Essen. Der Täter gab sich als Mitarbeiter der Essener Sparkasse aus und raubte der 90-Jährigen 5000 Euro Bargeld. Jetzt begann der Prozess.
Eine hässliche Tat ist es, die seit Mittwoch vor der XVI. Essener Strafkammer verhandelt wird. Das findet auch Kazimir D., der 30 Jahre alte Angeklagte aus Berlin. Doch er will mit diesem Raubüberfall auf eine 90 Jahre alte Essenerin nichts zu tun haben, versichert sein Verteidiger Oliver Gaertner.
Am 5. Juni hatte laut Anklage ein Mann bei der im Essener Stadtteil Bergerhausen lebenden Frau angerufen und sich als Mitarbeiter der Sparkasse ausgegeben. Freundlich erkundigte er sich bei der 90-Jährigen, ob sie zu Hause Bargeld aufbewahre. Als sie bejahte, kündigte er sein Kommen an.
90-Jährige zu Boden gebracht
Kurz darauf klingelte es. Ein Mann zeigte der stark sehbehinderten Frau seinen angeblichen Dienstausweis und gab dann schnell seine freundliche Haltung auf. Er soll sie sofort in ihre Wohnung gedrängt und die 90-Jährige zu Boden gebracht haben.
Brutal soll er sie gewürgt und ihren Kopf mehrfach auf den Boden geschlagen haben. Und immer wieder habe er gefragt, wo das Geld sei, wo sie es verstecke.
5000 Euro und Münze von 1912 erbeutet
Irgendwann gibt sie auf, zeigt auf die Kommode. Ihr Leben ist ihr natürlich wichtiger als Geld und Schmuck. Der Räuber lässt ab von ihr und holt seine Beute aus der Kommode: 5000 Euro Bargeld, eine Perlenkette, einen Ring mit Perle und eine Münze aus dem Jahre 1912, die Kaiser Wilhelm zeigt. Dann ist er weg.
Weil die Seniorin den Notknopf eines Rettungsdienstes am Körper trägt, gelingt es ihr selbst, Hilfe zu alarmieren. Trotz der brutalen Schläge übersteht sie die Verletzungen. Mittlerweile lebt sie nicht mehr. Aber die Staatsanwaltschaft stuft ihren Tod nicht als Folge der Attacke ein. Den Ablauf der Tat wird das Gericht über die Aussagen der Beamten zu rekonstruieren versuchen, von denen die Frau nach der Tat vernommen worden ist.
Opfer hätte zum Prozessauftakt den 91. Geburtstag gefeiert
Kleine Randnotiz: Am Mittwoch zum Prozessauftakt hätte das Opfer den 91. Geburtstag gefeiert.
Kazimir D. schweigt zunächst zu den Vorwürfen der Anklage. Erst zwei Monate nach dem Raubüberfall hatte die Polizei ihn festgenommen. Seitdem sitzt er in Untersuchungshaft. Auf seine Spur waren die Ermittler gekommen, nachdem sie in Tatortnähe in einem Gebüsch ein Handy gefunden hatten.
DNA-Spur am Handy
Es galt ihnen als das Mobiltelefon, mit dem die Seniorin angerufen worden war. DNA-Spuren konnten gesichert werden, die Kazimir D. zugeordnet wurden. Weil er in der Vergangenheit bereits mit der Justiz in Konflikt geraten war, befand sich seine DNA-Spur in der Datenbank des Bundeskriminalamtes.
Von Anfang an hatte er die Tat bestritten. Dabei blieb er auch in der Erklärung seines Verteidigers, des Kölner Anwaltes Oliver Gaertner: "Er hat nichts mit dieser Tat zu tun. Er ist kein gewalttätiger Mensch."
Angeklagter "kein unbeschriebenes Blatt"
Der Verteidiger spricht die strafrechtliche Vergangenheit seines Mandanten an und räumt ein, dass dieser "sicher kein unbeschriebenes Blatt sei". Er wolle aber daran erinnern, dass Kazimir D. bei früheren Taten immer ein Geständnis abgelegt habe.
Handy vielleicht mal angefasst
Dass die DNA-Spur auf dem Handy ein Problem darstelle, sehen natürlich auch der Verteidiger und der Angeklagte. Gaertner: "Er nimmt an, dass er es mal angefasst habe, dass er möglicherweise auch Kontakt zu dem Räuber hatte."
Das lasse sich dadurch erklären, dass sein Mandant fast zwangsläufig Kontakt zu Straftätern habe: "Er entstammt einem Milieu, einer Familie, wo ab und an Straftaten begangen werden." Er formuliert das noch einmal mit anderen Worten: "Straftaten kommen dort ab und an vor."
Dass der Berliner zur Tatzeit im Ruhrgebiet war, streitet der Angeklagte nicht ab. Seine getrennt von ihm in Gelsenkirchen lebende Ehefrau habe damals selbst in Strafhaft gesessen, so dass er sich um die Kinder gekümmert habe, versichert der Verteidiger und erklärt, dass Kazimir D. Fragen des Gerichtes nicht beantworten werde. So muss das Gericht vorerst ohne Hilfe des Angeklagten an zwei weiteren Tagen versuchen, die Schuldfrage zu klären.