Kreis Wesel. Über 100 Schafsrisse und fünf getötete Ponys gehen seit 2018 auf das Konto von Wölfin Gloria und ihrem Rudel im Kreis Wesel.

Vier Ponys und ein Schaf in vier Wochen: Im Wolfsgebiet in Hünxe wurden in kurzer Abfolge mehrere Tiere gerissen. Noch laufen die Prüfungen des Landesumweltamtes (LANUV) zu den jüngsten Rissen, aber es ist wahrscheinlich, dass auch sie auf das Konto des Wolfsrudels gehen. Die Unruhe im Kreis Wesel wächst seit diesen Vorfällen bei Anwohnern, Pony- und Schafsbesitzern, vor allem auch deshalb, weil das Schaf vergangenen Freitag morgens zwischen 7.30 und 8 Uhr in der Nähe mehrerer Schulbus-Haltestellen und das Shetlandpony diesen Mittwoch im Garten eines Wohnhauses getötet wurden.

Nach den jüngsten Rissen will das Umweltministerium die Lage im Wolfsgebiet neu bewerten und hat dazu ein Rechtsgutachten in Auftrag gegeben. Angesichts der gehäuften Nutztier-Risse sei man besorgt, heißt es aus dem Ministerium. Umweltministerin Ursula Heinen-Esser hat bereits nach dem ersten Riss der Serie Anfang Oktober erklärt: „Die Frage einer Entnahme ist erneut zu stellen, wenn die Wölfin GW954f an dem Vorfall beteiligt war und die Gefahr besteht, dass verstärkt Pferde Opfer von Übergriffen werden.“ Wölfin Gloria ist seit Sommer 2018 im Schermbecker Waldgebiet sesshaft. Seitdem hat das Landesumweltamt 101 Schafsrisse, 5 getötete Ponys, ein verletztes Kleinpferd und elf Damwild-Risse dokumentiert und nachgewiesen.

Pony extra in den Garten geholt

Erst im Mai hatte das Verwaltungsgericht Düsseldorf eine Entnahme der Wölfin abgelehnt. Die Wölfin hatte wiederholt Schafe seiner Herde gerissen, seinen Angaben zufolge bis zu diesem Zeitpunkt 26 Stück. In der Urteilsbegründung hieß es: Dem Kläger würden keine ernsthaften wirtschaftlichen Schäden drohen. Dr. Matthias Kaiser, Leiter des Wolfsmonitoring im LANUV, sah keine Verhaltensauffälligkeiten bei der Wölfin. „Gloria reißt Nutztiere, weil sie sie als Beute ansieht und hungrig ist. Verhaltensauffällig wäre sie, wenn sie ihre Scheu vor Menschen ablegen würde.“

Genau davor wächst die Angst unter Anwohnern und Pferdebesitzern des Wolfsgebietes. „Ich habe Angst um mein Pferd. Wir stehen im Wolfsgebiet Schermbeck im Offenstall, ich möchte meinem Pferd eine artgerechte Haltung ermöglichen, das Pferd ist dazu lungenkrank und braucht die Offenstallhaltung zum Überleben. Meine Nichte (9) lernt grad auf meinem Pony reiten, was sage ich dem Kind, wenn eines Morgens der Wolf da war? Ich habe Angst das Kind mit zum Stall zu nehmen. Der Wolf hat sicherlich seine Daseinsberechtigung, aber nicht in unserem dichtbesiedelten Landstrich“, sagt eine Pferdebesitzerin. Aus Angst vor Anfeindungen möchte sie anonym bleiben.

Wölfe meiden eigentlich Ortschaften und Straßen

Bei der Bewertung der Schermbecker Wölfe berücksichtigt das LANUV das „Konzept zum Umgang mit Wölfen, die sich Menschen gegenüber auffällig verhalten“ von der Dokumentations- und Beratungsstelle des Bundes zum Thema Wolf (DBBW). Danach sind Angriffe von Wölfen auf Menschen „ausgesprochen selten“. Die Angst vieler Menschen vor dem Wolf stehe „in keinem Verhältnis zum objektiven Risiko eines Angriffes“, so das Konzept. Zwar würden Wölfe, so die DBBW, eigentlich „Ortschaften und Straßen meiden“. Allerdings könne es vorkommen, dass Wölfe an Siedlungen vorbei oder „gelegentlich hindurch“ laufen, so das Konzept. Solche Tiere werden als „siedlungstolerante Wölfe“ bezeichnet, deren Verhalten als „unerwünscht“ aber „ungefährlich“ gilt. Erst, wenn ein Wolf „Menschen, die als solche zu erkennen sind“ – also nicht Gebäude – „ wiederholt auf eine Distanz von unter 30 Metern duldet oder sich sogar wiederholt aktiv auf unter diese Distanz annähert“, könne sein Verhalten als „kritisch“ oder „gefährlich“ bewertet werden.

Die Besitzer des jüngst gerissenen Ponys hatten „Ecki“ mit seinem Kumpel „Fritzi“ aus Angst vor dem Wolf von einer weiter entfernt gelegenen Weide extra in den Garten des Hauses geholt, erzählt Eckhard Vornbrock vom Bürgerforum Gahlen, das die Risse im Kreis Wesel dokumentiert. Die Wiese sei mit Maschendraht, Draht und Stromlitze sowie einer Hecke eingezäunt gewesen. „Ecki“, der bereits seit 15 Jahren mit „Fritzi“ in einer „Altherrengemeinschaft“ lebte und sein Gnadenbrot genoss, sei durch einen Kehlbiss getötet worden.

Bürgerforum: Land nicht vorbereitet

Die jüngsten Vorfälle „zeigen eine Eskalation, die vorhersehbar war und auf die sich die Landesregierung nicht rechtzeitig vorbereitet“ habe, so der Vorwurf des Bürgerforums Gahlen. Schon im Januar wurde in Hünxe ein Pony gerissen. Danach „wollte die Landesregierung bereits die Aufnahme von Pferden in die Förderkulisse prüfen“, so Vornbrock. Bis zu den erneuten Rissen im Oktober sei „nichts passiert.“ Das Land gebe gebe lediglich „oberflächliche Empfehlungen, dass man wolfsabweisend zäunen soll.“ Aber wie man bei Pferden wolfsabweisend zäunt, sage die Landesregierung nicht. Das Bürgerforum Gahlen hofft nun, „dass wenigstens jetzt die neue externe Bewertung mehr als nur ein Gefälligkeitsgutachten wird.“