Münster/Palma de Mallorca. Acht Kegelbrüder aus Münster saßen fast zwei Monate im Gefängnis auf Mallorca. Nun sind sie frei. Haben sie doch nicht den Brand verursacht?
Nun sind sie endlich frei. Fast zwei Monate saßen acht Kegelbrüder aus Münster im Gefängnis von Mallorca, lediglich die Sandtöne erinnern hier an die Hotels vor der Tür, drinnen prägten Sorgen und Existenzängste den Alltag. Es drohten zehn Jahre Haft. Lange schienen die Indizien gegen die jungen Männer zu sprechen. Mindestens ein Zeuge wollte gesehen haben, wie die Mitglieder des Kegelklubs „Stramm am Tisch“ wüst auf ihrem Hotelbalkon in S’Arenal feierten und brennende Zigaretten hinunter schnippten. Selbst als das Dach einer Bar brannte, sollten sie noch gefilmt, gegrölt, gelacht haben. Die Schilderungen entsprachen dem Klischee verrohter Partytouristen und führten wohl bei den spanischen Behörden zu verhärteten Fronten.
Doch womöglich war alles ganz anders. Ein Foto aus einem Whats-App-Chat, das am Dienstag von den Verteidigern vorgelegt wurde, scheint ein Umdenken provoziert zu haben. Selbst der spanische Staatsanwalt hatte darauf die Freilassung der jungen Männer im Alter von 24 bis 29 Jahren aus der Untersuchungshaft befürwortet – gegen eine Kaution von 12.000 Euro, versteht sich. Am Freitagnachmittag stimmte auch ein Ermittlungsrichter zu. Offenbar eine Urlaubsvertretung. Der eigentlich zuständige Richter hatte zuletzt alle Freilassungsanträge wegen „maximaler Fluchtgefahr“ abgeschmettert. Ursprünglich waren 13 Kegelbrüder inhaftiert, fünf wurden schon nach wenigen Tagen freigelassen, zum Teil gegen Kaution.
Ein entlastendes Foto
Das Foto ist kurz vor Ausbruch des Feuers aufgenommen worden, am „Freitag, 20. Mai 2022, 14.49 Uhr“. Es zeigt kein wildes Ballermannbesäufnis, stattdessen sitzen zwei Beschuldigte sitzen hier entspannt auf ihrem Balkon. Interessant ist ein Mann im Hintergrund. Denn der raucht im Nachbarzimmer über den Balkon gelehnt. Dabei hatte die Polizei festgehalten, dass das Nachbarzimmer 1202 frei gewesen sei. Doch die Anwälte der Beschuldigten hatten schon zuvor die vom Hotel „Whala!Beach“ gespeicherten Daten der Zugangskarten vorgelegt. Danach hatte tatsächlich ein Gast um 14.47 Uhr das Zimmer 1202 betreten. Theoretisch könnte auch er also den Brand verursacht haben, der die Restaurant-Bar „Why not“ (Schnitzel und Cocktails) und das darunter liegende Bordell „Cupido“ fast vollständig zerstörte.
Die Anwälte kritisieren außerdem das Brandgutachten, denn das hat die Polizei selbst erstellt, kein Sachverständiger wie üblich. Darin hieß es laut Informationen der „Bild“-Zeitung, das Feuer sei wahrscheinlich produziert worden „durch den Wurf eines brennbaren, zuvor entzündeten Elements, wie es eine Zigarette oder Ähnliches sein kann“. Steckdosen würden als Brandursache ausscheiden, eine „externe Entzündungsquelle“ sei wahrscheinlich auf das Schilfdach der Bar gefallen. Der Ermittlungsrichter hatte den Verteidigern bislang verwehrt ein neues Gutachten einzubringen.
Widersprüchliche Zeugenaussagen
Wohl auch darum sind Experten vor allem medial aufgetreten. Roland Goertz, der Direktor des Feuerwehrwissenschaftlichen Instituts (FSI) der Uni Wuppertal, hatte der Bild erläutert, warum er die Spurenlage für „sehr dünn“ hält. In der Europäischen Union werde „nur noch Sicherheitszigaretten mit speziellem Papier, bei dem die Glut schneller erlischt“, verkauft.
Tatsächlich geht die Staatsanwaltschaft nach entsprechenden Zeugenaussagen davon aus, dass die Kegelbrüder hochprozentigen Alkohol auf das Vordach gegossen haben. Die hinterhergeworfenen Zigarettenkippen sollen diesen Brandbeschleuniger entzündet haben. Der deutsche Verteidiger Raban Funk hält dagegen: Bier sei nicht brennbar. Und Bierduschen wollen andere Zeugen gesehen haben. Außerdem liege der Balkon der Kegelbrüder etwa fünfzehn Meter seitlich vom Brandherd entfernt, mithin nicht in Wurfweite. Das wissen auch die Ermittler seit langem, sie nehmen an, dass Kegelbrüder über Nachbarbalkone samt Absperrungen geklettert seien. Sie stützen sich dabei auf Anwohneraussagen, der Männer auf einem Eckbalkon gesehen hatte. Anwalt Funk dagegen gibt an, ihm liege ihm ein Video vor, das zwei andere Männer zeigt, wie sie auf dem fraglichen Balkon direkt neben der Bar eine Flüssigkeit auf das Dach gießen. Das Video ist unscharf, aber die Männer tragen andere T-Shirts.
Wollten sie im Gegenteil helfen?
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Einige Kegelbrüder sind zudem Mitglieder der Freiwilligen Feuerwehr Münster. Chat- und Sprach-Nachrichten sollen laut Verteidigern belegen, dass sie nach Ausbruch des Brandes helfen wollten und tatsächlich andere Gäste warnten.
Haben also andere Touristen den Brand verursacht? Die zwei aus dem erwähnten Video oder der rauchende Zimmernachbar vom Foto? Für die Verteidiger sind ihre Mandanten unschuldig, diese bestreiten auch, das Feuer gelegt zu haben. Aber warum ist das entlastende Foto erst jetzt aufgetaucht? Warum haben sie ansonsten die Aussage verweigert? Die Ermittlungen gehen natürlich weiter – und es sieht nicht mehr ganz so schlecht aus für die jungen Männer aus Münster. Neben der Kaution von 12.000 Euro pro Person haben die Angehörigen auch eine Solidarhaftungssumme von einer halben Million Euro hinterlegt. Sollte es zu Anklage, Prozess und Urteil kommen, würde dies strafmildernd wirken – und den Feuerschaden begleichen.