Dortmunder verkaufte übers Internet "erfundene" Karten für die EM und das Pokalfinale für rund 150 000 Euro.Kunden zahlten in blindem Vertrauen bis zu 25 000 Euro. Und erhielten: gar nichts. Prozessauftakt in Bochum

Bochum. Die Leidenschaft von Fußballfans, die unbedingt ein Spiel der Europameisterschaft und das DFB-Pokalfinale BVB gegen Bayern sehen wollten, hatte sich ein 44-jähriger Dortmunder skrupellos zunutze gemacht. Vor dem Bochumer Landgericht gab er gestern zu, ab Mitte 2007 über 100 Käufer übers Ohr gehauen zu haben. Bei diversen Internetauktionshäusern hatten sie viel Geld an ihn überwiesen - bis zu 1040 E für eine Karte. Doch nachher warteten sie vergeblich auf die heiß begehrte Ware. Der Dortmunder besaß die verkauften Karten gar nicht.


Laut Anklage hatte er mit dieser Masche in nur wenigen Monaten über 150 000 E erbeutet. Das Geld will er großteils bei Pferdewetten im Wettbüro verpulvert haben. Mit einem der Buchmacher war er nach seinen vielen Wetten so gut bekannt, dass man sich bereits duzte. "Der legt immer richtig drauf", habe man über ihn in Wettkreisen gesagt, berichtet der Angeklagte, der auch im Casino die Beute verjubelt haben will.


Wegen der riesigen Nachfrage nach EM- und Pokalkarten hatten seine Online-Angebote sofort Erfolg. "Der Verkauf lief recht schnell und zügig", sagte der berufslose Mann vor der 1. Strafkammer. Jeweils mehrere hundert Euro je Karte überwiesen ihm die arglosen Kunden, die aus Deutschland, der Schweiz, Österreich und Holland kamen. Das krasseste Beispiel: Für 24 EM-Karten zahlte ein Österreicher 24 965 E - ohne jede Sicherheit. Die 533 E, die jemand für zwei Tickets fürs DFB-Pokalfinale hinblätterte, wirken da fast schon läppisch.


Der Angeklagte hatte extra auf so einen Hit wie BVB gegen München gehofft. "Das ist deshalb von Bedeutung, weil es viele fußballverrückte Dortmunder und Bayern gibt. Die zahlen jeden Preis." Richter Josef Große Feldhaus: "Dortmund gegen Bayern in Berlin war der Schlager schlechthin."


Um seine Identität zu verschleiern, soll der Angeklagte die Zahlungen der Kunden auf ein Konto eines Bekannten (52) aus Bochum geleitet haben, der auch seine Versteigerungsadresse und seine Personalien zur Verfügung gestellt haben soll.


Mit seiner Beute ging der Angeklagte sehr verschwenderisch um. Gut 30 000 E im Monat benötigte er für seinen Lebensunterhalt inklusive Wetten, hieß es. Pro Tag hob er bis 5000 E auf einen Schlag ab. "Das Geld, das reinkam, ging sofort wieder raus." Falls er aber einmal aufs falsche Pferd gesetzt und ein kleines Vermögen verspielt hatte ("Schicksal"), war dies kein Problem. "Ich wusste: Am nächsten Tag gab es neues Geld." Im Internet trat er zuletzt als "Powerseller" auf, als Vielverkäufer.


Im Frühjahr 2008 kam in ihm aber "das Gespür" auf: "Die Luft wird dünner." Es hatte Beschwerden von Kunden gegeben, die trotz Bezahlung keine Karten erhielten. Im Mai wurde er dann verhaftet. Es ging ab in die U-Haft nach Bochum. Gut vier Monate später kam er wieder frei.


Ein Urteil folgt noch. Es droht eine lange Gefängnisstrafe. Zumal der Mann wegen Betruges bereits massiv vorbestraft ist. Er saß auch schon mal im Knast.