Essen./Gelsenkirchen. Der Gelsenkirchener Unternehmer, der mit seinem Sohn in Essen wegen Erpressung angeklagt ist, sieht sich selbst als Opfer.

Mutmaßliche Opfer, die schweigen wollen, und zwei Angeklagte, die sich selbst als Opfer sehen. Der zweite Tag im Prozess gegen einen ehemaligen Gelsenkirchener Unternehmer und seinen Sohn wegen versuchter besonders schwerer räuberischer Erpressung und gefährlicher Körperverletzung bot am Freitag vor dem Landgericht Essen einige Überraschungen.

Die Staatsanwaltschaft wirft den beiden vor, am 12. Dezember 2018 eine brutale Strafaktion gegen einen heute 26 Jahre alten Gelsenkirchener durchgeführt zu haben. Der Mann war etwa zwei Jahre lang der Freund der heute 21-jährigen Tochter des Unternehmers. Sie soll den arbeitslosen Mann mit Geschenken im Wert von rund 200.000 Euro überhäuft haben.

Pistolen an den Kopf gehalten

Dieses Geld hätten Vater und Sohn sich zurückholen wollen. Getarnt mit einem  Anruf über das Handy der Tochter sollen sie deren Freund zum Haus des Unternehmers gelockt haben. Der Mann habe einen Freund mitgebracht. Beide seien in der Wohnung von etwa 15 maskierten Männern in Empfang genommen und übel verprügelt worden. Ihnen seien Pistolen an den Kopf gehalten und mit einem Hammer auf die Fingerknöchel geschlagen worden.

Später sei auch der Unternehmer gekommen und habe die Rückzahlung der 200.000 Euro innerhalb von 24 Stunden gefordert. Beide durften laut Anklage danach gehen. Sie ließen sich im Krankenhaus behandeln und informierten die Polizei.

Angeklagter bedauert die Verletzungen

Am zweiten Prozesstag gab Rechtsanwalt Malte Englert, Verteidiger des 57 Jahre alten Vaters, eine Erklärung für seinen Mandanten ab. Darin äußert dieser zum Schluss sein Bedauern: "Es tut mir leid, was passiert ist und dass die beiden verletzt sind."

Was Englert aber die zehn Minuten zuvor der VII. Essener Strafkammer vorliest, weist eher den beiden Angeklagten die Opferrolle zu. Zunächst ist die Tochter die Täterin. Wenige Tage vor der eigentlichen Tat sei aufgefallen, dass diese aus dem Bankschließfach der Eltern rund 200.000 Euro entnommen habe und zuvor schon häufig Bargeld aus den Taschen der Eltern gestohlen habe.

Tochter will erpresst worden sein

Ihre Schuld relativiert sich aber, weil Englert weiter für den Mandanten vorliest, dass die damals 16-Jährige von ihrem Freund unter Druck gesetzt wurde. Der habe immer Geld von ihr gefordert und sie erpresst. Der Unternehmer will das in WhatsApp-Chats auf dem Handy der Tochter nachgelesen haben. Leider können diese dem Gericht nicht überreicht werden.

Als der Freund wieder Geld forderte, sei es zum Zusammentreffen gekommen. In der Erklärung heißt es dazu: "Er ging auf mich los. Ich hatte keine Waffe in der Hand, mein Sohn kam hinzu." Viel mehr sagt er nicht, lässt auch keine Nachfrage zu. Aber es scheint, als hätten Vater und Sohn gewonnen. Von den 15 Maskierten ist keine Rede.

Angeklagter fürchtet Rache

Weiter heißt es, seitdem fürchte er die Rache des Mannes, den er einem arabischen Clan zuordnet. Richterin Karin Maiberg wundert sich, dass ein angebliches Clanmitglied anschließend zur Polizei geht.

Sie wundert sich aber auch, dass am Freitag beide mutmaßlichen Opfer anschließend die Auskunft verweigern wollen, um sich nicht selbst zu belasten. Das sieht die Kammer zum Teil anders und beginnt dennoch mit der Vernehmung. Der Prozess wird fortgesetzt.