahnenträger in Tracht und drei Spielmannszüge haben sich angekündigt. Ab 17.45 Uhr stellen sie sich vor dem Bergbaumuseum auf. Mit brennendem Geleucht ziehen sie über den Boulevard zur Propsteikirche.
Eingeführt wurde dieser Knappentag Ende der 90er Jahre vom Bergbau-Museum. In Zeiten des Strukturwandels führt die Bergparade auf der Straße vor Augen, welche Werte einst die Identität des Potts prägten: Gottvertrauen, Willensstärke, gegenseitige Hilfe in Krisen unter und über Tage. All das, wofür auch die Barbara symbolisch steht.