Essen./Gelsenkirchen. Erneut ist ein Arzt des Uni-Klinikums Essen wegen eines Tötungsdeliktes an Patienten verurteilt worden. Dreieinhalb Jahre Haft gab es.

Andreas B., suspendierter Arzt des Essener Uni-Klinikums. ist am Mittwoch zu weiteren dreieinhalb Jahren Gefängnis verurteilt worden. Das Essener Schwurgericht erkannte auf versuchten Totschlag im minder schweren Fall, weil er zwei Coronapatienten eine Überdosis an Medikamenten gespritzt haben soll.

Bereits am 3. November 2021 hatte diese Kammer den 46 Jahre alten Intensivmediziner zu dreieinhalb Jahren Haft wegen Totschlags verurteilt. Damals ging es um den Tod eines Coronapatienten aus Holland, dem er ohne jede medizinische Begründung Kaliumchlorid gespritzt hatte.

Urteile noch nicht rechtskräftig

Dieses Urteil ist aber ebenso wie das aktuelle noch nicht rechtskräftig. Zu beiden Entscheidungen muss noch der Bundesgerichtshof Stellung beziehen.

Richter Jörg Schmitt, Vorsitzender des Essener Schwurgerichtes, bezeichnete zu Beginn der Urteilsbegründung den Begriff "Sterbehilfe" als unrichtig. Denn diese Handlung setze voraus, dass die Sterbehilfe vom Patienten gewünscht werde. Dies sei in den beiden aktuellen Fällen nicht so gewesen.

Patienten bereits dem Tode geweiht

Und er wies mehrfach, auch in Richtung der Angehörigen, daraufhin, dass die beiden Patienten sich bereits im unaufhaltsamen Sterbeprozess befunden hätten. Das war bei dem im November ergangenen Urteil nicht der Fall. Damals galt der Tod des Patienten zwar als sehr wahrscheinlich, es gab aber noch Therapiemöglichkeiten.

Die Lage des 65 Jahre alten Esseners Detlef B. und die des 50-jährigen Gelsenkircheners Senol S. erschien den Ärzten des Uni-Klinikums dagegen hoffnungslos. Sie beschlossen, die lebenserhaltenden Maschinen abzustellen und die beiden Familienväter dem Sterbeprozess zu übergeben. Richter Schmitt: "Wenn es keine Behandlungsmöglichkeit mehr gibt, ist das aus juristischer Sicht völlig ok."

Eigenmächtig Überdosis injiziert

Nicht rechtens ist aus Sicht des Schwurgerichtes, dass der Intensivmediziner Andreas B. beiden sedierende und schmerzstillende Medikamente, die sie in diesem Moment zur Sterbeerleichterung bekamen, in einer Überdosis injizierte. Schmitt: "Das war in diesem Moment nicht notwendig und brachte den gut versorgten Patienten auch keine Linderung."

Unklar blieb wie schon im November-Verfahren das Motiv des Mediziners. Nach seiner Festnahme hatte er mal von Mitleid mit den Patienten gesprochen. In beiden Prozessen hatte er dagegen geschwiegen. Im ersten Verfahren hatte er die Vorwürfe an einem späteren Verhandlungstag zurückgewiesen.

Kaliumchlorid führte zum Tode

Im November hatte das Gericht ihn wegen vollendeten Totschlags im minder schweren Fall verurteilt, weil seine Injektion von Kaliumchlorid aus Gutachtersicht zum Tode des 47-jährigen Holländers geführt hatte.

Jetzt wollte der Gutachter aber nicht ausschließen, dass der Tod auch unabhängig von der überhöhten Medikamentendosis eingetreten wäre. Deshalb lautete das Urteil lediglich auf versuchten Totschlag im minder schweren Fall, weil ihm hätte klar sein müssen, dass die Dosis zum Tode führen kann.

Pfleger gab Hinweis auf den Mediziner

Dass die Fälle vor Gericht kamen, ist einem Pfleger des Uni-Klinikums zu verdanken, der im November 2020 seinen Vorgesetzten gemeldet hatte, wie Andreas B. das Leben des Holländers eigenmächtig verkürzt habe. Ermittlungen der Klinik ergaben die beiden anderen Fälle, über die sie die Staatsanwaltschaft informierte.

Der Mediziner hatte seit seiner Festnahme ein Jahr in Untersuchungshaft gesessen. Sollten beide Urteile rechtskräftig werden, erwartet ihne eine neue Gesamtstrafe von etwa fünf Jahren Haft. Denn die Justiz zählt nicht dreieinhalb und dreieinhalb Jahre als sieben Jahre Gefängnis zusammen. Sie bildet die Gesamtstrafe, indem sie die höchste Einzelstrafe "maßvoll" erhöht. Klar ist bei diesen Strafen, dass er als Arzt nicht mehr praktizieren wird, wenn sie rechtskräftig werden.