Goch. Eselbauer Frank Noppert bietet in Goch seit zehn Jahren Wanderungen mit seinen Lieblingstieren an. Die haben eine besondere Wirkung auf Menschen.
Zügigen Schrittes geht’s über die Einfahrt, unter den Füßen knirscht der Kies. Noch eben die E-Mails auf dem Smartphone checken, dann an der Haustür klingeln. Und warten. Nichts regt sich. Wieder schnell das Handy zücken, die Uhrzeit überprüfen. Stimmt alles. Im nächsten Augenblick ertönt von irgendwoher „Hallo, einmal um die Ecke!“ Also geht’s hastig ums kleine Fachwerkhaus herum. „Ich ziehe mir nur noch eben die richtigen Klamotten an.“ Alles klar. Damit bleibt etwas Zeit, den Grund unseres Besuchs schon mal aus der Ferne zu betrachten. Esel, die in aller Seelenruhe auf einer saftiggrünen Wiese grasen. Und bei diesem Anblick fällt plötzlich der ganze Alltagsstress ab. Hier, mitten im Nirgendwo, ist Ruhe angesagt.
Und Ruhe, die verströmt auch Frank Noppert. Der Eselbauer ist nach wenigen Minuten startbereit und führt uns langsamen Schrittes zu seinen Tieren. Seine Liebe zu Eseln hat er bereits im Alter von vier Jahren entdeckt. „Ich habe mit einem Esel gekuschelt und war verliebt. Was das über mich aussagt, sei mal dahin gestellt“, erzählt er und lacht. Im Erwachsenenalter aber blieb keine Zeit für seine Leidenschaft, er wohnte „überall und nirgendwo“. Bis er eines Tages ein großes Grundstück in Goch fand, nur vier Kilometer von der niederländischen Grenze entfernt. „Da dachte ich mir, wenn nicht jetzt, dann nie.“ Und weil „nie“ keine Option war, kaufte er sich seine ersten beiden Esel. Socrates und Armin.
Esel lieben das Kuscheln
Zehn Jahre ist das nun her. Mittlerweile gehören Frank Noppert sechs Esel, die regelmäßig mit Gästen auf Wanderschaft gehen. Doch bevor ein solcher Spaziergang startet, erhalten Besucherinnen und Besucher zunächst einmal eine kleine Einführung in die Eselogie. Kein Scherz. „Esel sind sehr sensibel und intelligent“, erklärt der Eselbauer. „Aber sie sind auch Herdentiere.“ Das ist wichtig zu wissen, wie sich schon so manches Mal in der Praxis gezeigt hat. „Eine Frau musste mal Pipi und hat sich von der Gruppe entfernt. Daraufhin wollte ein Esel nicht mehr weitergehen“, erzählt er. Wieso? Na, weil ein Teil der Herde fehlte. „Das hat der Esel gemerkt.“ Von wegen also störrisch.
Aber es gibt noch mehr zu wissen. Zum Beispiel, dass Esel nicht mit der Hand gefüttert werden möchten. Und dass sie es lieben, gekuschelt und gebürstet zu werden. Perfekt, gerade für kleinere Kinder. „Mit Pferden ist das etwas ganz anderes“, betont Frank Noppert. Und auch die Körpersprache ist von Eseln eine andere als die von Pferden. Das zeigt der Experte direkt am lebenden Beispiel und holt Esel Socrates von der Wiese. „Jetzt legt er die Ohren zurück, bei Pferden ist das etwas Schlechtes. Bei Eseln, dass sie sich wohl fühlen.“ Ein Glück, denn mit Socrates geht’s gleich eine kleine Runde an der Niers entlang. Vorher müssen sich Tier und Mensch aber noch etwas besser kennenlernen.
Spazierengehen fürs Selbstbewusstsein
„Halt die Leine ganz kurz, auf zehn Zentimeter“, ruft Frank Noppert. „Und jetzt sagst du ‘Komm!’ und gehst mit ihm eine Testrunde.“ Einfach so? Ja, einfach so. Die anfängliche Nervosität ist jedoch schnell verflogen, der Esel trottet gelassen mit. Aber wie halten wir an? „Du bleibst vor ihm stehen, schaust ihn nicht direkt an und rufst ‘Ho!’“ Tatsächlich bleibt Socrates stehen. „Und jetzt kannst du ‘Lecker!’ sagen, dann darf er fressen.“ Gehorsam beugt sich das Tier herunter und mampft ein paar Grashalme. „Du muss mit den Kommandos konsequent sein und darfst nicht anfangen, mit dem Tier zu diskutieren“, erklärt der Eselbauer. „Ansonsten weißt du nie, wie lange eine Eselwanderung dauert.“
Prinzipiell ist das ja nicht schlimm… jegliches Zeitgefühl ist sowieso längst verschwunden und das Smartphone ganz weit unten in der Tasche vergraben. Ein Phänomen, das Frank Noppert bei vielen seiner Gäste beobachtet: „Die Erwachsenen haben immer Dauerstress und starten die Eselwanderung ganz angespannt.“ Wenn sie aber zurückkommen, hat sich die geballte Faust in eine lockere Hand verwandelt. Und die Kinder? „Können plötzlich mehrere Kilometer laufen, ohne sich zu beschweren.“ Und noch einen Effekt bekommt er häufig zu sehen: „Sie bekommen einen richtigen Selbstbewusstseinsschub.“
Abschiednehmen fällt schwer
So einen Esel zu führen, ist auch einfach eine tolle Sache. Deshalb geht’s jetzt durch ein Tor, hinter dem idyllisch die Niers gelegen ist. Langsam laufen wir den Weg entlang, lassen zwei Spaziergänger überholen. Nur nicht zu schnell. „Das ist Eseltempo“, sagt Frank Noppert und grinst. Tut irgendwie richtig gut, sich bewusst Zeit zu nehmen und die Natur zu betrachten. Oder sich zwischendurch eine kurze Kuscheleinheit abzuholen, die fordert Socrates zumindest ein. Irgendwann drehen wir wieder um, verpassen fast das Tor zum Hof. Aber der Esel weiß Bescheid und bleibt stehen. Achja, hier ist es ja schon.
Socrates bekommt eine Belohnung, weil er wieder so super mitgemacht hat. Und wir eine Bürste, um ihn ein letztes Mal so richtig zu verwöhnen. Dann heißt es Abschied nehmen. Das fällt gerade Kindern immer schwer, erzählt Frank Noppert: „Ein Mädchen wollte einen der kleineren Esel in den Kofferraum packen und mitnehmen.“ Geht natürlich nicht, sehr schade. Deshalb heißt es nun: Tschüss, Socrates! Damit geht’s zurück über die Wiese und hoch zur Kiesauffahrt. Ganz langsam, im besten Eseltempo.
>>> Tag des offenen Stalls
Zum zehnjährigen Jubiläum öffnet Frank Noppert am Sonntag, 4. Juli, ab 10 Uhr die Türen seines Stalls. Der Eselbauer führt in die Eselogie ein und nimmt anschließend mit auf einen Spaziergang mit den Tieren.
Der Eintritt kostet zehn Euro für Erwachsene und fünf Euro für Kinder. Der Erlös geht an eine Eselauffangstation in Spanien. Anmeldungen sind schon jetzt möglich über www.dereselbauer.de