Düsseldorf. Die Hinterbliebenen der Germanwings-Opfer verklagen nun das Luftfahrt-Bundesamt. Ihr Düsseldorfer Anwalt wirft der Behörde Schlamperei vor.

Sechseinhalb Jahre nach der absichtlich herbeigeführten Germanwings-Katastrophe mit 150 Toten wollen Hinterbliebene der Opfer nun das Luftfahrtbundesamt verklagen. Das bestätigte der Düsseldorfer Rechtsanwalt Julius Reiter am Dienstag auf Nachfrage. Reiter, dessen Kanzlei „baum reiter & collegen“ bereits Opfer der Duisburger Loveparade-Katastrophe vertreten hatte, geht davon aus, dass die Klage auf ein erhöhtes Schmerzensgeld im Frühjahr 2022 steht. Er sei „zuversichtlich, dass es mehr geben wird“.

Zusätzliche Entschädigung von 30.000 Euro

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Zuvor waren die Hinterbliebenen in zwei Instanzen mit ihren Forderungen gescheitert. Sie hatten auf zusätzliche Entschädigung von jeweils 30.000 Euro geklagt. Die Lufthansa als Germanwings-Mutter sei der falsche Adressat für die Klage, hatten die Gerichte ihnen verdeutlicht.

Der offensichtlich psychisch kranke Co-Pilot hatte die Maschine im März 2015 auf dem Flug von Barcelona nach Düsseldorf in den französischen Alpen an einer Bergwand zerschellen lassen. Alle 144 Passagiere und sechs Crew-Mitglieder starben damals. Bei dem Absturz kamen auch 16 Schülerinnen und Schüler sowie zwei Lehrerinnen aus Haltern ums Leben. Die Lufthansa soll jedem Hinterbliebenen 10.000 Euro gezahlt haben und 25.000 Euro für jedes Todesopfer an dessen Erben.

Anwalt Julius Reiter wirft dem Amt Schlamperei vor

März 2015: Trümmer der Germanwings-Maschine A320 liegen an der Absturzstelle in der Nähe von Le Vernet in den französischen Alpen.
März 2015: Trümmer der Germanwings-Maschine A320 liegen an der Absturzstelle in der Nähe von Le Vernet in den französischen Alpen. © dpa | Sebastien Nogier

„Die flugmedizinischen Untersuchungen des Piloten durch hoheitlich handelnde Sachverständige sind zumindest schlampig durchgeführt worden“, erklärte Reiter. „Es wäre sonst sicher nicht übersehen worden, dass der Co-Pilot seit längerem an einer schwerwiegenden psychischen Erkrankung litt.“

Der Mann hätte nie fliegen dürfen

Der Mann, so Reiter, hätte nie für den Flugbetrieb zugelassen werden dürfen. „Folgerichtig steht nun die für psychische Untersuchungen zuständige Bundesbehörde im Fokus der Schadensersatzforderungen.“

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Die Tragödie müsse aber auch grundsätzliche Konsequenzen nach sich ziehen: „Es ist ein Missstand, dass bei einer solchen Berufsgruppe, die im Gefahrenbereich agiert, nicht ausreichend kontrolliert wird“, sagte der Anwalt. Es gebe ein gesetzgeberisches Defizit, auf jeden Fall aber auch ein Haftungsproblem.

„Die Leute sollen sich mal nicht so anstellen“

Zwar habe der Gesetzgeber 2017 reagiert und „immerhin einen Anspruch auf Trauergeld“ beschlossen. Hinterbliebene eines Getöteten können seither vom Verursacher eine Entschädigung für ihr seelisches Leid verlangen. Doch abgesehen davon, dass dies im Germanwings-Fall zu spät kommt, hält Reiter die Sätze für zu niedrig. „In Deutschland haben wir bei seelischen Beeinträchtigungen immer noch ein Kasernenhofdenken in unserer Gesetzgebung“, kritisiert Reiter. „Von wegen: die Leute sollen sich mal nicht so anstellen.“

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Der Berliner Anwalt Elmar Giemulla, der die Hinterbliebenen der Germanwings-Katastrophe bislang vertritt, hat Reiters Kanzlei für die Zusammenarbeit eingeschaltet: „Wegen der hohen Anzahl an Klagen habe ich mich dazu entschlossen, mit einer Kanzlei zusammenzuarbeiten, die über die personellen und organisatorischen Strukturen verfügt, die für Sammelverfahren erforderlich sind.“