Ruhrgebiet. Die Nachfrage nach Grippeimpfungen ist groß. Arztpraxen und Apotheken melden bereits Engpässe. Wer sich jetzt unbedingt impfen lassen sollte.
- Seit Anfang Oktober dürfen Hausärztinnen und Hausärzte den Grippeimpfstoff an gesetzlich Versicherte verabreichen. Nun treten Engpässe auf.
- Ärzte und Apotheker führen die Knappheit auf Lieferschwierigkeiten und eine gestiegene Nachfrage zurück.
- Apotheker in NRW gehen davon aus, dass sich die Lage Anfang November beruhigt. Laut Bundesregierung stehen 27 Millionen Grippe-Impfdosen zur Verfügung.
- Für Menschen über 60 Jahre empfiehlt die Stiko eine Impfung mit dem Hochdosis-Impfstoff Efluelda.
Die Grippesaison 2021/22 hat begonnen, Bundesgesundheitsminister Jens Spahn rät mit Nachdruck zur Impfung. Nun melden erste Arztpraxen an Rhein und Ruhr, dass ihnen der Grippeimpfstoff fehlt. „Derzeit kann der pharmazeutische Großhandel nicht alle Bestellungen der Apotheken bedienen“, sagt Thomas Preis, Vorsitzender des Apothekerverbands Nordrhein. Bei einzelnen Grippeimpfstoffen seien weder einzeln verpackte Impfungen für Privatpatienten noch Großpackungen für die Arztpraxen lieferbar.
Grund für die Knappheit sei die Auslieferung der Impfstoffe, die etappenweise erfolgt. „Deswegen kommt es vorübergehend zu einem Engpass bei den Impfstoffen“, erklärt Thomas Preis. Einen solchen Engpass gebe es zu Beginn jeder Grippesaison. „In den meisten Fällen können die Apotheken aber alternative Impfstoffe anbieten.“
Oliver Funken, Vorsitzender des Hausärzteverbands Nordrhein, führt den Engpass auch auf eine gestiegene Nachfrage zurück. So rät das Bundesgesundheitsministerium in diesem Jahr aufgrund der Corona-Pandemie verstärkt zu einer Grippeimpfung. Oliver Funken geht daher von einer Überforderung der Groß- und Zwischenhändler aus. „Hinzu kommt die Ausweitung der Grippeimpfung in den Apotheken“, sagt er. AOK-Versicherte können sich mittlerweile in rund 500 nordrheinischen Apotheken und in rund 700 Apotheken in Westfalen-Lippe impfen lassen.
Grund zur Beunruhigung gebe es allerdings nicht. Thomas Preis vom Apothekerverband Nordrhein rechnet damit, dass spätestens Anfang November alle Impfstoffe zur Verfügung stehen werden. Die Grippewelle trete für gewöhnlich ab dem Jahreswechsel auf. Bis die Impfung ihren vollständigen Schutz entfalte, dauere es etwa zwei Wochen. Preis: „Auch wer erst im November geimpft wird, ist rechtzeitig bis Ende des Jahres geschützt.“
Auch die Kassenärztliche Vereinigung Nordrhein (KVNO) erwartet nach eigenen Angaben „keine flächendeckenden und dauerhaften Engpässe bei der Verfügbarkeit der Impfstoffe“. Zwar gebe es erst Anfang 2022 belastbare Zahlen, wie viele Menschen die Grippeimpfung in Anspruch genommen haben. Nach bisherigen Rückmeldungen würden Arztpraxen und Apotheken in der Region aber nicht „überrannt“.
Impfstoff-Engpass zeigt großes Interesse an einer Grippeschutzimpfung
In der derzeitigen Impfstoff-Knappheit sieht Thomas Preis auch ein gutes Zeichen, denn sie zeige das große Interesse der Menschen, sich vor einer Grippe-Infektion zu schützen: „Es ist begrüßenswert, dass jetzt alle Ärzte, Apotheker und das Gesundheitsministerium auf die Grippeimpfung aufmerksam machen“, sagt er. „Alle rufen zur Impfung auf, und das ist gut.“
Die Ständige Impfkommission (Stiko) empfiehlt allen Menschen über 60 Jahre sowie chronisch Kranken und Schwangeren eine Impfung gegen das Grippevirus. Auch Menschen, die viel Personenkontakt haben, wird eine Impfung empfohlen. Dazu gehören zum Beispiel Kassiererinnen und Kassierer sowie Pflegekräfte.
