Essen. Ein Beamter der Essener Zulassungsstelle steht vor Gericht, weil er gegen Schmiergeld schnelle und unbürokratische Hilfe versprach.
Schnell und unbürokratisch half der 45 Jahre alte Beamte der Stadt Essen Autohändlern bei der Zulassung von Kfz. Seit Dienstag steht er vor dem Landgericht Essen, weil er sich von ihnen für seinen Service bezahlen ließ. Bestechlichkeit in 345 Fällen wirft Staatsanwältin Valeria Sonntag ihm vor der XII. Strafkammer vor. Mitangeklagt sind drei mutmaßliche Komplizen wegen Bestechung und Nötigung.
Es sind laut Anklage gar nicht so große Beträge, für die der Mann aus dem Essener Stadtteil Freisenbruch seinen sicheren Arbeitsplatz und seine Pension aufs Spiel gesetzt hat. Zwischen 2014 und 2018 soll er jeweils im Schnitt 60 Euro von einem mitangeklagten Autohändler aus Steele bekommen haben, damit er dessen Autos bevorzugt zuließ und dabei großzügig über fehlende Papiere hinwegsah. Das betraf vor allem aus den USA importierte Fahrzeuge, bei denen es die vorgeschriebenen Prüfgutachten gar nicht oder in gefälschter Form gab.
Zulassung von Dieselautos ohne Bescheinigung
Hemdsärmelig ließ der Beamte auch Oldtimer ohne Prüfgutachten zu oder erteilte Dieselfahrzeugen die Bescheinigung über Partikelminderungssysteme, obwohl diese Abgasreinigung vom Hersteller der Kfz laut Anklage "überhaupt nicht angeboten" wurde.
Der 64 Jahre alte Autohändler, der dem Beamten die jeweils 60 Euro gezahlt hatte, soll von seinen Kunden, das sind die Autobesitzer, im Schnitt 450 Euro kassiert haben. Dafür bekamen sie die Zulassung für ihre Autos, die sonst nur mit für sie großem Aufwand möglich gewesen wäre. Ein weiterer Autohändler aus Unna, 34 Jahre alt, soll zunächst ebenfalls über den Essener Händler die illegalen Dienste des städtischen Beamten genutzt haben.
Mit Russen gedroht
Später nahm er alleine Kontakt mit dem Beamten auf, angeblich auf Druck des vierten Mitangeklagten. Der 35-Jährige aus Ibbenbüren soll dem Beamten und dem anderen Händler mit Gewaltaktionen durch Russen gedroht haben, falls er ihm nicht kostenlos Autos zuließe. Er ist in Usbekistan geboren und damit der einzige Angeklagte mit einem Migrationshintergrund.
Im Herbst 2018 hatte die Stadt Essen selbst Strafanzeige erstattet, nachdem sie von außen Hinweise auf illegale Aktivitäten ihres Beamten bekommen hatte. Telefone wurden abgehört und die Ermittlungen später auf die Mitangeklagten ausgedehnt.
Zunächst aus Freundschaft geholfen
Bis auf den gebürtigen Usbeken äußern die Angeklagten sich. Der Beamte räumt ein, das Geld entgegengenommen zu haben. Er habe den Essener Autohändler ganz gut gekannt und ihm anfangs aus Freundschaft geholfen. Dann habe dieser ihn aber unter Druck gesetzt.
Er habe damals privat Probleme gehabt, weil seine Frau ihn verlassen und mit dem gemeinsamen Sohn in ihr Heimatland ziehen wollte. Das mag bedauerlich sein, aber mit der Schweiz als Heimat wäre der Sohn sicher nicht unerreichbar gewesen.
Angeklagter sah sich schon in Sibirien
Bedrohlicher war da wohl der Essener Autohändler, der oft mit blauem Auge oder Arm in Gips erschienen sei. Der Beamte: "Ich wusste, er hat Kontakt zu Menschen, die Gewalt ausüben. Ich hatte Angst." Schlimmer wurde es nach seinen Worten, als der andere Autohändler kam und mit "vier Russen" drohte, die die städtische Zulassungsstelle in Steele auseinandernehmen würden. Nochmal der Beamte: "Ich sah mich schon in Sibirien, Steine kloppen oder Schlimmeres."
Fein differenziert er die Annahme der Gelder, die er einräumt: "Das war nie eine Entlohnung, sondern eine Entschädigung für den Stress, den ich hatte."
Die beiden Autohändler räumen ihre Beteiligung zwar indirekt ein. Sie widersprechen dem Beamten aber bei seiner Behauptung, sie hätten ihn massiv unter Druck gesetzt. Als Bestechung wollen sie ihre Beteiligung nicht gedeutet wissen. Sechs weitere Verhandlungstage hat die Kammer angesetzt.