Essen/Oberhausen/Dortmund. Auch im Ruhrgebiet steigt die Zahl der Taten. Warum Diebe immer öfter Katalysatoren von Autos stehlen. Und welche Modell besonders betroffen sind.
Die Diebe kommen in der Nacht. Langsam fahren sie durch die Straße, bis sie gefunden haben, was sie suchen. In aller Ruhe steigen zwei Männer aus, setzen den Wagenheber an einem halb auf dem Bürgersteig geparkten PKW an. Kaum ist der Wagen angehoben, kriecht einer unter das Auto. Nahezu lautlos durchtrennt er das Abgasrohr an zwei Stellen und taucht mit dem Katalysator des Wagens wieder auf. Keine 60 Sekunden sind vergangen, da steigt das Duo auf dem Überwachungsvideo wieder in den eigenen Pkw und rauscht davon. „Das sind absolute Profis“, sagt Dirk Krüger, Leiter Technik und Verkehr beim ADAC-Westfalen. „Es ist erschreckend, wie schnell sie arbeiten.“
Und wie oft sie mittlerweile zuschlagen. Essen, Duisburg, Dortmund – kaum ein Tag vergeht, an dem nicht mindestens eine Polizeidienststelle im Revier einen Katalysatordiebstahl meldet. Vor einigen Monaten bockten Unbekannte bei einem Gebrauchtwagenhändler in Oberhausen in einer Nacht gleich fünf Autos auf, um an die Kats zu kommen. Und Ende letzten Jahres verurteilte das Landgericht Dortmund ein aus Bulgarien stammendes Trio, das über 50 Kats gestohlen hatte, zu langen Haftstrafen.
Fallzahlen steigen stark an
Das Landeskriminalamt in Düsseldorf bestätigt die Entwicklung. „Während 2019 die Fallzahlen noch im zweistelligen Bereich lagen, stiegen sie im Jahr 2020 landesweit bereits auf einen niedrigen vierstelligen Wert. Für das Jahr 2021 zeigt sich bislang ein weiterer Anstieg der Fallzahlen“, heißt es auf Anfrage. Aktuelle Zahlen allerdings gibt es nicht – auch weil der Kat-Diebstahl in der Statistik nicht gesondert erfasst, sondern der Rubrik Teilediebstahl zugeordnet wird.
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„Der Trend ist schon klar zu erkennen“, sagt auch Krüger. Zwar hat auch der ADAC keine absoluten Zahlen, aber er hat seine Pannenstatistik. In die trugen die Pannenhelfer 2015 84 gestohlene Katalysatoren ein, 2020 aber schon 420. Im Jahr 2021 wurden dann sogar 959 Kats entwendet. „Und das sind nur die Fälle, bei denen die Gelben Engel zu Hilfe gerufen wurden.“
Rhodium viel wertvoller als Gold
Klar ist allerdings, warum Kats immer öfter gestohlen werden. Sie enthalten bis zu fünf Gramm Palladium, Platin und Rhodium. Sie ummanteln den Katalysatorenkern und ermöglichen damit die Senkung der Schadstoffemissionen. „Die Preise für diese Edelmetalle sind in den vergangenen Jahren stark gestiegen“, weiß Krüger. So stark jedenfalls, dass schon ein paar Gramm reichen, um einen Diebstahl lohnenswert zu machen. Platin etwa wird aktuell mit ca. 29 Euro pro Gramm gehandelt, Palladium mit ca. 60 und für Rhodium werden sogar rund 500 Euro pro Gramm fällig. Nur zum Vergleich: Gold kostet in der gleichen Menge 56 Euro.
Die gestohlenen Kats landen entweder in Recyclingbetrieben, wo die wertvollen Bestandteile vom Rest getrennt werden, oder sie gehen komplett an spezialisierte Hehler, wo sie – je nach Typ – zwischen mehreren Hundert, bis weit über 1000 Euro bringen. Das Bundeskriminalamt spricht dann auch von einem „lukrativen Betätigungsfeld international agierender Tätergruppierungen“.
Betroffen sind vor allem ältere Modelle
Anders als beim Navi- oder Airbag-Diebstahl haben die Täter keine Luxusautos oder neue Wagen im Visier. Bei ihnen wird der Katalysator nämlich sehr nah am Motor montiert, damit er sich nach dem Kaltstart schneller aufheizt und auf Betriebstemperatur kommt und ist nur unter größerem Zeitaufwand zu erreichen. „Bei älteren Fahrzeugen dagegen ist er gut zugänglich in der Mitte des Wagenbodens verbaut“, erklärt der ADAC-Experte. Besonders beliebt bei den Tätern sind Opel Astra, Toyota Prius und VW Polo, treffen aber kann es Benziner jeder Marke.
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Bei der Frage, wie man sich und sein Auto schützen kann, tun sich Polizei und Techniker mit einer Antwort schwer. Klar, eine abschließbare Garage ist gut, „aber die hat natürlich nicht jeder“, sagt Krüger. „Gut sichtbar parken“, lautet deshalb die Empfehlung oder eine Alarmanlage mit Neigungsmelder einbauen, die das Aufbocken des Autos erkennt. „Für ältere Autos lohnt sich so eine Anlage aber oft nicht.“
Oft zahlt die Teilkasko-Versicherung
Immerhin: Versichert sind Katalysatoren nach Angaben des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) meist über die Teilkaskoversicherung. Wer nur haftpflichtversichert ist – und das ist bei älteren Autos oft so –, bleibt auf den Kosten sitzen. Fahren darf man sein Auto nach einem Kat-Diebstahl übrigens nicht mehr – schon weil die Abgasreinigung nicht mehr vorhanden ist und damit die Betriebserlaubnis erlischt. Und die Ausrede „habe ich nicht gemerkt“ funktioniert eher nicht. „Glauben Sie mir“, sagt Krüger, „ohne Kat macht Ihr Auto so einen Lärm, da wissen Sie sofort, dass der Kat weg ist.“