Esdsen. Totschlag in zwei Fällen wirft die Anklage einem Essener Arzt vor. Er soll ungefragt im Sterben liegende Patrienten totgespritzt haben.
Der Mediziner des Essener Uni-Klinikums Andreas B. (46), den das Essener Schwurgericht bereits im November 2021 wegen Totschlags verurteilt hatte, steht wegen zwei weiterer Fälle erneut vor diesem Gericht. Wieder geht es darum, dass er bei schwerkranken Coronapatienten Sterbehilfe geleistet haben soll, ohne dafür eine Genehmigung zu haben. Zu den Vorwürfen schweigt er am Mittwoch zum Prozessauftakt.
Im November 2020 hatte die Polizei den Arzt festgenommen. Durch einen Pfleger, der seine Vorgesetzten am Uni-Klinikum informiert hatte, war bekannt geworden, dass Andreas B. Patienten, die nicht mehr ansprechbar waren, lebensverkürzende Medikamente injiziert haben soll. Die Ermittlungen ergaben schließlich drei Fälle, die Staatsanwältin Birgit Jürgens in einer Anklage zusammengefasst hatte.
Gericht ließ zunächst nur einen Fall zu
Das Schwurgericht ließ aber lediglich einen Fall zu, bei dem es von einer eindeutigen Beweislage ausging. Betroffen war ein 47 Jahre alter Patient aus Holland, bei dem der Arzt am 13. November 2020 das Beamtmungsgerät abgestellt und ihm Kaliumchlorid gespritzt haben soll. Für dieses Medikament gab es laut Urteil keine medizinische Rechtfertigung. Die Angehörigen des Patienten soll er falsch informiert haben, dass der Sterbeprozess bereits unaufhaltsam sei.
Am 3. November 2021 hatte das Schwurgericht ihn wegen dieses Totschlags zu dreieinhalb Jahren Haft verurteilt. Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig, weil der Bundesgerichtshof noch nicht über den Revisionsantrag des Arztes entschieden hat.
Neues Verfahren nach neuem Gutachten
Das hinderte das Gericht nicht daran, nur einen Monat nach dem Urteil auch die beiden anderen Fälle zur Verhandlung zuzulassen. Dabei geht es wieder um Patienten, denen er zwar nicht Kaliumchlorid, dafür aber Schmerz- und Beruhigungsmittel in mutmaßlich tödlicher Dosis injiziert habe. Ein neues Gutachten hatte die Richter darin bestärkt, ihm nun auch in diesen Fällen den Prozess zu machen.
Der erste Fall betrifft den 65 Jahre alt gewordenen Essener Detlef B., der am 19. Oktober 2020 mit einer akuten Coronainfektion zunächst ins Essener St. Vincenz-Krankenhaus eingewiesen wurde. Einen Tag später kam er auf die Intensivstation des Uni-Klinikums, wo er am 4. November verstarb.
Patienten fälschlich informiert
Die Anklage wirft dem Arzt Andreas B. vor, dass er am Todestag Ehefrau und Sohn des Mannes fälschlich informiert habe, Detlef B. liege unumkehrbar im Sterben. Er sei nicht mehr zu retten, deshalb müsse man das "menschlich beenden". Nur unter dieser Voraussetzung hätten die Angehörigen eingewilligt, die lebenserhaltenden Maschinen abzustellen.
Laut Anklage soll Andreas B. nicht nur die Maschinen abgestellt haben, sondern auch die Mittel in einer zu hohen Dosis gespritzt haben. Birgit Jürgens: "Die unmittelbare Todesursache war daher die kombinierte, überdosierte Injektion von Clonidin, Lormetazepam und Sufentanil."
Sterbehilfe aus religiösen Gründen abgelehnt
Die selben Medikamente soll er auch bei dem Gelsenkirchener Senol S. injiziert haben. Der 50-Jährige war am 23. Oktober 2020 ins Marienhospital in seiner Heimatstadt gekommen. Wie der Essener litt er an akuter Atemnot durch eine Coronainfektion.
Ihn überwiesen die Ärzte am 3. November ins Essener Uni-Klinikum, wo er am 17. November verstarb. Hier soll Andreas B. den Angehörigen verschwiegen haben, dass der Sterbeprozess beschleunigt werden soll. Dies hatten die Angehörigen zuvor aus religiösen Gründen abgelehnt.
Zehn Prozesstage hat das Schwurgericht geplant, um die Vorwürfe aufzuklären.
Befangenheitsantrag gegen die Berufsrichter zurückgewiesen
Im Vorfeld des neuen Verfahrens hatte der Angeklagte durch seinen Verteidiger Harald Wostry die drei Berufsrichter der Kammer als befangen abgelehnt. Erfolg hatte er mit dieser Maßnahme nicht. Ein anderes Essener Gericht wies den Antrag als unbegründet zurück.
Weil dem Schwurgerichtsvorsitzenden Jörg Schmitt beim Beschluss über einen Hilfsschöffen nach eigenen Worten "ein Lapsus" bei zwei Prozessdaten unterlaufen war, rügte die Verteidigung eine angeblich falsche Besetzung des Gerichtes. Über diesen Antrag wird während der laufenden Verhandlung das Oberlandesgericht Hamm zu entscheiden haben. Wenn es den Antrag bestätigt, würde der Prozess platzen.