Am Niederrhein. Nachdem die Brut im vergangenen Jahr wegen Störungen ausgeblieben war, haben die Seeadler auf der Bislicher Insel nun wieder Nachwuchs.
Nordrhein-Westfalens einziges bislang bekanntes, wild lebendes Seeadler-Brutpaar hat wieder Nachwuchs. Auf der Bislicher Insel bei Xanten füttern die Elterntiere nach Beobachtungen von Ornithologen offenbar drei Jungvögel. „So viele hatten wir noch nie“, berichtete Dirk Janzen vom Regionalverband (RVR) auf Nachfrage der Redaktion (17. Mai 2021).
Der RVR ist Eigentümer des 1000 Hektar großen, bedeutenden Naturschutzgebietes im Kreis Wesel. Seit 2017 brütet das Adlerpaar dort. Die imposanten Vögel (bis 2,40 Meter Flügelspannweite) stehen unter strengem Schutz. Üblicherweise schlüpften auf der Bislicher Insel jedes Jahr zwei Jungvögel.
Hundehalter ließen Vierbeiner freilaufen
Im vergangenen Jahr allerdings war die Brut ausgeblieben - bei einem Unwetter war zunächst die Pappel ins Wasser gerutscht, auf der die Vögel drei Jahre erfolgreich gebrütet hatten. Die Adler hatten daraufhin einen neuen Horst gebaut, also ein neues Nest - aber zu nah am Besucherweg.
Die Vögel wurden von Hundehaltern gestört, die ihre Vierbeiner freilaufen ließen. Daraufhin bauten die Seeadler einen weiteren Horst, auf einem abgelegenen Baum - ebenfalls einer Pappel, kaum einsehbar. Dort war es 2020 aber nicht mehr zur Eiablage gekommen, das Jahr war offenbar schon zu weit vorangeschritten.
Ungemütliches Wetter während der ersten Lebenswochen
Umso spannender war die Frage, wie sich die Vögel dieses Jahr verhalten würden: „Eine Abwanderung aus dem Gebiet wäre tragisch gewesen“, sagte RVR-Biologe Janzen. Dazu ist es auch nicht gekommen: Das Seeadler-Paar brütete auf der abgelegenen Pappel, wo es schon im vergangenen Jahr den neuen Horst gebaut hatte.
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„Unsere Ornithologen hatten am 8. April erste Hinweise darauf, dass Jungvögel geschlüpft waren“, berichtet Janzen. Die besonders heiklen ersten Lebenswochen scheinen nun überstanden - und das trotz zeitweise sehr ungemütlicher Witterung. Es bleibe aber immens wichtig, dass die Altvögel bei der Versorgung des Nachwuchses nicht gestört werden.
Dringender Appell an Besucher der Bislicher Insel
„Unsere dringende Bitte an die Besucher der Bislicher Insel ist, dass sie auf den Wegen bleiben“, appellierte Janzen. Wichtig sei auch, dass kein Lärm gemacht und kein Müll hinterlassen werde und Hunde angeleint bleiben, mahnte der RVR-Biologe. Für Besucher gebe es von den Beobachtungshütten aus immer wieder Gelegenheit, die Altvögel zum Beispiel beim Jagen zu erleben - „an den Hütten müssen aber die Corona-Regeln eingehalten werden“.
Die Seeadler von der Bislicher Insel sind weiterhin das einzige bekannte Brutpaar im Bundesland, wie Michael Jöbges von der Vogelschutzwarte NRW bestätigte. Allerdings gebe es immer wieder auch umherziehende Einzeltiere. Zudem würden in den Weserauen bei Minden immer wieder Seeadler gesichtet, die wenige Kilometer weiter in Niedersachsen brüten.
Bislicher Insel ist ein „Top-Standort“ für die Seeadler
Jöbges hält es für „eine Frage der Zeit, wann es in NRW ein weiteres Brutpaar“ gibt. Es ist aber eben auch eine Frage des Standortes. Seeadler sind bei ihrer Ernährung nicht unbedingt wählerisch - sie ernähren sich von Wasservögeln ebenso wie von Fischen oder Kleinsäugern. Für eine Brut aber benötigen die Greifvögel auch ein breites Nahrungsangebot und eben absolut störungsfreie Zonen.
Bislicher Insel - ein Paradies für viele Vogelarten
Auch andere Vogelarten wissen die besonderen Qualitäten der Bislicher Insel zu schätzen. Im Jahr 2020 wurden dort laut Regionalverband Ruhr 3087 Brutreviere gezählt - u. a. von Weißstorch, Schwarzmilan, Kiebitz und Eisvogel. Zudem haben 2020 etwa 12 Löffler-Paare dort gebrütet - die erste, bekannte Binnenlandbrut dieser Art. (dum)
Dass es auf der Bislicher Insel am Niederrhein in diesem Jahr nicht nur zwei, sondern sogar drei Jungvögel gibt, führt Experte Jöbges u. a. auf die gute Nahrungsverfügbarkeit dort zurück: „Das Gebiet ist ein Top-Standort, davon haben wir in NRW nicht allzu viele.“
Ein Jungvogel von 2019 ist tödlich verunglückt
Aktuell sind die Altvögel schwer beschäftigt, ihren hungrigen Nachwuchs zu versorgen. Ab Juli verlassen die Jungtiere in der Regel das Nest, bleiben aber am Standort. Im August und September gibt es dann Ausflüge in die Umgebung. Gegen Ende des Jahres geht der Nachwuchs dann seine eigenen Wege, so Fachmann Jöbges. Gegebenenfalls werden die Jungvögel auch von den Eltern daran erinnert, dass sie sich ein eigenes Revier suchen müssen.
Die beiden 2019-er Jungvögel von der Bislicher Insel waren mit GPS-Sendern ausgestattet worden. Deshalb weiß man: Das Männchen von damals zog in Richtung Niederlande zum Ijsselmeer. „Meldungen kamen aus dem Bereich Flevoland“, berichtete Jöbges. Der andere Jungadler, ein Weibchen, zog in Richtung Eifel und andere Gebiete. Es verunglückte allerdings an einer Stromleitung tödlich: „Das ist sehr traurig. Das war ein sehr kräftiges Tier“, sagte Michael Jöbges.