Düsseldorf. Am 11. April 1996 sterben bei einem Brand am Düsseldorfer Flughafen 17 Menschen. Ein Feuerwehrmann erinnert sich an die Katastrophe.
Am 11. April 1996 ertönt um 15.59 Uhr in der Feuerwache 3 in Düsseldorf-Derendorf der Vierfach-Gong. Einsatzalarm. Es geht zum Flughafen. Mario Heinen und seine diensthabenden Kollegen eilen zu ihren Fahrzeugen.
Heinen ist damals 34, bei der Berufsfeuerwehr ist er schon seit 1980. Er ist in einem Angriffstrupp, den Kräften, die als erste in brennende Gebäude hineingehen. Als er sich hinten im Löschgruppenfahrzeug einsatzfertig macht, geschieht das routiniert und unaufgeregt. Wenn zu Einsätzen in Großobjekten gerufen wird, ist das ohnehin häufig nur ein Fehlalarm.
Als der Feuerwehrwagen acht Minuten später am Flughafen eintrifft, sieht Heinen sofort: Es ist ernst, es ist schlimm. Wie schlimm, wird im Laufe des Einsatzes erst richtig klar. Oberbrandmeister Heinen und seine Kollegen werden in eine der folgenreichsten Brandkatastrophe der Nachkriegsgeschichte hineingeschickt. Sie wird 17 Menschen das Leben kosten.
Der Flughafenbrand in Düsseldorf 1996: 17 Menschen starben
Einige Stunden zuvor haben gegen 13 Uhr zwei Arbeiter in der Ankunftsebene des Terminal A an einer Dehnungsfuge oberhalb eines Blumenladens mit Schweißarbeiten begonnen. Eine Brandwache gibt es nicht, ihre Firma hat die Arbeiten nicht angemeldet. In der Zwischendecke ist in den siebziger Jahren wider alle Bauvorschriften Schaumpolystyrol zur Isolierung eingezogen worden. Eine Sprinkleranlage hat der Flughafen nicht. In den Platten breitet sich unbemerkt ein Schwelbrand aus.
Das Feuer breitet sich explosionsartig aus
Um 15.31 Uhr meldet ein Taxifahrer Funkenflug. Einsatzkräfte der Flughafenfeuerwehr treffen kurze Zeit später ein, fordern die Schweißer auf, ihre Arbeiten einzustellen. Zu spät. Gegen 15.50 Uhr kommt es zu einer Durchzündung, binnen Sekunden breitet sich das Feuer explosionsartig aus. Erst um 15.55 Uhr wird Brandalarm ausgelöst.
Die Düsseldorfer Berufsfeuerwehr ist zu dieser Zeit stark unterbesetzt. Auf dem Löschfahrzeug von Mario Heinen sitzen gerade einmal vier Feuerwehrleute. „Wir waren die ersten Kräfte, die vor Ort waren“, erinnert sich Heinen, heute 59 und Brandoberinspektor.
Das Flughafengebäude ist bereits in dichten schwarzen Qualm gehüllt. Es dauert einige Minuten, bis sie in den Flughafen hereinkommen, davor herrscht schon Chaos. Menschen fliehen nach draußen, der Verkehr auf den Zufahrtsstraßen bricht wegen des Rauchs zusammen. Heinen und sein Kollege löschen zunächst unter Atemschutz einen gewaltigen Brand in einem Bistro beim Terminal B. „Dass der ganze Flughafen brennt, war uns nicht klar. Auch nicht, dass Menschen zu Schaden gekommen waren.“
Draußen treffen jetzt im Minutentakt neue Einsatzkräfte ein, über Tausend sind in der Spitze. Sie werden durch das Chaos auf den Straßen behindert. Der Flughafenbetrieb wird viel zu spät eingestellt, als auf dem Rollfeld bereits panische Menschen und Helfer umherlaufen, fahren dort noch immer Flugzeuge. Der Lärm der Turbinen macht die Verständigung zwischen den Einsatzkräften schwierig. In dem Gebäude spielen sich Dramen ab. Es gibt zu wenige Fluchttüren. Die Klimaanlage läuft weiter und verteilt den Rauch im gesamten Flughafen. Die Aufzüge werden nicht abgestellt.
In einem sterben fünf Menschen, darunter ein Vater und sein sechsjähriger Sohn. Ihr Aufzug, mit dem sie ahnungslos vom Parkhaus nach unten in die Ankunftshalle gefahren sind, schließt nicht mehr, die Lichtschranke blockiert wegen des Rauchs. In einem anderen Aufzug finden die Helfer zwei Tote. In der Lounge der Air France ersticken acht Menschen, ein Mann kann sich retten, indem er mit einem Sessel die Glaswand zerstört und in die Tiefe springt. Auf einer Toilette wird ein weiteres Opfer gefunden.
Ein Geschäftsmann aus Dresden hat unwahrscheinliches Glück. Er wird in der Lufthansa-Lounge vergessen, ruft mit seinem Mobiltelefon seine Sekretärin in Dresden an und kann gerettet werden.
30 Minuten ohne Funkkontakt
Auch Brandmeister Mario Heinen und sein Kollege suchen nach Opfern. In einem unübersichtlichen Gebäude, das sie nicht kennen, für das es kein Kartenmaterial gibt. „Alles war pechschwarz, alles war verqualmt und wir wussten, hinter jeder Tür, die wir öffnen, könnten Leute liegen.“ Er ist bis heute froh, dass sie damals keine Toten auffinden. Sie selbst geraten aber auch in eine brenzlige Situation. Als sie im S-Bahnhof unter dem Flughafen nach Vermissten suchen, bricht der Funkkontakt ab. „Wir galten eine Pressluftlänge als verschollen.“ Eine Pressluftlänge, das sind 30 Minuten. Um 20.42 Uhr werden die letzten Toten geborgen.
Mario Heinen und seine Kollegen haben noch bis zum nächsten Morgen um sieben Uhr Dienst. „Wir haben auf der Wache noch lange miteinander geredet. Auf allen Wachen haben die Kameraden lange miteinander geredet.“
Eine Milliarde D-Mark Schaden
Die Katastrophe verursacht einen Schaden von einer Milliarde D-Mark. Der Wiederaufbau des Flughafens dauert Jahre. Im April 1998 wird der neue Terminal A eröffnet, drei Jahre später Terminal B. „Der Düsseldorfer Flughafen ist heute Vorreiter beim Brandschutz in öffentlichen Gebäuden“, sagt Geschäftsführer Michael Hanné. 2001 wird der Prozess gegen die Schweißer, die Architekten und die Verantwortlichen von Flughafen und Feuerwehr nach fünf Jahren gegen die Zahlung von Geldbußen eingestellt. Die Feuerwehr Düsseldorf ist seit der Katastrophe personell aufgestockt worden, hat Pläne von allen großen Gebäuden der Stadt und führt regelmäßige Übungen mit der Flughafen-Feuerwehr durch.
Mario Heinen wird in wenigen Wochen in den Ruhestand gehen. Wenn er Urlaub macht, sagt er, überprüft er jedes Hotel genau. „Ich schaue immer, wie ich rauskomme, wenn es brennt.“