Hausärztinnen und Hausärzte dürfen gesetzlich versicherte Patientinnen und Patienten ab Oktober gegen das Influenza-Virus impfen. Eine frühere Verabreichung ist laut Apotheker Thomas Preis ohnehin nicht sinnvoll. So sei die Impfung nur etwa sechs Monate voll wirksam. Die Grippesaison dauere etwa bis März.
„Insbesondere die vulnerable Bevölkerung sollte sich unbedingt gegen das Grippevirus impfen lassen“, rät Hausarzt Oliver Funken. So könnte die Koexistenz einer Corona- und einer Grippe-Erkrankung „äußert unangenehm sein“. Selbst wer gegen Covid-19 geimpft sei, habe ein Restrisiko, wenn auch für einen milderen Verlauf, sagt Funken. Infiziere sich ein Patient gleichzeitig mit dem Corona- und dem Influenza-Virus, könne es „doppelt gefährlich“ werden.
Grippeimpfung: 27 Millionen Dosen stehen zur Verfügung
Bereits im vergangenen Winter haben sich mehr Menschen für eine Grippeimpfung entschieden. 22 Millionen Menschen ließen sich laut Bundesregierung impfen – so viele wie nie zuvor. „Die Bereitschaft, sich gegen das Grippevirus impfen zu lassen, war deutlich höher als vor der Corona-Pandemie“, bestätigt Apotheker Thomas Preis. „Und dennoch hatten wir am Ende der Saison Impfdosen übrig.“ Sorgen, dass in diesem Jahr nicht ausreichend Impfstoff zur Verfügung steht, seien daher unberechtigt, so der Vorsitzende des Apothekerverbands Nordrhein. Insgesamt stehen laut der Bundesregierung in diesem Jahr 27 Millionen Grippe-Impfdosen zur Verfügung.
Für Menschen, die älter sind als 60 Jahre, empfiehlt die Stiko ab dieser Saison eine Impfung mit dem Hochdosis-Impfstoff Efluelda. Allein von diesem Impfstoff könnten die Apotheken in Deutschland mehr als zehn Millionen Dosen ausliefern, sagt Thomas Preis. Knapp neun Millionen Menschen über 60 ließen sich in der Saison 2019/2020 impfen. „Daher sollten die etwa zehn Millionen Dosen von Efluelda reichen.“
Der Hochdosis-Impfstoff des Herstellers Sanofi enthält laut dem Chef der Apothekerverbands Nordrhein die vierfache Antigen-Menge und ist dementsprechend viermal so stark wie die Impfstoffe, die bisher verwendet wurden. Ältere Menschen, die oftmals eine schwächere Immunantwort hätten, könnten so besser vor einer Erkrankung geschützt werden. Generell sei bei der Impfquote der über 60-Jährigen aber „noch Luft nach oben“, sagt Preis. In der vorletzten Saison habe die Impfquote bei 38,8 Prozent gelegen. „Wünschenswert wäre eine Impfquote von 75 Prozent.“
Grippe-Impfung: Impfreaktionen sind „ganz normal“
Allgemeinmediziner Michael Wefelnberg zieht ein erstes positives Zwischenfazit: „Die Grippeschutzimpfungen laufen bei uns sehr gut an“, so der Internist, der drei Hausarztpraxen in Dinslaken, Hünxe und Bruckhausen betreibt. „Die Bereitschaft der Menschen, sich impfen zu lassen, ist noch einmal höher als letztes Jahr.“ Die zweite Impfcharge sei bereits geordert. „Durch die Pandemie ist das Thema Impfen bei den Menschen in den Fokus gerückt.“
Von gravierenden Impfreaktionen habe der Arzt bislang noch nichts gehört. „Die Menschen informieren sich mittlerweile mehr über die Impfungen und verstehen, was der Körper so durchmacht während einer Impfung. Das Immunsystem reagiert nun einmal, weil der Körper Antikörper bildet“, erklärt Wefelnberg. „Das ist jedoch ganz normal.“