Essen. Es war Quotenhit und Gesprächsthema zugleich: Das RTL-Dschungelcamp. Über zwei Wochen rückten C-Promis in den Mittelpunkt. Die Sendung hat die menschliche Entwicklung nicht entscheidend vorangebracht, findet DerWesten-Autor James Brunt. Er hat alle Folgen gesehen. Rein beruflich natürlich.
Ja, ich gebe es zu. Ich habe sämtliche Ausgaben von „Ich bin ein Star – Holt mich hier raus!” von vorne bis hinten geguckt. Nein, nicht aus Spaß. Rein beruflich natürlich. Auch wenn im Kommentarbereich meiner Artikel der Verdacht geäußert wurde, bei meinem Namen handele es sich um ein Pseudonym. Ich kann Ihnen versichern, dass James Brunt nicht die DerWesten-Version von Allan Smithee ist, mit dem sich Redakteure von dem Trash-Format distanzieren wollen.
Selten hat eine Sendung die öffentliche Debatte um Kunst oder Schund derart präsent gemacht, wie es das Dschungelcamp in den vergangenen zwei Wochen tat. Einschaltquoten bei denen selbst Thomas Gottschalk selig an die gute alte Zeit zurück dachte, Kantinengespräche die kaum noch ein anderes Thema kannten bis hin zu einer Titelseite der „Taz” – die Sendung war allgegenwärtig, ob man das nun mag oder nicht.
Ob ich die Einschätzung der bereits erwähnten „Taz” teile, dass Bertolt Brecht das Dschungelcamp geguckt hätte , weiß ich nicht. Was jedoch festzuhalten ist: Die Sendung ist die logische Konsequenz der schnelllebigen TV-Welt, die ja beinahe wöchentlich neue Popbands, Sänger, Models, Designer oder sonstige mediale Eintagsfliegen produziert. Für diejenigen, die sich auf der Resterampe des Ruhms befinden, gibt es somit an sich nur zwei Möglichkeiten: „Das perfekte Promi-Dinner” oder eben „Ich bin ein Star – Holt mich hier raus!”. Wobei ein Gros der diesjährigen Camper ja das Kochen mit anderen C-Promis bereits hinter sich gebracht hat.
Tauschgeschäft auf Augenhöhe
Beide Sendungen bedienen auf Ihre Art den Voyeurismus des Zuschauers: „Wie lebt Promi XY?” „Ach, den gibt’s auch noch?” „War der nicht mal im Fernsehen?” Dabei bedient sich das Format des Dschungelcamps natürlich eindeutig niederer Instinkte, doch wenigstens bleibt es dabei ehrlich. Anders als beim Stallbruder „DSDS” wird hier gar nicht erst versucht zu suggerieren, dass die Intention der Sendung mehr als die Befriedigung der Sensationslust ist. Während die DSDS-Kandidaten sich häufig nicht bewusst sind, dass sie vorgeführt und lächerlich gemacht werden, wird aus dieser Absicht bei “Ich bin ein Star – Holt mich hier raus!” nie ein Hehl gemacht. Wie der geschätzte Kollege Marc Hippler bereits vor dem Beginn der Sendung so passend schrieb: „Eine Weile lang haben diese Menschen wie die Made im Speck gelebt. Nun leben sie eben mit den Maden.” Es ist halt ein Tauschgeschäft auf Augenhöhe: ein zweites laues Lüftchen für die verkorkste Karriere gegen die Aufgabe des letzten Restes an vermeintlicher künstlerischer Integrität.
Dabei waren die zwei Wochen nicht immer einfach zu überstehen. Hätte mich nicht bereits Jonathan Safran Foer von den Vorzügen einer fleischfreien Ernährung überzeugt , so hätte ich mich spätestens nach RTLs Tiergenozid mit dem Pürierstab dem Vegetarismus zugewandt. Mit welch seltsamer Mischung aus Ekel und bübischer Freude Jay Khan gequirlte Tierabfälle zu sich nahm, habe ich heute teilweise noch vor meinem geistigen Auge. Auch die Dschungelkönigin der Herzen hat die Nerven manchmal arg strapaziert. Doch nach dem schlechten Schauspiel von Jaydira habe ich sie mir in schwachen Momenten wieder ins Camp gewünscht. Und sei es nur für ihr unvergleichliches Englisch.
Neuronale Grundfunktionen noch intakt
Somit bin ich froh, dass ich die zwei Wochen mehr oder weniger unbeschadet überstanden habe. Den Dreisatz beherrsche ich immer noch (wenn auch nur leidlich), Genitiv und Dativ vermag ich trotz Sarah Knappiks sehr effizienter Grammatik voneinander zu unterscheiden und Mehlwürmer werden nicht in mein Kochrepertoire aufgenommen. Kurzum: die Sendung hat meine menschliche Entwicklung nicht entscheidend voran gebracht, sie hat aber meine Sozialisierung auch nicht um mehrere Jahre zurückgeworfen. Wer von Ihnen auch die Sendung komplett durchgehalten hat – und das auch noch vollkommen freiwillig – verdient die Höchstwertung von elf Sternen. Daher hier zum copy & pasten:
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(Wer die Dschungelprüfung verständlicherweise vorzeitig abgebrochen hat, markiert dementsprechend weniger Sterne.) Denn viel länger hätte zumindest ich es nicht mehr ausgehalten. “Ich bin kein Star – Ich höre jetzt auf!” wäre dann meine Devise gewesen.